Europarecht

Zulässigkeit temporärer Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Landgrenze

Aktenzeichen  M 7 K 18.3255

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19455
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 91 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
BPolG § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
VO (EU) Nr. 2016/399 Art. 25, Art. 27

 

Leitsatz

1 Von Grenzübertrittskontrollen geht bei vernünftiger Würdigung grundsätzlich keine diskriminierende, dh das Persönlichkeitsrecht oder die Menschenwürde objektiv beeinträchtigende Wirkung aus. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Annahme einer hinreichend bestimmten Wiederholungsgefahr scheidet aus, weil nicht damit zu rechnen ist, dass künftige Kontrollmaßnahmen an der deutsch-österreichischen Landgrenze für die zu erwartende Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen Umständen erfolgen werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Eine Entscheidung in der Sache ohne mündliche Verhandlung war nach § 101 Abs. 2 VwGO zulässig, da beide Parteien auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Das Gericht hält die durch den Kläger erfolgte Änderung der Klage – hier des Klagegrunds und des Klagebegehrens – für sachdienlich und damit für zulässig.
Da die Beklagte erklärt hat, mit der Klageänderung durch den Kläger nicht einverstanden zu sein und eine Fallgestaltung des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO nicht anzunehmen ist, war gemäß § 91 Abs. 1 VwGO eine gerichtliche Entscheidung über die Sachdienlichkeit zu treffen.
Der Kläger hat zunächst mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten verfolgt, es zu unterlassen, ihn im Rahmen der derzeitigen Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze bei der Einreise ohne Anlass zu kontrollieren. Nachdem das Gericht den Kläger auf die voraussichtliche Unzulässigkeit dieser vorbeugenden Unterlassungsklage hingewiesen hatte, wendet sich der Kläger nun im Wege einer Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die nach seinem Vortrag daraufhin am 13. November 2018 ihm gegenüber durch die Bundespolizei erfolgten Kontrollmaßnahmen an der Bundesautobahn A 3.
Der verfahrensrechtliche Begriff der Sachdienlichkeit ist weitgehend von Erwägungen der Prozessökonomie beherrscht (vgl. BVerwG, U.v. 26.10.1978 – 5 C 85.77 – BVerwGE 57, 31). Die Entscheidung, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, liegt nach herkömmlichem Sprachgebrauch im „Ermessen“ der darüber entscheidenden Instanz. Als sachdienlich ist in der Regel eine Klageänderung anzusehen, die der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffes zwischen den Parteien im laufenden Verfahren zu dienen geeignet ist, und zwar auch dann, wenn die geänderte Klage als unbegründet abgewiesen werden müsste. Es muss nur der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.1980 – IV C 61.77 – juris Rn. 23; vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 31). Zwar wird es in der Regel (vgl. hierzu Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 31 m.w.N.) daran fehlen, wenn die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine Entscheidung über den geänderten Antrag ist geeignet, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im anhängigen Verfahren auch dann endgültig auszuräumen, wenn der geänderte Antrag unzulässig ist (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung auch BGH, U.v. 1.3.2002 – RiZ (R) 1/01 – NJW-RR 2002, 929). Würde die Sachdienlichkeit verneint, müsste über die geänderte Klage in einem weiteren Klageverfahren entschieden werden, in dem der sachliche Streitstoff überwiegend derselbe bliebe. Dies wäre jedoch nicht als prozessökonomisch anzusehen.
Mit der Zulassung der Klageänderung entfällt die Rechtshängigkeit des bisherigen Streitgegenstands und das Verfahren wird dem veränderten Streitgegenstand fortgesetzt (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 35 f.). Gegenstand der Klage ist daher nunmehr ausschließlich der dahingehend auszulegende Antrag des Klägers festzustellen, dass die ihm gegenüber am 13. November 2018 erfolgten Kontrollmaßnahmen durch Beamte der Bundespolizei rechtswidrig waren. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14. November 2018 ausdrücklich erklärt, dass die Klage in eine Feststellungs- und eine Fortsetzungsfeststellungsklage geändert werde und demzufolge den ursprünglichen Klageantrag nicht weiterhin (zusätzlich) aufrechterhalten.
