Europarecht

Widerruf der Betrauung als Prüfingenieur wegen Unzuverässigkeit

Aktenzeichen  11 ZB 19.1722

Datum:
9.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2
StVZO Anl. VIIIb Nr. 3.2
VwGO § 124a Abs. 5 S. 4

 

Leitsatz

Die Betrauung eines Prüfingenieurs ist wegen Unzuverlässigkeit zu widerrufen, wenn er wiederholt gegen seine Kernpflicht verstoßen hat, Fahrzeug bei der Hauptuntersuchung eigen- und vollständig zu prüfen. (Rn. 12 und 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 3 K 17.1961 2019-08-09 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 60.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Betrauung als Prüfingenieur des Beklagten, einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation zur Durchführung von Hauptuntersuchungen, Abgasuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen sowie Abnahmen. Der Kläger war seit 4. Juli 2005 Mitglied des Beklagten und seit 2. September 2005 mit der Durchführung von entsprechenden Untersuchungen und Prüfungen nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften betraut.
In den Jahren 2015/2016 gab es vermehrt Reklamationen an seiner Tätigkeit. Mehrere Autokäufer beschwerten sich, der Kläger habe bei den durchgeführten Haupt- und Nachuntersuchungen erhebliche Mängel nicht beanstandet. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führte daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung gegen den Kläger.
Mit Beschluss vom 7. Februar 2017 ordnete das Amtsgericht Augsburg – Ermittlungsrichter – die Durchsuchung der Person, der Wohnung sowie des Arbeitsplatzes des Klägers in einem Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit an. Bei den Ermittlungen gegen einen anderen Prüfingenieur sei bekannt geworden, dass der Kläger gemeinsam mit drei anderen Beschuldigten den Tatplan gefasst habe, in zahlreichen Fällen Hauptuntersuchungen unter bewusster Außerachtlassung der ihm als amtlich bestelltem Prüfingenieur obliegenden Sorgfaltspflichten gegen ein die amtliche Prüfgebühr übersteigendes Entgelt durchzuführen. Am 15. Februar 2017 wurden in Vollzug dieses Durchsuchungsbeschlusses verschiedene Gegenstände des Klägers sichergestellt und der Kläger von der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg vernommen. Auf die Frage, ob er für einen Herrn J… Prüfbescheinigungen erstellt habe, ohne die Fahrzeuge angesehen zu haben, verweigerte er zuerst die Aussage. Nach eine Bedenkzeit und nachdem ihm angekündigt worden war, er werde nunmehr in Haft genommen, machte er geltend, auf seinem Laptop würden sich Bilder von Fahrzeugen befinden, die teilweise Herr J… für ihn angeschaut habe, da sie sich z.B. bei einem Fahrzeughändler oder bei der Werkstatt S… befunden hätten. Er hätte dann die Fotos angesehen. Ab und zu sei er auch dorthin gefahren und habe die Fahrzeuge persönlich angeschaut und überprüft, auch wenn er keinen genehmigten Prüfstand dazu hernehmen habe können oder kein Scheinwerfereinstellungsprüfgerät zur Verfügung gestanden habe.
Am 16. Februar 2017 ordnete das Amtsgericht Augsburg – Ermittlungsrichter – Untersuchungshaft gegen den Kläger an. Bei seiner Anhörung nach der vorläufigen Festnahme am 16. Februar 2017 führte er aus, die bei der Polizei gemachten Angaben seien richtig. Teilweise habe er die Fahrzeuge nach einer Nachbegutachtung positiv begutachtet, teilweise habe er sich auf die Angaben von Herrn J… verlassen.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2017 brachte der Beklagte wegen des zweiten Ermittlungsverfahrens die Betrauung des Klägers mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres zum Ruhen. Den dagegen erhobenen Widerspruch nahm der Kläger im Laufe des Verfahrens zurück.
