Europarecht

Wohnungsrecht, Bayerische Eigenheimzulage, Bezug des Wohnraums, Erweiterte Meldebescheinigung

Aktenzeichen  AN 3 K 20.01776

Datum:
15.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14900
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Ziffer 9.2 S. 1 EHZR

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da ihr kein Anspruch auf die Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage nach den Bayerischen Eigenheimzulagen-Richtlinien zusteht (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
I. Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss der Klägerin von der Eigenheimzulage nach den Richtlinien und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11. Oktober 2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; U.v. 28. Oktober 1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19. November 2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris sowie B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris).
Dabei dürfen solche Richtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist des Weiteren nicht der Zeitpunkt der Antragstellung durch die Klägerin und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – juris; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris Rn. 25 m.w.N.).
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht der Klägerin demnach nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 10. August 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Antrag der Klägerin wurde zurecht als unzulässig abgelehnt. Gemäß Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR ist die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig. Zwischen der Antragstellung am 8. Mai 2020 und dem Bezug des Wohnraums – entsprechend der von der Klägerin vorgelegten erweiterten Meldebescheinigung – am 8. April 2019 lagen mehr als sechs Monate.
Es ist diesbezüglich festzustellen, dass es der Förderpraxis des Beklagten entspricht, für den Nachweis des Bezugs des Wohnraums und damit des Beginns der Antragsfrist gemäß Ziffer 9.2 und Ziffer 2 EHZR durchweg auf die im Rahmen der Beantragung geforderte erweiterte Meldebescheinigung abzustellen. Dies ergibt sich aus Sicht der Kammer zweifelsfrei aus der von dem Beklagten vorgelegten behördeninternen E-Mail vom 23. Juni 2020 und der Gesprächsnotiz vom 14. Oktober 2020. Hierdurch konnte der Beklagte belegen, dass bezüglich der Bestimmung des Bezugs des geförderten Wohnraums stets auf die erste erweiterte Meldebescheinigung abgestellt wurde. Außerdem wird diese Förderpraxis unter anderem auch durch andere gerichtsbekannte Fälle bestätigt. Überdies ergeben sich anhand den zu dieser Thematik ergangenen Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte (vgl. beispielsweise VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris; U.v. 29.10.2021 – W 10 K 21.632 – juris; VG Regensburg, U.v. 18.3.2021 – RO 7 K 20.5 – juris) keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Zwei dieser Entscheidungen ergingen zudem bezüglich solcher Ablehnungsbescheide des Beklagten, welche zeitlich vor dem streitgegenständlichen Bescheid erlassen wurden. Nach Ansicht der Kammer belegt dieser Umstand, dass die klägerseits bestrittene Förderpraxis mindestens auch schon im für die Klägerin relevanten Zeitpunkt durch den Beklagten zur Anwendung kam. Diesbezüglich verkennt der Klägerbevollmächtigte auch, dass die Förderpraxis des Beklagten nicht erst mit der vom 14. Oktober 2020 datierenden Gesprächsnotiz begonnen wurde. Vielmehr wird in dieser Gesprächsnotiz – vermutlich auf Nachfrage der Prozessvertretung des Beklagten bei der Förderstelle – lediglich durch den Leiter der BayernLabo bestätigt, dass für das Datum des Bezugs stets das in der Meldebescheinigung ausgewiesene Datum maßgeblich war.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in anderen vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Konkrete Förderfälle, in denen in der Praxis nicht auf die Meldebescheinigung abgestellt worden sei, wurden nicht benannt. Nachdem der Beklagte dem Bestreiten der Klägerseite mit der Vorlage aussagekräftiger Nachweise seiner Förderpraxis begegnete, hätte es der Klägerseite oblegen, Fälle zu benennen, in denen der Beklagte den Wohnraumbezug abweichend von der erweiterten Meldebescheinigung bestimmte (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2021 – 12 ZB 21.430 – juris Rn. 12; B.v. 23.6.2021 – 12 ZB 21.1284 – juris Rn. 10).
Die Verwaltungspraxis, bei der Prüfung der Voraussetzungen von Ziffer 9.2 EHZR an das in der erweiterten Meldebescheinigung genannte Einzugsdatum anzuknüpfen, erweist sich auch nicht als willkürliche Regelung, die ihrerseits dem Gleichheitssatz widerspricht. Die Anknüpfung an die Meldebescheinigung entspricht zum einen dem Bedarf der Verwaltungspraxis, in Massenverfahren einen einfachen und leicht zu ermittelnden Tatbestand heranzuziehen, der eine zügige Bearbeitung der entsprechenden Anträge gewährleistet. Darüber hinaus erweist sich der Rückgriff auf die Daten der Meldebescheinigung aber auch deshalb als sachgerecht – und nicht von sachfremden Erwägungen getragen -, weil das Melderecht den Betroffenen zur Angabe zutreffender Daten verpflichtet. Die Willkürgrenze wird dabei auch nicht schon überschritten, wenn es für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe, sondern erst wenn die maßgeblichen Kriterien der Zulagengewähr unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen. Vielmehr erweist sich das Abstellen auf die erweiterte Meldebescheinigung für die Bestimmung des Zeitpunktes des Wohnungsbezugs als sachgerecht und einfacher zu handhaben, als die Ermittlung des Zeitpunktes anhand anderer Beweismittel, zumal die Meldebescheinigung auf den eigenen Angaben des Betroffenen beruht. Somit hätte es die Klägerin im vorliegenden Fall selbst in der Hand gehabt, durch die Angabe des „richtigen“ Einzugsdatums bei der Meldebehörde die Gewährung der Eigenheimzulage zu erwirken. Dass das Einzugsdatum in der Meldebescheinigung fehlerhaft sein soll, liegt somit allein im Verantwortungsbereich der Klägerin (BayVGH, B.v. 19.5.2021 – 12 ZB 21.430 – juris Rn. 13; B.v. 23.6.2021 – 12 ZB 21.1284 – juris Rn. 11).
Schließlich sind vorliegend auch keine Anhaltspunkte ersichtlich bzw. vorgetragen, weshalb vorliegend ein atypischer Fall gegeben sein soll, der ausnahmsweise eine Abweichung von der bestehenden Verwaltungspraxis rechtfertigen könnte. Zwar wäre es grundsätzlich möglich gewesen, die Förderpraxis so auszugestalten, dass nur im Regelfall auf die Meldebescheinigung, bei einem anderweitigen Nachweis eines davon abweichenden Einzugsdatums jedoch auf dieses abgestellt würde. Von Rechts wegen ist dies jedoch nicht zwingend geboten. Denn die Unrichtigkeit des Einzugsdatums in der Meldebescheinigung, die die Atypik begründen soll, beruht auf den persönlichen Angaben der Klägerin und entstammt mithin ihrer Sphäre (BayVGH, B.v. 23.6. 2021 – 12 ZB 21.1284 – juris Rn. 12).
Nach alldem war die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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