Europarecht

Wiedereinreise nach Abschluss zweier Dublin-Verfahren und vollzogener Abschiebung nach Litauen – erfolgloser Eilantrag

Aktenzeichen  AN 18 S 18.50925

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15482
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin-III VO Art. 3, Art. 7, Art. 12, Art. 13, Art. 17, Art. 19
AsylG § 29, § 34a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Für die Bestimmung des nach Kapitel III der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates kommt es auf den Zeitpunkt der ersten Stellung eines Gesuchs auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat an. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung nach Litauen im Rahmen des „Dublin-Verfahrens“.
Die Antragstellerin, nach eigenen Angaben weißrussische Staatsangehörige, dem Volk der Roma zugehörig sowie islamischen Glaubens, hatte bereits mehrere Asylgesuche geäußert. Erstmalig erlangte die Antragsgegnerin durch behördliche Mitteilung am 31. Juli 2017 schriftlich Kenntnis vom Asylgesuch der Antragstellerin. Am 2. August 2017 stellte die Antragstellerin einen förmlichen Asylantrag. Die VIS-Auskunft vom 3. August 2017 ergab, dass der Antragstellerin am 27. Juni 2017 ein litauisches Schengen-Visum gültig vom 30. Juni 2017 bis 29. Dezember 2017 ausgestellt wurde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) richtete daraufhin am 6. September 2017 ein Übernahmeersuchen an Litauen. Die litauischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 6. November 2017 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2017 wurde der Asylantrag vollumfänglich abgelehnt. Am 15. Februar 2018 stellte die Antragstellerin erneut einen förmlichen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 2. März 2018 abgelehnt wurde. Beide Verfahren sind unanfechtbar abgeschlossen. Die Antragstellerin wurde am 24. Mai 2018 nach Litauen abgeschoben. Am 29. Oktober 2018 reiste sie erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 30. Oktober 2018 wiederum die Durchführung eines Asylverfahrens.
Eine durchgeführte Eurodac-Anfrage am 30. Oktober 2018 ergab mehrere Treffer der Kategorie 1, nämlich: Niederlande vom 8. November 2017, Belgien vom 7. Dezember 2017 und Litauen vom 24. Mai 2018.
Im Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt am 15. November 2018 gab die Antragstellerin an, dass sie am 6. Juli 2017 ihr Heimatland verlassen habe und über Litauen nach Deutschland gereist sei. Von Ende Mai 2018 bis 20. Oktober 2018 sei sie in Litauen gewesen. Am 20. Oktober 2018 sei sie wieder nach Deutschland eingereist. Das Gebiet der Dublin-Mitgliedstaaten habe sie nicht verlassen. 2017 sei ihr ein litauisches Visum ausgestellt worden. Sie habe in Litauen im Juni und im September 2018 internationalen Schutz beantragt. Dieser Asylantrag sei im Juni 2018 abgelehnt worden. Sie habe gegen die Ablehnung geklagt und im September 2018 einen ablehnenden Beschluss bekommen. Gegen diesen Gerichtsbeschluss sei sie vorgegangen. Während des laufenden Gerichtsverfahrens sei sie dann nach Deutschland gereist. Sie sei hier zusammen mit ihrem Ehemann. Diesen habe sie in Deutschland nach islamischer Tradition geheiratet. Gesetzlich hätten sie dann danach in Litauen im Oktober 2018 geheiratet. Vor ihrer erneuten Einreise nach Deutschland sei sie in Litauen wie eine Gefangene untergebracht gewesen. Es seien immer Wachleute da gewesen und sie habe nur eine Stunde am Tag in der Unterkunft spazieren gehen dürfen. Zwar habe es eine Abteilung für Familien gegeben, wo Eheleute untergebracht waren, im Übrigen seien Männer und Frauen getrennt untergebracht gewesen. Bei einer Rückkehr nach Litauen befürchte die Antragstellerin eingesperrt und ins Heimatland abgeschoben zu werden. Sie habe in der Vergangenheit in Weißrussland mehrere Selbstmordversuche unternommen.
Das Bundesamt richtete am 19. November 2018 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Litauen. Die litauischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 26. November 2018 ihre Bereitschaft zur Übernahme der Antragstellerin gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 28. November 2018, der Antragstellerin zugestellt am 3. Dezember 2018, wurde der Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1), festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen (Ziffer 2) und ihre Abschiebung nach Litauen angeordnet (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin erhob am 10. Dezember 2018 zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Ansbach Klage (Az.: AN 18 K 18.50926) und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragstellerin reichte hierbei zwei Urkunden (Kopien) in russischer Sprache ein. Eine Begründung erfolgte nicht.