Mit Schreiben vom 15. April 2017 verteidigte sich der Kläger gegenüber dem Beklagten gegen die Vorwürfe. Herr J… sei sein langjähriger Mitarbeiter, den er zum Prüfingenieur habe ausbilden und dem er nach und nach seine Kunden habe überlassen wollen. Es habe keine Unrechtsvereinbarung zwischen ihnen gegeben, Fahrzeuge mit erheblichen Mängeln oder ohne Besichtigung die Hauptuntersuchung bestehen zu lassen. Er habe ihm einige Male gezeigt, wie Prüfberichte in den Computer eingetippt werden und ihn Daten eingeben lassen. Es wäre Herrn J… sehr einfach möglich gewesen, vorerfasste Prüfberichte abzuschließen, ohne dass er dies bemerkt hätte. Herr J… habe auch öfters für ihn gestempelt und gelegentlich das Datum für die nächste HU eingetragen. Er habe seinen Computer und seine Stempel auch öfters unbeaufsichtigt gelassen, sodass es für Herrn J… kein Problem gewesen wäre, heimlich die Betriebserlaubnis Teil I und den Prüfbericht zu stempeln. Herr J… hätte sich auch leicht seine Unterschrift erschleichen können, da er öfter mit Prüfberichten zu ihm gekommen sei, auf dem er die Unterschrift „vergessen“ habe. Es sei auch öfters vorgekommen, dass er „vergessen“ habe, die HU-Plakette anzubringen. Herr J… hätte sich also auch eine HU-Plakette erschleichen können. Im Übrigen habe sein früherer Chef Prüfberichte auf seinen Namen erstellen können und man könne daher nicht wissen, ob die Prüfberichte überhaupt von ihm stammten.
Mit Schreiben vom 26. April 2017 lud der Beklagte den Kläger zu einer persönlichen Besprechung ein. Der Kläger sagte den Termin aus gesundheitlichen Gründen ab und schlug einen schriftlichen Dialog vor. Er nahm dann schriftlich Stellung und übersandte ein Schreiben, das er an die Polizei geschickt hatte. Damit führt er aus, es sei branchenüblich, im großen Stil Fahrzeugen trotz erheblicher Mängel die Vorschriftsmäßigkeit zu bescheinigen.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 hörte der Beklagte den Kläger zum Vereinsausschluss an. Mit undatiertem Schreiben, am 14. Juni 2017 per E-Mail versandt, führte der Kläger aus, bei seiner Aussage am 15. Februar 2017 sei er erkältet, erschöpft, dehydriert und unterzuckert gewesen. Zudem sei er unter Koffein und höchstem Stress gestanden, habe die Nacht zuvor schlecht geschlafen und nur noch nach Hause gewollt. In dieser Situation habe er die Vorwürfe eingeräumt, da ihm der ermittelnde Polizist dazu geraten habe und er befürchtet habe, sonst längere Zeit eingesperrt zu werden. Als Angeklagter müsse man aber auch nicht die Wahrheit sagen. Er habe nie Fahrzeuge nicht begutachtet oder trotz erheblicher Mängel die Hauptuntersuchung bestehen lassen.
Der Vorstand des Beklagten schloss den Kläger mit Wirkung vom 30. Juni 2017 durch Beschluss wegen vereinsschädigenden Verhaltens aus. Der Kläger beantragte am 11. September 2017 dagegen die Entscheidung der Mitgliederversammlung, die nach Aktenlage noch nicht erfolgt ist.
Mit Bescheid vom 9. August 2017 widerrief der Beklagte die Betrauung des Klägers. Zur Begründung führte er aus, es seien zwei Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig. In einem Fall habe er die Nachuntersuchung bei einem Fahrzeug mit dem Ergebnis ohne festgestellte Mängel abgeschlossen, obwohl am Vortag die Erteilung einer HU-Plakette wegen erheblicher Mängel bei einer anderen Untersuchungsstelle abgelehnt worden sei. Der Käufer habe sich beschwert und den Verdacht geäußert, der Kläger habe das Fahrzeug überhaupt nicht gesehen. In dem anderen Ermittlungsverfahren habe er eingeräumt, positive Bescheinigungen von Hauptuntersuchungen abgegeben zu haben, obwohl er die Fahrzeuge nicht untersucht habe. Allein deshalb fehle ihm die erforderliche Zuverlässigkeit und charakterliche Eignung gemäß Ziffer 3.2 der Anlage VIIIb zur StVZO. Darüber hinaus sei es im Zeitraum November 2013 bis Juni 2016 zu einer nicht mehr hinnehmbaren Häufung von Reklamationen und Beanstandungen in Bezug auf seine Prüftätigkeit gekommen. Zudem sei er am 30. Juni 2017 aus dem Verein ausgeschlossen worden. In der Interessenabwägung sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG zu berücksichtigen. Gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit auch an der Zuverlässigkeit der Fahrzeugüberwachung müsse dies hier zurücktreten. Angesichts der Schwere der Verstöße seien auch andere Maßnahmen, z.B. Schulungen, nicht geeignet.