Die geänderte Klage bleibt ohne Erfolg, da sie unzulässig ist.
Soweit sich die Klage auf polizeiliche Kontrollmaßnahmen bezieht, die als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft. Soweit sie sich darüber hinaus auch auf schlicht hoheitliches Handeln bezieht, kommt eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht.
Da sich die angegriffenen Kontrollmaßnahmen durch Zeitablauf bereits vor Klageerhebung erledigt haben, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Dies würde gleichermaßen auch für das im Rahmen der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse gelten.
Bei dem berechtigten Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog sowie für eine Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO handelt es sich jeweils um eine Sachurteilsvoraussetzung, so dass das Vorliegen eines solchen von Amts wegen zu prüfen ist. Daher ist es nicht entscheidungserheblich, dass die Beklagte auf das Fehlen dieser Sachurteilsvoraussetzung nicht hingewiesen hat. Im Übrigen hat die Beklagte der Klageänderung widersprochen und sich im Folgenden auch sachlich nicht auf die geänderte Klage eingelassen.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage erfordert als fortgesetzte Anfechtungsklage, neben den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage, ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf die jeweilige Einzelmaßnahme. Entsprechend dem Feststellungsinteresse bei § 43 Abs. 1 VwGO ist hierfür jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40/88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22/09 – juris Rn. 4). Dabei obliegt es dem jeweiligen Kläger, die Umstände dar-zulegen, aus denen sich sein Feststellungsinteresse ergibt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 110).
Der Kläger kann sich hinsichtlich der nach seinen eigenen Angaben am 13. November 2018 um 9.10 Uhr an der festen Grenzkontrollstation auf der Bundesautobahn A 3 erfolgten Kontrollmaßnahmen durch Beamte der Bundespolizei nicht auf ein Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse berufen. Da der Beklagten hierüber keine Erkenntnisse vorliegen, kann auf der Grundlage der klägerischen Angaben nur gemutmaßt werden, dass es sich maßgeblich um auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Nr. 2 BPolG und § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPolG erfolgte Maßnahmen gehandelt haben dürfte, wobei konkrete Einzelheiten, insbesondere zu einem Abgleich personenbezogener Daten, wohl auch nicht mehr aufklärbar sein dürften.
Ein Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt zunächst nicht aus der Fallgruppe der Präjudizialität. Denn nach dieser Fallgruppe besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist und ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.8.1987 – 4 C 31/86 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn die Erledigung erst nach Klageerhebung eingetreten ist. Nur dann rechtfertigt der bereits entfaltete prozessuale Aufwand die Fortführung der Anfechtungsklage, da die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres von sich aus in der Lage sind, im Rahmen eines vor ihnen geltend gemachten Anspruchs aus Amtshaftung bzw. sonstiger Schadensersatzansprüche die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen. Somit besteht im – vorliegenden – Fall einer Erledigung vor Klageerhebung kein Bedürfnis, die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Kontrollmaßnahmen vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen.
Weiterhin kann sich der Kläger auch nicht auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus der Fallgruppe des Rehabilitierungsinteresses berufen. Danach besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn ein Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig zu erachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 113 Rn. 142). Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen und in der Gegenwart noch fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte, reicht demgegenüber für die Annahme eines schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 5 C 44/87 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.10.2012 – 10 ZB 12.14 45 – juris Rn. 6). Die durchgeführten Grenzübertrittskontrollen sind ein nicht seltener Vorgang, der Reisende in größerer Zahl betrifft. Von ihnen geht bei vernünftiger Würdigung grundsätzlich keine diskriminierende, d.h. das Persönlichkeitsrecht oder die Menschenwürde objektiv beeinträchtigende Wirkung aus. Auch im konkreten Fall des Klägers ist ein Ansehensverlust bei unbeteiligten Beobachtern der Kontrolle nicht ersichtlich. Die den Kläger individuell betreffenden Maßnahmen wurden in einem abgeschirmten Bereich vorgenommen. Im Übrigen ist davon auszugehen. dass in dem Zeitraum alle Reisenden auf der Strecke von den Kontrollmaßnahmen gleichermaßen betroffen waren und auch intensivere Kontrollmaßnahmen – wie beim Kläger durchgeführt – wiederholt erfolgten. Abträgliche Nachwirkungen der konkreten Kontrolle, die noch fortbestehen würden, hat der Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen.
