Europarecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte eines sog. “Reichsbürgers”

Aktenzeichen  M 7 K 17.2106

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11934
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1
BJagdG § 18 S. 1

 

Leitsatz

1 Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die waffenrechtlich erforderliche Zuverlässigkeit (Anschluss an BayVGH BeckRS 2019, 1677 u.a.). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der sog. „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in der „reichsbürgertypischen Weise“ (z.B. Unterschriftenzusätze, Datumsangabe) trifft und entsprechende Verhaltensweisen zeigt (Rückgabe des Personalausweises), geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2017, 132013). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 6. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (Nr. 1 des Bescheids) ist rechtmäßig.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach) § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Der Kläger ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Denn Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris). Insbesondere ist in Fällen – wie vorliegend -, in denen eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen „Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung“ im Raum steht, die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (ausnahmslose Unzuverlässigkeit) nicht durch die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG gesperrt (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2018 – 21 CS 18.502 – juris Rn. 12).
Der Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes (S. 90) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als organisatorisch und ideologisch äußerst heterogen, zersplittert und vielschichtig. Sie besteht überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, aber auch aus Kleinst- und Kleingruppen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 (S. 170 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 171 ff.). Es besteht die Besorgnis, dass die Betroffenen – mitunter massive – Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 93).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch dessen innere Einstellung widerspiegeln.
So hat der Kläger in dem Schreiben an die Zentrale Bußgeldstelle vom 7. März 2016 ausgeführt, dass dessen Anschreiben mangels Unterschrift rechtsunwirksam sei und keine Rechtskraft entfalten könne sowie, dass das OWiG infolge der Aufhebung des Einführungsgesetzes zum Ordnungswidrigkeitengesetz durch das „Zweite Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ keinen räumlichen Geltungsbereich und aufgrund dessen keine Gültigkeit mehr besitze. Der Kläger hat hiermit eindeutig gegenüber einer Behörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren „reichsbürgertypisch“ zur Ungültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes argumentiert (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2018 – 21 CS 18.502 – juris Rn.18). Er hat hierbei für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweisen eindeutig zu erkennen gegeben. Denn „Reichsbürger“ überziehen regelmäßig Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz absprechen. Zum Teil verfolgen sie damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie z.B. Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren zu entziehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 176). Zudem führte der Kläger in dem Schreiben vom 7. März 2016 aus, dass insbesondere auch im „sogenannten Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ ein territorialer Geltungsbereich nicht definiert sei, was jedoch die Rechtsgrundlage für ein Ordnungswidrigkeitengesetz wäre. In diesem Kontext ist auch die Angabe in dem Schreiben an das Landratsamt vom 27. März 2017 zu sehen, in dem der Kläger ausführt, dass er in dem durch das Grundgesetz gestalteten Staatsgebiet geboren und aufgewachsen sei, die Gültigkeit des Grundgesetzes nach der Aufhebung von Art. 23 Abs. 2 GG a.F. im Jahr 1990 räumlich nicht mehr so festgelegt worden sei, wie zuvor. In diesen Aussagen kommt die im Kreis der sog. „Reichsbürgerbewegung“ vorzufindende Auffassung zum Ausdruck, dass der räumliche Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Aufhebung des Art. 23 Abs. 2 GG a.F. nicht erneut festgelegt wurde und das Grundgesetz somit mangels räumlichen Geltungsbereichs keine Gültigkeit habe. Denn „Reichsbürger“ lehnen das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ab und definieren sich in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 93). Zudem behaupten „Reichsbürger“, das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich „Reichsbürger“ auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 174). Diese beiden Aussagen legen somit grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass der Kläger das Grundgesetz in seiner gültigen Fassung und damit auch die unter dem Grundgesetz geltende Rechtsordnung nicht als für sich gültig ansieht. Der Kläger hat damit eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht. Der Kläger hat seine, in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende, innere Einstellung auch nach außen hin zu erkennen gegeben. Denn wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der sog. „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in der „reichsbürgertypischen Weise“ (z.B. Unterschriftenzusätze, Datumsangabe) trifft und entsprechende Verhaltensweisen zeigt (Rückgabe des Personalausweises) geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 19).
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Anhörungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vermögen demgegenüber – auch angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen – an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern.
Soweit der Kläger geltend macht, ein rechtstreuer Staatsbürger zu sein und sich an geltende Gesetze zu halten, steht dies dieser Einschätzung nicht entgegen. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17).