Über den gegen den Bescheid vom 9. August 2017 erhobenen Widerspruch hat der Beklagte nicht entschieden.
Die gegen den Bescheid vom 9. August 2017 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg unter Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakten mit Urteil vom 9. August 2019 abgewiesen. Die Widerrufsvoraussetzungen seien erfüllt, da der Kläger als unzuverlässig anzusehen sei. Nach Überzeugung des Gerichts habe er wiederholt gegen die ihm als Prüfingenieur auferlegte Kernpflicht verstoßen, das Fahrzeug bei der Hauptuntersuchung eigen- und vollständig zu prüfen. Dass das Strafverfahren gegen ihn gemäß § 170 Abs. 2 StPO mittlerweile eingestellt worden sei, stehe nicht entgegen. Er habe sowohl bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung als auch bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter eingeräumt, im Rahmen von Hauptuntersuchungen positive Prüfbescheinigungen erteilt zu haben, ohne die Fahrzeuge untersucht zu haben. Der Widerruf sei auch verhältnismäßig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Tatsacheninstanz sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dem Kläger fehle die erforderliche Zuverlässigkeit. Er habe seine Aussagen ausdrücklich widerrufen. Er sei bei der polizeilichen Vernehmung massiv eingeschüchtert und belastet gewesen. Zudem sei es wegen einer Sicherheitslücke möglich, dass Dritte beliebige Prüfberichte auf seinen Namen erstellen würden. Angesichts des Umstands, dass solche Manipulationen nur schwer bewiesen werden könnten, habe er Zugeständnisse gemacht, um nicht unnötig hart bestraft zu werden. Er habe aber keine rechtswidrigen Handlungen eingeräumt. Ihm sei erklärt worden, dass er beim Eingestehen dieser Aussagen nichts zu befürchten habe, er müsse nicht die Wahrheit sagen und ein Geständnis werde strafmildernd berücksichtigt. Es habe deshalb auch keinen Sinn gemacht, die getroffenen Aussagen gegenüber dem Ermittlungsrichter zu widerrufen. Er habe befürchtet, dann wieder in Untersuchungshaft genommen zu werden. Die Fragen hätten sich auch nicht ausdrücklich auf hoheitliche Prüftätigkeiten beschränkt. Der Kläger habe sie daher auch auf privatrechtliche Tätigkeiten bezogen. Bei den von Herrn J… durchgeführten Arbeiten habe es sich um solche gehandelt. Weder die Regierung von Niederbayern noch das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg hätten die Zustimmung zu seiner Betrauung widerrufen. Weder der Beklagte noch die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden hätten einen einzigen Fall nachgewiesen, in dem er sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht habe. Die Beanstandungen habe er alle ausräumen können. Deshalb sei er auch freigesprochen worden. Darüber hinaus sei der wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilte W… H… trotz der Verurteilung weiterhin als Prüfingenieur tätig. Dies sei nicht nachvollziehbar. Herr J… sei wegen der Zusammenarbeit mit Herrn H… verurteilt worden und nicht wegen der Zusammenarbeit mit dem Kläger.
Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen und trägt vor, die Prüfingenieure B… und P… seien wegen gewerbsmäßigen Betrugs und der Prüfingenieur H…, der frühere Arbeitgeber des Klägers, wegen Bestechlichkeit rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Der Fahrzeugvorführer J… sei wegen Bestechung rechtskräftig zu einer Geldstrafe und der Fahrzeugvorführer A… wegen gewerbsmäßigen Betrugs rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger sei nach Angaben der Staatsanwaltschaft nur deshalb eingestellt worden, weil der Nachweis der Vorteilsannahme nicht habe geführt werden können. Eine Aussage über die Zuverlässigkeit sei damit nicht getroffen worden, da diese unabhängig von der Strafbarkeit des jeweiligen Verhaltens zu betrachten sei. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger unzuverlässig sei, da er gegen seine Kernpflichten verstoßen habe, das Fahrzeug bei der Hauptuntersuchung eigen- und vollständig zu prüfen. Bei seiner Darstellung, er hätte Aussagen lediglich zum Selbstschutz vor einer möglichen Haft getätigt, handele es sich um Schutzbehauptungen. Der Kläger sei bei seiner Vernehmung auch nicht vernehmungsunfähig gewesen, sondern habe präzise geantwortet und seiner Aussage beim Durchlesen noch handschriftlich verschiedene Details hinzugefügt. Die Vernehmung habe sich auch nur auf die hoheitliche Tätigkeit bezogen, denn Bestechlichkeit habe Handlungen im Amt als Grundlage. Den Aussagen des Klägers sei zu entnehmen, dass Prüfungen auf dem Hof eines Fahrzeughändlers ohne einen kalibrierten Bremsenprüfstand oder ein kalibriertes Scheinwerfereinstellungsgerät erfolgt seien, was den gesetzlichen Bestimmungen widerspreche. Zwar dürften Hilfspersonen eingesetzt werden, der Prüfkatalog aus Nr. 6 der Anlage VIIIa zur StVZO müsse aber eigenständig abgearbeitet werden. Der Kläger habe sich nach seinen Angaben auf Lichtbilder und Prüfungshandlungen des Herrn J… verlassen, der unzweifelhaft keine der StVZO entsprechende Fachkunde besitze. Der Beweiswert der vorgelegten Schreiben der Herren J… und S… erscheine gering.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; zuletzt B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.).
1. Soweit der Kläger vorträgt, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei im vorliegenden Fall nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da der Beklagte durch die Einlassung auf die Klage zu erkennen gegeben habe, dass er keinen Widerspruchsbescheid mehr erlassen werde, sind damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Dem Vortrag kann nicht entnommen werden, welchen Zeitpunkt der Kläger für maßgeblich hält und aus welchen Gründen das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn dieser Zeitpunkt Berücksichtigung gefunden hätte. Das vom Kläger (und auch vom Verwaltungsgericht) diesbezüglich zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Januar 2006 (13 S 2345/05 – juris Rn. 16) kommt jedenfalls so wie das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass es im Falle einer Untätigkeitsklage auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Tatsacheninstanz ankomme.
2. Die Antragsbegründung zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, der Kläger sei als unzuverlässig anzusehen. Die Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Prüfaufgaben muss widerrufen werden, wenn seine Unzuverlässigkeit feststeht (BVerwG, U.v. 16.5.2019 – 3 C 19.17 – VRS 136, 135 Leitsatz 1). Rechtsgrundlage für den Widerruf der Betrauung ist Nr. 3 der Anlage VIIIb zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 26. April 2012 (StVZO – BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. März 2019 (BGBl I S. 332) i.V.m. den Vorschriften zum Widerruf eines Verwaltungsakts in Art. 49 BayVwVfG. Dabei ist die Widerrufsvoraussetzung der Unzuverlässigkeit ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff (BVerwG a.a.O. Rn. 