Das erforderliche Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich hier auch nicht deshalb, weil die polizeilichen Kontrollmaßnahmen mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 8 ff.) verbunden gewesen wären. Hierzu fehlt es bereits an einem gewichtigen Grundrechtseingriff.
Von besonderem Gewicht sind insbesondere Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat (z.B. BVerfG, B.v. 5.7.2013 – 2 BvR 370/13 – juris Rn. 19: Wohnungsdurchsuchung) oder die besonders sensible Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) oder die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; BVerfG, B.v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99 – juris: Abschiebungshaft) tangieren. Eine vergleichbare Grundrechtsbetroffenheit ist hier auszuschließen. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten steht zum einen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) im Raum. Damit ist jedoch im vorliegenden Fall kein tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden. Bei einer Identitätskontrolle handelt es sich grundsätzlich um einen relativ geringfügigen Eingriff (vgl. Schenke in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 23 BPolG Rn. 13). Auch hier greifen die Maßnahmen zur Identitätsfeststellung von ihrer Zielrichtung, der geringfügigen Dauer von wenigen Minuten und ihrer Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts lediglich in unbedeutender Weise ohne erkennbare nachhaltige Wirkung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers ein. Gleiches gilt hinsichtlich einer Inaugenscheinnahme des Inhalts des Kofferraums des klägerischen Fahrzeugs (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 9). Eine Durchsuchung des Fahrzeugs hat nicht stattgefunden. Ein vorgenommener Datenabgleich auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPolG stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Hier mag es sich zwar nicht grundsätzlich um einen geringfügigen Eingriff handeln, insbesondere soweit der Zugriff auf fremde Dateien und den Fahndungsbestand eröffnet wird, die allesamt nicht zum Datenbestand der Bundespolizei gehören (vgl. in diesem Sinne zu einer Gegenmeinung Arzt in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 34 BPolG Rn. 2). Jedoch ist auch insoweit nicht davon auszugehen, dass mit dem Datenabgleich im konkreten Fall des Klägers ein tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden war. Insbesondere ist eine Speicherung der Tatsache oder der Umstände des Abgleichs nicht gestattet (vgl. Arzt in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 34 BPolG Rn. 3). Der Beklagten liegen demzufolge auch keine Erkenntnisse hierzu vor. Eine Fortwirkung der damaligen Datennutzung im Rahmen des Datenabgleichs, die nicht – auch nicht temporär – gespeichert wurde oder anderweitig dokumentiert ist, ist daher als ausgeschlossen anzusehen.
Vermögen die hier streitgegenständlichen Kontrollmaßnahmen aber schon keinen gewichtigen Eingriff in ein Grundrecht des Klägers zu begründen, kommt es nicht mehr darauf an, dass es sich um Eingriffsakte handelt, die wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung kaum einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11, 14; B.v. 13.3.2017 – 1 BvR 563/12 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10). Eine Annahme, dass ein Feststellungsinteresse bei derartigen polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich zu bejahen sei, weil sich diese typischerweise vor Klageerhebung erledigen und Rechtsschutz somit niemals zu erlangen wäre, würde übersehen, dass bei einer solchen Betrachtung angesichts des umfassenden Schutzes der Rechtssphäre des Bürgers durch die Grundrechte – letztlich durch Art. 2 Abs. 1 GG – das Kriterium des berechtigten Interesses praktisch leerlaufen würde und damit jede noch so geringfügige erledigte Polizeimaßnahme Gegenstand einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage sein könnte. Das Erfordernis einer typi-scherweise vor Erlangung von Rechtsschutz eintretenden Erledigung hat dementsprechend eine den Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO einengende Funktion, die es ausschließt, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in ein Grundrecht anzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris Rn. 27). Eine beanspruchte Ausweitung dieser von der Rechtsprechung ausgestalteten Fallgruppe des besonderen Rechtsschutzinteresses wäre mit seiner prozessrechtlichen Funktion, eine Fortsetzungsfeststellungsklage nur in bestimmten Fällen zuzulassen, nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10; vgl. auch OVG SH, U.v. 25.1.2018 – 4 LB 36/17 – juris Rn. 32; OVG Bremen, U.v. 8.1.2019 – 1 LB 252/18 – juris Rn. 30 ff.). Die Konsequenz, dass nicht jede polizeiliche Maßnahme einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden kann, ist hinzunehmen. Dies ist im Bereich des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung immanent. In den Fällen der polizeilichen Maßnahmen ist es im Hinblick auf die von der Verfassung gebotenen rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeit ausreichend, die Fortsetzungsfeststellungsklage in den von der Rechtsprechung etablierten Fallgruppen und darüber hinaus in den Fällen von geltend gemachten Grundrechtseingriffen von erheblichem Gewicht zu eröffnen (vgl. OVG SH, U.v. 25.1.2018 a.a.O.).