Das Gericht belehrte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 dahingehend, dass die Gerichtssprache deutsch sei, auch hinsichtlich eingereichter Unterlagen.
Mit bei Gericht am 17. Dezember 2018 eingegangenem Schriftsatz vom 13. Dezember 2018 beantragte die Antragsgegnerin die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin auf ihre Ausführungen in dem streitgegenständli-chen Bescheid.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die in elektronischer Form vorgelegten Behördenakten der Antragstellerin (Az.: … und …*) und des Lebensgefährten/Ehegatten der Antragstellerin, Herrn …, Az.: …, Bezug genommen.
II.
Der sachgerecht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az.: AN 18 K 18.50926) gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 28. November 2018 enthaltene Abschiebungsanordnung (Ziffer 3) auszulegende Antrag, zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG berufen ist, bleibt ohne Erfolg.
1) Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO fristgerecht erhobene und statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3) des am 3. Dezember 2018 zugestellten Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. November 2018 ist zulässig. Die von der Antragstellerin erhobene Klage gegen diesen Bescheid entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG). Das Gericht der Hauptsache kann aber nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
2) Der Antrag ist indes unbegründet. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das erkennende Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Grundlage dieser Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann.
Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage, weil diese aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheides der Antragsgegnerin getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
a) Litauen ist für die Behandlung des Asylgesuchs der Antragstellerin zuständig. Zuständiger Staat ist nach Art. 3 Abs. 1 der Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in Kapitel III der Dublin III-VO genannten Rangfolge Anwendung.
Eine vorrangige Anwendung der §§ 8 ff. Dublin III-VO kommt nicht in Betracht. Die angegebene Eheschließung, die nach Angaben der Antragstellerin zunächst in Deutschland religiös geschlossen wurde und dann in Litauen standesamtlich erfolgte, ist jedenfalls gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO unbeachtlich, denn zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung, nämlich am 31. Juli 2017, war die Antragstellerin weder religiös noch standesamtlich verheiratet. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte/Ehegatte sind demnach keine Familienangehörigen im Sinne der Vorschrift, Art. 2 lit. g) Dublin III-VO. Offen bleiben kann daher die Frage, ob die Ehe wirksam geschlossen wurde. Überdies scheitert die Anwendung der Art. 9 und 10 Dublin III-VO bereits an der fehlenden schriftlichen Kundgabe. Art. 11 Dublin III-VO ist weiter ebenso bereits deshalb nicht einschlägig, weil eine Trennung der Antragstellerin von ihrem Lebensgefährten/Ehegatten nicht zu befürchten ist, da dieser aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Bundesamtes vom 11. Dezember 2018 vollziehbar nach Litauen ausreisepflichtig ist.
Für die Frage der Zuständigkeit Litauens ist nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich auf den ersten Dublin-Bescheid vom 9. November 2017 abzustellen, mit dem die Zuständigkeitsfrage bestandskräftig festgestellt wurde. Die Zuständigkeit Litauens ergibt sich demnach weiterhin aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO, weil die Antragstellerin bei Stellung des ersten Asylgesuchs ein gültiges, von Litauen ausgestelltes Visum im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO besaß. Nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO kommt es für die Bestimmung des nach Kapitel III der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates auf den Zeitpunkt der ersten Stellung eines Gesuchs auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat an (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 (Mengesteab/Bundesrepublik Deutschland – juris; VG Augsburg, U.v. 24.4.2018 – Au 6 K 50409 – juris Rn. 21), mithin hier auf den 31. Juli 2017. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin im Besitz eines gültigen, von Litauen ausgestelltem Visums (Gültigkeitsdauer: 30. Juni 2017 bis 29. Dezember 2017). Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass Asylantragsteller, welche die Zuständigkeitsregelung missachten und trotz Unzulässigkeit in weiteren Ländern Asylanträge stellen, die Regelungen der Dublin III-VO faktisch unterlaufen können (so auch VG Ansbach, B.v. 15.4.2019 – AN 17 S 19.50384 bezüglich Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Dublin III-VO). Vielmehr ergibt sich aus der Dublin III-VO, dass es grundsätzlich bei der einmal festgelegten Zuständigkeit verbleiben soll. So sind lediglich in Art. 19 Abs. 2 und Abs. 3 Dublin III-VO Ausnahmefälle normiert, wonach die Rückübernahmeverpflichtung des an sich zuständigen Staates entfällt, wenn dieser nachweisen kann, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat (Art. 19. Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO) oder wenn dieser nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrages das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat (Art. 19 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO). In diesen Fällen normiert das Gesetz, dass ein nach der Periode der Abwesenheit (Art. 19 Abs. 2 Dublin III-V) bzw. ein nach vollzogener Abschiebung (Art. 19 Abs. 3 Dublin III-VO) gestellter Antrag als neuer Antrag gilt, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates auslöst (Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2, Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Gleiches ergibt sich aus der Norm des Art. 20 Abs. 5 Unterabs. 2, 3 Dublin III-VO. Die Dublin III-VO hat gerade nur im Hinblick auf ein Verlassen der Mitgliedstaaten die Vorgabe erteilt, dass ein erneuter Asylantrag ein neues Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit auslöst. Bezüglich einer Abschiebung von einem Dublin-Mitgliedstaat in einen anderen Dublin-Mitgliedstaat wurde dies dagegen nicht normiert.