33). Unzuverlässig ist ein Prüfingenieur nach den entsprechend anwendbaren Grundsätzen für Gewerbetreibende dann, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die ihm übertragenen Prüfaufgaben künftig ordnungsgemäß wahrnehmen wird (BVerwG a.a.O. Rn. 34 f.). Anknüpfungspunkt für die hierzu erforderliche Prognose sind in der Vergangenheit eingetretene Tatsachen, die den Schluss zulassen, dass der Betroffene auch in Zukunft eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung nicht erwarten lässt (BVerwG a.a.O. Rn. 36). Nach Nr. 3.3 der Anerkennungsrichtlinie für Überwachungsorganisationen – Richtlinie für die Anerkennung von Überwachungsorganisationen nach der Anlage VIIIb StVZO vom 5. Juni 2009 (VkBl S. 364), zuletzt geändert mit Schreiben des BMiVBS vom 28. März 2011 (VkBl S. 309), ist die persönliche Zuverlässigkeit insbesondere dann nicht mehr gegeben, wenn der Betreffende wegen einschlägiger Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist, wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat und damit im Verkehrszentralregister (jetzt: Fahreignungsregister) eingetragen ist, vorsätzlich für seine Tätigkeit relevante Vorschriften, Richtlinien oder fachliche Anweisungen des technischen Leiters missachtet, wiederholt amtliche Fahrzeuguntersuchungen nicht ordnungsgemäß durchführt, ohne dass dafür Kenntnismängel ursächlich sind, oder nicht unparteiisch/unabhängig handelt. Wird der Vorwurf der Unzuverlässigkeit aus einem mit Kriminalstrafe bedrohten Tun oder Unterlassen hergeleitet, kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob gegen den Betroffenen deswegen eine strafrechtliche Sanktion verhängt worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob zur Überzeugung der zuständigen Amtsträger in der öffentlichen Verwaltung und der zur Kontrolle ihrer Entscheidungen berufenen Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit feststeht, dass der Gewerbetreibende ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den Schluss rechtfertigt, er werde seinen beruflichen Pflichten künftig (weiterhin) nicht nachkommen (BayVGH, B.v. 6.4.2016 – 22 ZB 16.366 – juris Rn.20).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht als zuverlässig i.S.d. Nr. 3 der Anlage VIIIb zur StVZO angesehen werden kann. Die Ausführungen des Klägers, er habe seine Aussagen unmittelbar nach der polizeilichen und richterlichen Vernehmung widerrufen und diese könnten nicht so ausgelegt werden, wie das Verwaltungsgericht es getan habe, sondern würden sich auch auf private Sachverständigentätigkeit beziehen, überzeugen nicht. Aus der Beschuldigtenvernehmung vom 15. Februar 2017 ergibt sich, dass der Kläger die Antwort dazu, ob Herr J… für ihn Prüfbescheinigungen erstellt habe, zuerst verweigerte. Aus den vorherigen Fragen und Antworten ist dabei ersichtlich, dass es ausschließlich um Fragen zu hoheitlichen Tätigkeiten ging. Zum Beispiel sagte der Kläger aus, Herr J… habe ihm wiederholt berichtet, der anderweitig verfolgte A… G… bringe Fahrzeuge zu dem anderweitig verfolgten Prüfingenieur W… P… zur Hauptuntersuchung und erhalte dort eine gültige Prüfbescheinigung, ohne dass Herr P… das Fahrzeug in Augenschein genommen habe. Des Weiteren teilte der Kläger mit, anhand seines Arbeitslaptops könne er nachvollziehen, dass Herr J… im Jahr 2012 1.200 Fahrzeuge zu dem früheren Arbeitgeber des Klägers, dem Prüfingenieur H…, zur Hauptuntersuchung gebracht habe. Dabei habe Herr J… immer wieder versucht, Fahrzeuge durchzubringen, die unter normalen Umständen keine gültige Prüfbescheinigung bekommen hätten. Fragen zu der für einen Prüfingenieur ebenfalls möglichen Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger, die nicht hoheitlich wahrgenommen wird, wurden nicht gestellt. Die Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB trifft auch nur Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete und nicht freiberuflich tätige Kfz-Sachverständige.