Ein schützenswertes Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt hier auch nicht aus der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr, auf die der Kläger sich im Wesentlichen beruft.
Erforderlich ist hierfür eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut gleichartige Maßnahmen ergehen werden (vgl. st. Rspr. BVerwG, z.B. U.v. 12.10.2006 – 4 C 12.04 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 8).
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er die maßgebliche Strecke regelmäßig befährt – abgesehen davon, dass er dies tun würde, um eine Wiederholungsgefahr im genannten Sinne zu begründen. Unabhängig davon scheidet die Annahme einer hinreichend bestimmten Wiederholungsgefahr jedoch jedenfalls deshalb aus, weil nicht damit zu rechnen ist, dass künftige Kontrollmaßnahmen an der deutsch-österreichischen Landgrenze für die zu erwartende Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen Umständen erfolgen würden.
Die temporären Binnengrenzkontrollen der Bundespolizei auf der Bundesautobahn A3 werden derzeit auf Grundlage der jeweils (aktuell für die Dauer von höchstens sechs Monaten, zuletzt bis zum 11. November 2019) neu angekündigten bzw. getroffenen Einzelanordnungen des Bundesinnenministers durchgeführt.
Vom 12. Mai 2016 bis zum 11. November 2017 erfolgten die Binnengrenzkontrollen jeweils auf der Basis von vier zeitlich aufeinanderfolgenden Durchführungsbeschlüssen des Rates der Europäischen Union mit einer Empfehlung für zeitlich befristete Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen, die das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt gefährden. Diese waren auf der Grundlage von Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex 2016) ergangen. Bis dahin waren die temporären Grenzkontrollen von der Bundesregierung ab dem 13. September 2015 zunächst auf der Grundlage von Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen – Schengener Grenzkodex – (Verfahren in Fällen, die ein sofortiges Handeln erfordern) für die Dauer von 10 bzw. im Folgenden jeweils 20 Tagen angeordnet worden, über den 13. November 2015 hinaus für die Dauer von jeweils drei Monaten auf der Grundlage von Art. 23 und 24 Schengener Grenzkodex. Ab dem 12. November 2017 wurden die Anordnungen der vorübergehenden Binnengrenzkontrollen auf Art. 25 und 27 Schengener Grenzkodex 2016 gestützt.
Aktuell sind die Regelungen des Schengener Grenzkodex 2016 über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen Gegenstand eines legislativen Verfahrens, so dass konkret mit einer Änderung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu rechnen ist.