Zwar hält der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 25. Januar 2018 aus Rechtschutzgründen ein erneutes Überstellungsverfahren bei einer Wiedereinreise nach vollzogener Abschiebung von einem Dublin-Mitgliedstaat in einen anderen Dublin-Mitgliedstaat für notwendig, denn der Asylantragsteller muss sich aufgrund der Rechtsmittelgarantie des Art. 27 Dublin III-VO auch auf geänderte Umstände berufen können. Ein Antragsteller muss demnach über einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf verfügen können, welcher es ihm ermöglicht, sich auf nach dem Erlass der ihm gegenüber ergangenen Überstellungsentscheidung eingetretene Umstände zu berufen, wenn deren Berücksichtigung für die ordnungsgemäße Anwendung der Dublin III-VO entscheidend ist (vgl. EuGH, B.v. 25.1.18 – C-360/16 – juris Rn. 31). Ebenso wurde klargestellt, dass dem Vollzug der Überstellung keine solche Wirkung zukommt, dass dieser für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates relevant ist (vgl. a.a.O. – juris Rn. 36). Vielmehr ist dieser Mitgliedstaat erneut gemäß Art. 23 bzw. 24 Dublin III-VO anzugehen (vgl. a.a.O. – juris Rn. 50 ff.).
Aus dieser Rechtsprechung des EuGH folgt nach Auffassung des Gerichts aber nicht, dass eine einmal begründete Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen ist. Insoweit handelt es sich nämlich um einen abgeschlossenen, bereits endgültig – gegebenenfalls auch gerichtlich – überprüften Sachverhalt und nicht um eine Änderung des ursprünglichen Sachverhaltes. Die Rechtschutzüberlegungen des EuGH beziehen sich gerade auf die Berücksichtigung geänderter Umstände, die in dieser Konstellation aber nicht vorliegen (so auch VG Ansbach, a.a.O.).
Litauen ist damit gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO verpflichtet, die Antragstellerin, die während der Prüfung ihres Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Ein Verfahren nach Art. 23 Dublin III-VO wurde mit der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs am 19. November 2018 vorliegend ordnungsgemäß innerhalb der Zwei-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO durchgeführt. Litauen hat mit Schreiben vom 26. November 2018 im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers fristgerecht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erklärt. Die Zuständigkeit Litauens ist auch nicht zwischenzeitlich entfallen. Sie ist insbesondere nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Der vor Ablauf der Überstellungsfrist gestellte, zulässige Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung hat den Lauf der Überstellungsfrist unterbrochen, weil dann bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Überstellung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Die Überstellungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (BVerwG, B.v. 27.4.2016 – 1 C 22.15 und U.v. 26.5.2016 – 1 C 15.15 – beide juris; OVG NRW – B.v. 7.7.2016 -13 A 2302/15.A – juris).
b) Es liegen zudem keine – seit dem Abschluss der vorherigen Dublin-Verfahren – geänderten Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen, noch zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden. Durch die bestandskräftigen Bescheide des Bundesamtes vom 9. November 2017 und 2. März 2018 wurde bereits verbindlich festgestellt, dass bis zu dem Abschluss dieser Dublin-Verfahren keine Umstände vorgelegen haben, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO begründen oder zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, a.a.O.) muss es dem Antragsteller möglich sein, sich auf nach dem Erlass der ihm gegenüber ergangenen Überstellungsentscheidung eingetretene Umstände zu berufen, wenn deren Berücksichtigung für die ordnungsgemäße Anwendung der Dublin III-VO entscheidend ist. Es sind demnach nur die geänderte Umstände zu betrachten. Offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG vorliegen müssen, bevor eine Entscheidung in der Sache erfolgt oder ob gleich eine Sachprüfung zu erfolgen hat, denn es liegen hier jedenfalls keine geänderten Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen, noch zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
(1) Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit Litauens in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen. Besondere Umstände, die zum Übergang der Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO führen würden, sind nicht gegeben. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C 4 11/10 und C 493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) entspricht. Diese Vermutung kann widerlegt werden, weshalb den nationalen Gerichten die Prüfung obliegt, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. sowie Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO). An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris; B.v. 6.6.2014, 10 B 25/14 – juris).
Ausgehend davon bestehen nach dem der Kammer vorliegenden Erkenntnismaterial im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin im Falle ihrer Rücküberstellung nach Litauen auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK drohen würde. Die Verneinung systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Litauen entspricht auch der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. VG Cottbus, B.v. 13.11.2017 – 5 L 649/17.A – juris; VG München, Beschlüsse v. 14.7.2016 – M 7 S 16.50401 und M 7 S 16.50403 – juris; VG Düsseldorf, B. v. 14.12.2015 – 22 L 3629/15.A – juris; B. v. 17.6.2015 – 13 L 1896/15.A – juris; VG Regensburg, B. v. 13.1.2015 – RO 9 S 14.50347 – juris) sowie der ständigen Rechtsprechung der VG Ansbach (vgl. VG Ansbach, B.v. 11.4.2018 – AN 14 S 18.50048 – juris; B.v. 30.10.2017 – AN 14 S 17.51092 – juris; U. v. 27.1.2016 – AN 14 K 15.50615 – juris; B. v. 16.10.2015 – AN 14 S 15.50445 – juris). Der im jetzigen Verfahren erfolgte Vortrag der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesamt bzw. im gerichtlichen Verfahren liefert keine Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Schwachstellen in Litauen. Insbesondere vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten die Annahme systemischer Mängel nicht zu rechtfertigen. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung systemische Mängel in Litauen nicht vorliegen.
(2) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso nicht gegeben.
(3) Auch die übrigen Voraussetzungen neben der Zuständigkeit Litauens für die in Ziffer 3 verfügte Abschiebungsanordnung liegen vor. So muss feststehen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427- juris, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 813 – juris, Rn. 4, ebenso OVG Lüneburg, U.v. 4.7.2012 – 2 LB 163/10 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.2.2012 – OVG 2 S 6.12 – juris), dass die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) zu prüfen sind. Das Bundesamt hat bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge auch festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, § 31 Abs. 3 AsylG.
Als zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kommt zwar grundsätzlich ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Antragsteller im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen im Ausnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Dies ist hinsichtlich Litauens nicht der Fall. Auch individuelle Gründe vermögen kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG zu begründen. Insbesondere kann der jetzt erfolgte Vortrag der Antragstellerin, sie sei in Litauen wie eine Gefangene untergebracht gewesen, es seien immer Wachleute da gewesen und sie habe nur eine Stunde am Tag in der Unterkunft spazieren gehen dürfen, ein Abschiebeverbot nicht begründen. Dieser pauschale Vortrag ohne weitere Detailangaben ist schon nicht glaubhaft. Auch die Angabe, zwar habe es eine Abteilung für Familien gegeben, wo Eheleute untergebracht waren, im Übrigen seien Männer und Frauen getrennt untergebracht gewesen, kann ein Abschiebeverbot nicht begründen. Ebenso ist die vorgetragene Furcht, bei einer Rückkehr nach Litauen eingesperrt und ins Heimatland abgeschoben zu werden, unbeachtlich, denn es ist nicht ersichtlich, warum diese Entscheidung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK begründen könnte. Ebenso ist es einem Mitgliedstaat unbenommen, bei ausreisepflichtigen Personen Abschiebehaft anzuordnen.
Ebenso ergibt sich aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kein Abschiebeverbot, insbesondere hat die Antragstellerin keine Erkrankungen vorgetragen. Auch der bloße unsubstantiierte Vortrag von unternommenen Selbstmordversuchen in der Heimat kann ein Abschiebeverbot nicht begründen. Für den substantiierten Tatsachenvortrag und die schlüssige Darlegung ihres Schicksals sind die Antragsteller selbst verantwortlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 13 a ZB 15.30073 – juris; BVerwG, B.v. 28.12.1999 – 9 B 46799 – juris).
Der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) sind ebenso nicht durchgreifend ersichtlich. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Bundesamtes vom 11. Dezember 2018 ist auch der Lebensgefährte/Ehegatte vollziehbar nach Litauen ausreisepflichtig, so dass eine Abschiebung nur der Antragstellerin allein ohnehin nicht zu befürchten ist.
Das Gericht nimmt im Übrigen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gründe des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin Bezug.
3. Somit bleibt der Eilantrag ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung zu Lasten der Antragstellerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
Die Entscheidung ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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