Nachdem der Kläger nach der Verweigerung der weiteren Aussage zum Zweck der Haftprüfung in die Haftaufnahme eingeliefert werden sollte, war er dann doch bereit, weitere Angaben zu machen und berichtete, Herr J… habe teilweise Fahrzeuge für ihn angeschaut, die sich nach dessen Aussage bei einem Fahrzeughändler auf dem Hof befunden hätten. Auch hinsichtlich der Fahrzeuge, die Herr K… zum Prüfen zum Kläger brachte, führte er aus, er selbst habe Herrn K… die Mängel mitgeteilt, Herr J… habe aber Fotos von den Fahrzeugen gemacht und ihm gesagt, die Mängel seien behoben. In der Regel habe er erst dann den positiven Prüfbericht herausgegeben. Dabei ging es offensichtlich um hoheitliche Aufgaben, denn Prüfberichte werden im Rahmen hoheitlicher Tätigkeiten angefertigt.
Auch bei der richterlichen Vernehmung am 16. Februar 2017 bezog sich seine Erklärung offensichtlich nur auf hoheitliche Prüftätigkeiten, denn aus dem Haftbefehl vom 16. Februar 2017, der ihm dort eröffnet worden ist, ergibt sich, dass ihm Bestechlichkeit im Rahmen der hoheitlichen Aufgaben zur Last gelegt worden ist. Auch schon aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 7. Februar 2017, der zur Durchsuchung der Räumlichkeiten des Klägers sowie zur Beschlagnahme verschiedener Gegenstände am 15. Februar 2017 führte, war ersichtlich, dass dem Kläger vorgeworfen wird, Hauptuntersuchungen unter bewusster Außerachtlassung der ihm als amtlich bestellten Prüfingenieur obliegenden Sorgfaltspflichten gegen ein die amtliche Prüfgebühr übersteigendes Entgelt durchzuführen. Von Unregelmäßigkeiten bei seiner privaten Sachverständigentätigkeit war zu keiner Zeit die Rede.
Seine Ausführungen, die Angaben bei den Vernehmungen hätten sich auf seine private Sachverständigentätigkeit bezogen, sind daher nicht nachvollziehbar. Auch seine Auffassung, er habe vor der Polizei und vor dem Ermittlungsrichter als Beschuldigter die Unwahrheit sagen dürfen, kann nicht erklären, weshalb er dort nicht hätte klarstellen können, dass sich die Vorwürfe seines Erachtens nur auf seine private Sachverständigentätigkeit bezogen, wenn dies tatsächlich so gewesen wäre.
Sein Vortrag, er sei zum Zeitpunkt der Vernehmungen krankheitsbedingt und mangels ausreichender Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr nicht vernehmungsfähig gewesen, wird durch das vorgelegte Atteste vom 13. September 2019, den Überweisungsschein vom 17. Februar 2017 sowie das Attest vom 22. Mai 2017 nicht bestätigt. Damit wird nicht festgestellt, dass er zum Vernehmungszeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre, die Fragen der Vernehmungspersonen zu verstehen und sachgerecht zu beantworten. Aus dem Vernehmungsprotokoll ergibt sich auch, dass der Kläger die gestellten Fragen zusammenhängend und in sich stimmig beantwortet hat und das Protokoll über die Vernehmung nach Durchsicht noch an zahlreichen Stellen handschriftlich ergänzt und korrigiert hat. Auch aus diesen Korrekturen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür herleiten, dass er nicht vernehmungsfähig gewesen wäre.
Die Behauptung, er habe Zugeständnisse gemacht, um einer Inhaftierung zu entgehen, da ihm zugesichert worden sei, er habe deswegen nichts zu befürchten, ist ebenfalls nicht überzeugend. Zum einen erscheint es widersprüchlich, wenn er geltend macht, er sei praktisch nicht vernehmungsfähig gewesen, habe aber gleichwohl prozesstaktische Manöver durchgeführt. Zum anderen ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Vernehmenden ihm ein solches Vorgehen hätten zusichern sollen. Sinn und Zweck einer polizeilichen Vernehmung ist es, die Wahrheit zu erforschen. Es ist nicht ersichtlich, dass es den vernehmenden Polizeibeamten darum ging, dem Kläger falsche Geständnisse oder unzutreffende Aussagen zu entlocken.