Am 27. September 2017 ist die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Schengen bewahren und stärken“ – COM(2017) 570 final – (vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52017DC0570) erfolgt. Darin wird u.a. ausgeführt, dass der Schengen-Raum seit seiner Schaffung mit Herausforderungen und Bedrohungen unterschiedlicher Art konfrontiert gewesen sei. Die Stärke des Schengen-Systems liege auch in seiner Lern- und Anpassungsfähigkeit. So sei der Schengener Grenzkodex bereits mehrmals geändert worden, damit er auch weiterhin seinen Zweck erfülle. Der Druck durch die massiven irregulären Migrationsströme sowie die Zunahme von Terroranschlägen in mehreren Mitgliedstaaten hätten Schwachstellen in der Schengen-Architektur offengelegt, die weitere Schritte notwendig machten. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Bekämpfung der festgestellten Bedrohungen und zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit am besten geeignet seien. In den Fällen, in denen die Bedrohung trotz aller Anstrengungen nach wie vor bestehe, sei es gerechtfertigt, die festgelegten Zeitbegrenzungen anzupassen und gleichzeitig bessere Verfahrensgarantien einzuführen, um die Kontrollen an den Binnengrenzen auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken, um den Raum ohne Binnengrenzkontrollen zu erhalten. Zu diesem Zweck schlug die Kommission eine Überarbeitung der Art. 25 und 27 Schengener Grenzkodex 2016 vor, darunter auch eine Änderung von Art. 25 Abs. 4 Schengener Grenzkodex 2016 bezüglich der Höchstdauer von zwei Jahren sowie die Schaffung eines besonderen Verfahrens für Fälle, in denen die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit mehr als ein Jahr andauert (Art. 27a neu – vgl. im Einzelnen Europäische Kommission (2018): Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen vom 27. September 2017, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=ECLI:CELEX:52017PC0571& from=DE). Auch in dem vom Kläger vorgelegten Schreiben von Seiten der Europäischen Kommission – Generaldirektion Migration und Inneres – vom 5. März 2019 wird ausgeführt, dass die Europäische Kommission am 27. September 2017 vorgeschlagen habe, die bestehenden Regularien für eine vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen anzupassen. Dies habe auch beinhaltet, die Fristen für die Wiedereinführung der Grenzkontrollen dem anhaltenden Bedrohungsniveau anzupassen. Nach der jüngst im Rahmen der ersten Lesung hierzu erfolgten Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 (abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0356_DE.html) wurde der Vorschlag zur Änderung von Art. 25 Abs. 4 Schengener Grenzkodex 2016 nicht übernommen. In Bezug auf den Vorschlag der Kommission für das „Besondere Verfahren“ nach dem neuen Art. 27a des Entwurfs wurden ebenfalls Änderungen – auch bei den zulässigen Höchstfristen – vorgeschlagen, weiterhin neue Regelungen für die Berechnung von Zeiträumen (vgl. z.B. Einfügung eines neuen Art. 28a). In der Begründung der Berichterstatterin wird u.a. ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten gemäß den neuen Bestimmungen (des Vorschlags der Kommission) für einen Zeitraum von möglicherweise sogar bis zu fünf Jahren wieder Kontrollen an den Binnengrenzen einführen könnten, wenn es eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in einem Mitgliedstaat gebe. Die Berichterstatterin lehne die Versuche der Kommission entschieden ab, die derzeit illegale Praxis von Mitgliedstaaten hinsichtlich Kontrollen an den Binnengrenzen zu legalisieren. Das Hauptziel etwaiger Änderungen am Schengener Grenzkodex in Bezug auf die Bestimmungen zur Wiedereinführung von Kontrollen an Binnengrenzen sollte darin bestehen, den Rechtsrahmen klarer zu gestalten (vgl. im Einzelnen unter http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0356_DE.html#title2). Am 19. Juni 2018 haben die Botschafterinnen und Botschafter der EU im Namen des Rates ein Mandat für Verhandlungen über den Vorschlag zur Änderung des Schengener Grenzkodex im Hinblick auf die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen gebilligt. Nach der hierzu ergangenen Pressemitteilung vom selben Tag wird der Ratsvorsitz auf der Grundlage dieses Mandats die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufnehmen, sobald dieses seinen Standpunkt festgelegt hat (vgl. https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/06/19/schengen-internal-border-controls-council-agrees-negotiating-mandate-on-the-amendment-of-the-schengen-borders-code/), was nun in erster Lesung erfolgt ist.
Von Seiten der Europäischen Kommission wurde dem Kläger selbst aktuell mit dem Schreiben vom 5. März 2019 mitgeteilt, dass die Kommission auch mit Blick auf die noch ausstehenden Legislativarbeiten beschlossen habe, die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Kontrollen vorerst nicht in Frage zu stellen. Gleichzeitig habe die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, nach alternativen Maßnahmen zu suchen, um die Grenzkontrollen so bald wie möglich aufzuheben. Die Kommission stehe in Kontakt mit den betroffenen Mitgliedstaaten, damit die Grenzkontrollen baldmöglichst wieder aufgehoben werden könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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