Des Weiteren vermochte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Gerichts darzutun, dass er mit den Schreiben ein rein „akademisches Interesse“ an der Klärung staatsrechtlicher Fragen verfolgt hat. So erscheint es nicht glaubhaft, dass der Kläger die Passagen in seinem Schreiben vom 7. März 2016 zur Rechtsunwirksamkeit des Anschreibens der Zentralen Bußgeldstelle mangels Unterschrift sowie zur Aufhebung des Einführungsgesetzes zum sog. „Ordnungswidrigkeitengesetz“ durch die drei westlichen Besatzungsmächte nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung lediglich „irgendwo im Internet“ gefunden und – entgegen den Grundsätzen akademischen/wissenschaftlichen Arbeitens – unreflektiert übernommen haben will, ohne sich mit diesen Aussagen näher zu beschäftigen. Dies steht zudem im Widerspruch zu der nachfolgenden Aussage, er habe im Grundgesetz einen Artikel gefunden, in dem geregelt sei, dass die Bundesrepublik Deutschland Besatzungskosten zu zahlen habe und deshalb auf die drei westlichen Besatzungsmächte Bezug genommen. Des Weiteren vermag dies insbesondere vor dem Hintergrund nicht zu überzeugen, dass der Kläger zudem angegeben hat, hinsichtlich der Thematik der Gültigkeit des Grundgesetzes viel im Internet recherchiert und bei vielen ihm bekannten Juristen und Notaren nachgefragt zu haben. In diesem Zusammenhang erscheint auch nicht schlüssig, dass der Kläger die Thematik der Gültigkeit des Grundgesetzes – die nach seinen Angaben ihm wichtige zentrale Frage, zu der er viel im Internet recherchiert, sich bei vielen Juristen und Notaren erkundigt und die er bewusst im Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgebracht habe, um diesbezüglich Auskunft von berufener Stelle hierzu zu erhalten – erstmals im Schreiben an das Landratsamt vom 27. März 2017 im Rahmen des waffenrechtlichen Widerrufsverfahrens vertieft angeführt hat. Denn im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat der Kläger diese Thematik in dem Schreiben an die Zentrale Bußgeldstelle vom 7. März 2016 nur ganz am Rande und auch in dem Schreiben an das Amtsgericht Rosenheim vom 6. September 2016 nur ergänzend angeführt. So schreibt der Kläger in dem Schreiben vom 7. März 2016 hierzu nur, dass insbesondere auch im „sogenannten Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ ein territorialer Geltungsbereich nicht definiert sei, was jedoch die Rechtsgrundlage für ein Ordnungswidrigkeitengesetz wäre. In dem Schreiben vom 6. September 2016 wird lediglich ausgeführt, dass es in einer drei Jahre zurückliegenden Korrespondenz mit dem Staatssekretär des Justizministeriums zunächst um die Rechtsgültigkeit des Grundgesetzes nach Ersetzung des Art. 23 GG gegangen sei. Das Hauptaugenmerk des Klägers in beiden Schreiben liegt jedoch demgegenüber vielmehr auf der Argumentation, dass das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten mangels räumlichen Geltungsbereichs keine Gültigkeit mehr habe.
Die in den Schreiben vom 7. März 2016 und vom 6. September 2016 verwendeten Formulierungen lassen unter Berücksichtigung und Würdigung der Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung insgesamt nicht den Schluss zu, dass es dem Kläger primär nur darum ging, von einem Gericht eine Stellungnahme bzw. Auskunft zur Frage nach der Gültigkeit des Grundgesetzes oder des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zu erhalten. Der Kläger bringt in beiden Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine „Forderung“ gegen ihn nicht besteht, solange die Gültigkeit des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ihm gegenüber nicht nachgewiesen (diese Formulierung wird durchgehend gebraucht) wird. Auf die fundierte und zutreffende Stellungnahme zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen und deren Gültigkeit im Schreiben des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom 21. März 2016 geht der Kläger an keiner Stelle ein. Wenn es ihm primär um die Klärung ihn in hohem Maße interessierender staatrechtlicher Fragen aus „akademischem Interesse“ gegangen wäre, erschließt sich im Übrigen auch nicht, weshalb er dies in seinen Schreiben nicht zum Ausdruck gebracht hat, sondern vielmehr – so nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung – dem Internet (mehr oder weniger unbesehen) Inhalte entnommen und diese für sein Schreiben – in provozierender Absicht – in Form von Behauptungen übernommen und teilweise auf seinen Fall angepasst hat.
Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere unter Würdigung der Persönlichkeit des Klägers, rechtfertigen nach Auffassung der Kammer die vorliegenden Tatsachen die Annahme, dass der Kläger der Ideologie der Reichsbürger folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt und somit nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzt.
Den Einlassungen des Klägers lässt sich auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53).)
Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar. Der Kläger hat zudem ein Fehlverhalten nicht eingeräumt. Vielmehr hat der Kläger versucht, sein Handeln mit seinem „akademischen Interesse“ an der Klärung staatsrechtlicher Fragen zu rechtfertigen.
Die Verpflichtung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte (Nr. 2 des Bescheids) wurde rechtlich zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG, die Verpflichtung zur Überlassung bzw. dauerhaften Unbrauchbarmachung der im Besitz des Kläger befindlichen Waffen und Munition (Nr. 3 des Bescheids) auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützt. Da entsprechend den obigen Ausführungen die Waffenbesitzkarte rechtmäßig widerrufen wurde, bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit. Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken gegen die Angemessenheit der hierfür gesetzten Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids.
Die Anordnung der Sicherstellung sämtlicher sich noch im Besitz des Klägers befindlicher Waffen und erlaubnispflichtiger Munition bei fruchtlosem Verstreichen der in Nr. 3 genannten Frist (Nr. 4 des Bescheids) wurde zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG gestützt.
Schließlich sind gegen die Zwangsgeldandrohung (Nr. 6 des Bescheids) und die Kostenentscheidung (Nr. 7 des Bescheids) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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