Die geäußerten Vermutungen des Klägers, sein früherer Arbeitgeber habe in den Jahren 2014 bis 2016 Prüfberichte über Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO und andere Berichte in unzulässiger Weise in seinem Namen erstellt, können die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht erschüttern. Zu den in den Jahren 2015 und 2016 eingegangenen Beschwerden wegen mangelhafter Fahrzeuge trotz bestandener Hauptuntersuchungen hat der Kläger nicht geltend gemacht, diese Hauptuntersuchungen habe nicht er, sondern ein anderer Prüfingenieur durchgeführt, sondern hat jeweils versucht, sein Prüfergebnis zu verteidigen. Ob es aufgrund eines Programmfehlers tatsächlich möglich war und auch vorgekommen ist, dass eine andere Person in seinem Namen rechtswidrige Prüfberichte erstellt hat, hat daher keinen Zusammenhang mit der Frage, ob der Kläger hinreichend zuverlässig ist.
Auch die mit dem Berufungszulassungsantrag eingereichten Stellungnahmen des früheren Mitangeklagten und wegen Bestechung verurteilten Herrn J… und des früheren Geschäftspartners des Klägers Herrn S… führen zu keiner anderen Einschätzung. Herr J… behauptet darin, er sei vom Kläger zum Prüfingenieur ausgebildet worden und habe diesen dafür bei seiner Arbeit nach Kräften unterstützt. Dies zeigt eine eher ungewöhnliche Nähe des Klägers zu einem Kunden, der wohl offensichtlich nicht die Voraussetzungen zur Ausübung der Tätigkeit eines Prüfingenieurs erfüllt. Darüber hinaus erläutert Herr J… mit diesem Schreiben, er habe dem Kläger gelegentlich nachträglich fehlende Abgas-Bescheinigungen oder andere Unterlagen gebracht und versichert, alles sei in Ordnung. Daraufhin habe der Kläger einen positiven Untersuchungsbericht erstellt. Genau diese Vorgehensweise, dass der Kläger sich nicht selbst von der Richtigkeit der Bescheinigungen usw. überzeugt hat, sondern auf Angaben des Herrn J… vertraute, der offenbar zugleich bei ihm angestellt und mit Hilfsarbeiten betraut sowie ein wichtiger Kunde war, steht nicht in Einklang mit den Anforderungen an die Zuverlässigkeit eines Prüfingenieurs. Die Ausführungen im Schreiben des Klägers vom 15. April 2017, dass Herr J… unproblematisch Zugriff auf seine Stempel, Prüfberichte und HU-Plaketten nehmen und diese für eigene Zwecke verwenden konnte, zeigen ebenfalls auf, dass er zu sorglos mit seinen Arbeitsmitteln umgegangen ist und damit mögliche Manipulationen nicht zuverlässig verhindert hat.
Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass der wegen Bestechlichkeit rechtskräftig verurteilte Prüfingenieur H… weiterhin ein Ingenieurbüro betreibt und anscheinend für den Beklagten Prüfungen vornimmt. Selbst wenn dieser Prüfingenieur ebenfalls unzuverlässig sein sollte, so kann der Kläger daraus keine Rechte für sich ableiten, denn auf eine „Gleichheit im Unrecht“ gibt es keinen Anspruch (BayVGH, U.v. 31.3.2011 – 22 BV 10.2367 – BayVBl 2012, 276 = juris Rn. 20 m.w.N.).
Dass die Anerkennungsbehörden ihre Zustimmung zur Betrauung des Klägers gegenüber dem Beklagten nicht widerrufen haben, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Betrauung. Die Zustimmung der Anerkennungsbehörde ist in Nr. 3.7 der Anlage VIIIb zur StVZO als Entscheidung im Verhältnis zur Überwachungsorganisation ausgestaltet und beansprucht daher keine unmittelbare Rechtswirkung gegen den Prüfingenieur (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2019 a.a.O. Rn. 30). Ein Zustimmungserfordernis zum Widerruf ergibt sich auch nicht aus Anlage VIIIb zur StVZO (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 3 C 8.11 – NVwZ-RR 2012, 431 Leitsatz 2).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG und der Empfehlung in Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Anh. § 164 Rn. 14). Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
4. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben