Europarecht

Zolltarifliche Einreihung von USB-Kabeln mit Standfuß

Aktenzeichen  14 K 1039/16

Datum:
29.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42108
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 27. Januar 2015 ist Art. 220 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung – EWG – Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK). Danach hat eine Nacherhebung zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Dies war vorliegend der Fall, weil die Waren aufgrund einer unzutreffenden Tarifierung zunächst zollfrei belassen wurden, obwohl tatsächlich ein Zollsatz von 3,3% anzuwenden ist.
Grundlage des Zolltarifs der EU ist die KN in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG Nr. L 256/1; im Folgenden: VO Nr. 2658/87). Nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABlEG L 28/16) geänderten Fassung veröffentlicht die Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union (EU) oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab dem 1. Januar des folgenden Jahres.
Die Klägerin hat die hier zu beurteilenden Waren im Frühjahr 2012 eingeführt. Dementsprechend richtet sich die zolltarifliche Einreihung nach der KN in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 zur Änderung von Anhang I der VO Nr. 2658/87 (ABl EUNr. L 282/1).
Die streitgegenständlichen USB-Kabel mit Standfuß sind in die Codenr.: 8544 4290 900 (Zollsatz: 3,3%) einzureihen.
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Bei der Einreihung von Waren in die KN gelten zudem die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV). Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen (ErlHS) und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VII R 2/15, BFH/NV 2017, 1066 m.w.N.).
Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird. Voraussetzung ist dabei, dass der Verwendungszweck der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen muss (ständige Rechtsprechung des EuGH und des BFH; vgl. EuGH-Urteile vom 12. April 2018 C-227/17, ECLI:ECLI:EU:C:2018:247, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2018, 200 und vom 25. Juli 2018 C-445/17, ECLI:ECLI:EU:C:2018:609; BFH-Urteil vom 07. August 2018 VII R 20/17, ECLI:DE:BFH:2018:U.070818.VIIR20.17.0).
Maßgebend für die Tarifierung ist der Zustand, in dem die Ware zur Zollabfertigung gestellt wird (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-208/06, Medion und Canon, BFH/NV 2008, Beilage 1, 52). Kommt es für die Einreihung einer Ware in eine Pos. oder Unterpos. der KN auf ihren Verwendungszweck an, so muss die ausschließliche oder hauptsächliche Verwendungseignung im Augenblick der Zollabfertigung erkennbar sein (BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2002 VII B 17/02, BFH/NV 2003, 216).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hält der Senat die vom HZA vorgenommene Einreihung des USB-Kabels mit Standfuß in die Codenr.: 8544 4290 900 für zutreffend.
Die Pos. 8544 umfasst „Isolierte (…) Drähte, Kabel (…) und andere elektrische Leiter, auch mit Anschlussstücken; Kabel aus optischen, einzeln umhüllten Fasern, auch elektrische Leiter enthaltend oder mit Anschlussstücken versehen. Die Unterpos. 8544 42 betrifft „andere elektrische Leiter, für eine Spannung von 1000 V oder weniger mit Anschlussstücken versehen“.
Eine Einreihung in die von der Klägerin angemeldeten Unterpos. 8544 4210 kommt aus den folgenden Gründen nicht in Betracht.
Die Unterpos. 8544 4210 umfasst „andere elektrische Leiter, für eine Spannung von 1000 V oder weniger mit Anschlussstücken versehen von der für die Telekommunikation verwendeten Art“; sie stellt also ihrem Wortlaut nach auf einen bestimmten Verwendungszweck der Ware ab. Ein tarifliches Einreihungskriterium kann der Verwendungszweck aber nur sein, wenn er der Ware innewohnt (EuGH in ECLI:ECLI:EU:C:2018:247). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ob der Verwendungszweck einer Ware innewohnt, muss sich anhand ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften beurteilen lassen (EuGH in ECLI:ECLI:EU:C:2018:247). Entscheidend ist die ausschließliche oder hauptsächliche Verwendungseignung der Ware und nicht deren tatsächliche Verwendung. Der Umstand, dass das USB-Kabel mit Standfuß nach seiner Überführung in den freien Verkehr (nur) zusammen mit dem X-WLAN USB-Stick vertrieben wird, ist deshalb nicht von Bedeutung. Keinen entscheidenden Einfluss hat auch die von der Klägerin angeführte Tatsache, dass das Logo der Firma, die das USB-Kabel zusammen mit dem WLAN-Stick vertreibt, für den Abfertigungsbeamten sichtbar auf dem Standfuß angebracht ist. Das Logo gibt zwar einen Hinweis auf die geplante tatsächliche Verwendung; es ist aber kein Beschaffenheitsmerkmal, das die Verwendung für die Telekommunikation ermöglicht.
Nach ihren – im Zeitpunkt der Zollabfertigung erkennbaren – objektiven Merkmalen und Eigenschaften dient die streitgegenständliche Ware als Anschluss- bzw. Verlängerungskabel für Apparate mit USB-A-Steck-Anschluss. Dabei kann es sich z.B. um einen sog. WLAN-Stick aber auch um einen USB-Speicher-Stick oder um jede andere Ware mit USB-A-SteckAnschluss (z.B. Maus, Tastatur usw.) handeln. Insoweit unterscheidet sich die streitgegenständliche Ware von Telekommunikationsverkabelungen, die häufig genormte RJ-Steckverbindungen aufweisen.
Elektrische Leiter, die verschiedene Apparate verbinden und – wie hier – mit anderen als in Telekommunikationsverkabelungen verwendeten Anschlussstücken versehen sind, gehören nicht zur Unterpos. 8544 4210. Dieses Auslegungsergebnis deckt sich mit den seit 27. Juni 2012 geltenden Erläuterungen zur KN (ErlKN) zu Unterpos. 8544 4210 RZn 03.3 und 04.1.
Unabhängig davon werden die USB-Verlängerung mit Standfuß selbst dann nicht „für“ die Telekommunikation verwendet, wenn sie mit einem WLAN-Stick verbunden werden. Bei einem solchen Einsatz mag die streitgegenständliche Ware zwar die Telekommunikation erleichtern; möglich ist die Kommunikation aber auch ohne den Einsatz des USB-Kabels und ohne Standfuß, indem der WLAN-Stick unmittelbar mit einem USB-Anschluss des Computers verbunden wird. Das USB-Kabel erhöht den Komfort des Nutzers, weil der WLAN-Stick nicht direkt am Gehäuse des Computers angesteckt werden muss, sondern an einer ggf. leichter zugänglichen Stelle am Arbeitsplatz aufgestellt werden kann. Außerdem gibt der Standfuß dem WLAN-Stick Halt und die Positionsveränderung bringt u.U. Vorteile beim Empfang des Signals.
Telekommunikation bezeichnet zwar ganz allgemein den Austausch von Informationen über eine räumliche Distanz hinweg. Allerdings ist nicht jeglicher Datenaustausch, sondern nur ein solcher, der unter Verwendung von Telekommunikationstechnologie stattfindet, als „Telekommunikation“ i.S.d. Unterpos. 8544 4210 anzusehen. Dieses Begriffsverständnis entspricht auch der Tarifauffassung der Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1112/2012 vom 23. November 2012 (ABl. L 329 vom 29. November 2012, 9). Ausweislich der im Anhang zur Verordnung enthaltenen Begründung gilt die Datenübertragung zwischen zwei Geräten, bei der keine Telekommunikationstechnologie, z.B. Ethernet, verwendet ist, für die Zwecke der Unterpos. 8544 4210 nicht als Telekommunikation. Einreihungsverordnungen sind zwar nur auf Einfuhren anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten stattfanden. Um aber dem mit solchen Verordnungen verfolgten Ziel einer einheitlichen Anwendung der KN und einer Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung zu tragen, können sie als Hilfsmittel zur Auslegung der KN herangezogen werden.
Von der o.g. Begriffsbestimmung ausgehend dient zwar der WLAN-Stick, mit dem eine kabellose Verbindung zwischen einem WLAN-Router und einem Computer oder zwischen mehreren Computern hergestellt werden kann, der Telekommunikation, weil er typische Telekommunikationstechnologie (WLAN) verwendet. Dies gilt aber nicht für das streitgegenständliche USB-Kabel. Dieses wird zwar u.a. zusammen mit WLAN-Technik eingesetzt; die Übertragung der kabellos über den WLAN-Stick empfangenen Daten auf den Computer funktioniert aber über USB-Technik, die in der Regel dem Verbinden/Aufladen von Geräten dient, aber keine typische Telekommunikationstechnologie ist.
Ob und ggf. welchen Einfluss die Standfüße auf die Übertragungsgeschwindigkeit haben, ist für die Einreihung nicht von Bedeutung. Von der Unterpos. 8544 4210 sind nur solche Kabel erfasst, die speziell für die Telekommunikation im o.g. Sinne zum Einsatz kommen (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 17. August 2011 4 K 27/11, n.v.). USB-Kabel, die – wie hier – auch zusammen mit Telekommunikationstechnologie verwendet werden können, fallen selbst dann nicht unter die Unterpos. 8544 4210, wenn sie die Informationsübertragung günstig beeinflussen.
Weil eine Einreihung in die Unterpos. 8544 4210 ausgeschlossen ist, ist die Ware in die Unterpos. 8544 4290 „andere“ und in die Codenr. 8544 4290 900 „andere“ einzureihen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).


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