Europarecht

Zum Fachkundenachweis als Voraussetzung für die Erlaubnis einer gewerbsmäßigen Hundeschule

Aktenzeichen  M 23 K 16.13

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG TierSchG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 lit. f, Abs. 5 S. 6

 

Leitsatz

1 Es ist mit Blick auf den Gleichheitssatz nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit der Erlaubnispflicht an die Gewerbsmäßigkeit anknüpft und damit darauf abzielt, einen angemessenen Ausgleich herzustellen zwischen den gewerblichen Interessen, die ihrem Wesen nach auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet sind und den hierdurch potenziell nachteilig betroffenen tierschutzrechtlichen Belangen (Anschluss an VG Lüneburg BeckRS 2012, 50074). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Antragsteller, dem insofern die Darlegungs- und Beweislast obliegt, hat verschiedene Möglichkeiten, seine Sachkunde nachzuweisen und muss sich daher nicht in allen Fällen einem Fachgespräch unterziehen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 52043 ). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Reichen die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen über einen Ausbildungsabschluss und/oder einen beruflichen oder sonstigen Umgang mit den relevanten Tierarten nicht aus, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf die beabsichtigte Tätigkeit zu belegen, wird ihm mit dem Fachgespräch bei der zuständigen Behörde lediglich eine weitere Möglichkeit geboten, den Sachkundenachweis zu erbringen (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2010, 48042). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 In Anbetracht der umfassenden Mitwirkungspflichten des Antragstellers im Verfahren liegt nicht bereits ein Ermittlungs- bzw. Ermessensdefizit vor, wenn sich die Behörde darauf beschränkt, die vorgelegten Unterlagen einer individuellen Überprüfung zu unterziehen, ohne ihrerseits weitere Ermittlungen anzustellen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
5 Der möglicherweise beanstandungsfrei geführte Betrieb einer Hundeschule über einen längeren Zeitraum ist lediglich ein Indiz und nicht schon allein ein ausreichender Nachweis der erforderlichen Fachkunde (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2017, 101355). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Gericht lässt es wegen § 88 VwGO dahinstehen, ob es tatsächlich sachgerecht ist, den vorliegend geltend gemachten Anspruch auf eine reine Verbescheidung zu beschränken, wenn die Erlaubniserteilung – bei unterstellt nachgewiesener Fachkunde – ihrerseits eine gebundene Entscheidung ist (vgl. VG Ansbach, U.v.17.10.2016 – AN 10 K 16.630 – juris Rn. 19).
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Neuverbescheidung über ihren bei der Beklagten gestellten Antrag auf Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.8 lit. f TierSchG, für Dritte Hunde auszubilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten zu dürfen. Gemäß § 21 Abs. 4b TierSchG ist diese Vorschrift in der Fassung ab dem 1. August 2014 anzuwenden. Da das Bundesministerium von der Ermächtigungsnorm des § 11 Abs. 2 TierSchG bis zur vorliegenden Entscheidung keinen Gebrauch gemacht hatte, ist gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 TierSchG§ 11 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2, 2a TierSchG in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Form (a.F.) weiter anzuwenden. Danach darf eine Erlaubnis (nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 lit. f TierSchG) nur erteilt werden, wenn die für die Tätigkeit verantwortliche Person aufgrund ihrer Ausbildung oder ihres bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgangs mit Tieren die für die Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchG a.F. sind Nachweise über die Sachkunde beizufügen.
Die von der Klägerin angemeldete Hundeschule ist auch erlaubnispflichtig nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 lit. f TierSchG. Gewerbsmäßiges Handeln liegt dann vor, wenn die Tätigkeit selbstständig, planmäßig fortgesetzt und insbesondere mit Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt wird (vgl. Hirt, Maisack, Moritz, Kommentar zum TierSchG, 3. Auflage 2016, § 11 Rn. 11 m.w.N.). Wenn nunmehr der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 TierSchG darauf abzielt, einen angemessenen Ausgleich herzustellen zwischen den gewerblichen Interessen, die ihrem Wesen nach auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet sind und den hierdurch potenziell nachteilig betroffenen tierschutzrechtlichen Belangen, so ist dies nicht zu beanstanden (vgl. hierzu VG Lüneburg, U.v. 19.4.2012 – 6 A 63/10 – juris). Es besteht ein anerkennenswerter Unterschied zu Personen, die nicht gewerbsmäßig im Sinne des TierSchG Hunde ausbilden, beispielsweise Vereine mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes wäre nur dann anzunehmen, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung, so zuletzt BVerfG, B.v. 29.12.2004 – BvR 2283/03 – juris). Wenn die Klägerin somit zumindest Teile ihres Lebensunterhaltes durch den Betrieb einer Hundeschule abdecken will, besteht auch unter Berücksichtigung des Normzwecks des TierSchG ein zulässiger und hinreichend sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung (VG Ansbach a.a.O. Rn. 17 f.; vgl. zur Vereinbarkeit der Erlaubnispflicht mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG auch: VG Stade, U.v.19.10.2015 – 6 A 1882/14 – juris Rn. 29f.).
Es ist mittlerweile geklärt, dass dem Bewerber verschiedene Arten der Nachweisführung der Fachkunde zur Verfügung stehen. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 18.8.2015 – 9 CE 15.934 – juris Rn. 15ff.) dargelegt, dass (…) nicht gefordert wird, dass sich jeder Antragsteller einem Fachgespräch zu unterziehen hat und nur auf diesem Weg den für die Erteilung der Erlaubnis erforderlichen Sachkundenachweis erbringen kann. Der Antragsteller, dem insofern die Darlegungs- und Beweislast obliegt, hat vielmehr verschiedene Möglichkeiten, seine Sachkunde nachzuweisen. Wie sich aus § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a.F. i.V.m Nr. 12.2.2 AVV ergibt, sind dies in erster Linie Unterlagen über eine abgeschlossene staatlich anerkannte oder sonstige Aus- und Weiterbildung, die zum Umgang mit Tieren befähigt, auf die sich die beabsichtigte Tätigkeit erstreckt, oder aber Unterlagen, die sich auf den bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgang mit Tieren beziehen. Reichen die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen über einen Ausbildungsabschluss und/oder einen beruflichen oder sonstigen Umgang mit den relevanten Tierarten nicht aus, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf die beabsichtigte Tätigkeit zu belegen, wird ihm mit dem Fachgespräch bei der zuständigen Behörde lediglich eine weitere Möglichkeit geboten, den Sachkundenachweis zu erbringen (vgl. NdsOVG, B.v. 30.3.2010 – 11 LA 246/09 – juris Rn. 13). Ein solches Fachgespräch kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn die Behörde – bei Vorliegen der sonstigen Erlaubnisvoraussetzungen – noch Zweifel an der bestehenden Sachkunde des Antragstellers hat, nicht dagegen, wenn sie bereits von dessen fehlender Sachkunde überzeugt ist (BayVGH, B.v. 15.1.2003 – 25 ZB 02.1705 – juris Rn. 4).
Nach der Systematik des § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a. F. obliegt es demjenigen, der eine Erlaubnis zum Führen einer gewerblichen Hundeschule beantragt, seine Fachkunde hinreichend nachzuweisen. Der Begriff der Fachkunde stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der vom Verwaltungsgericht uneingeschränkt überprüft werden kann. Der Antragsteller kann seine Fachkunde in einem ersten Schritt auf zwei selbständig nebeneinander stehenden Wegen belegen: Zum einen durch eine Ausbildung (Alt. 1) und zum anderen durch den bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgang mit Tieren (Alt. 2). In beiden Fällen kann die zuständige Behörde in Zweifelsfällen in einem zweiten Schritt einen (weiteren) Nachweis in Gestalt eines mit ihr zu führenden Fachgesprächs verlangen (vgl. OVG Lüneburg, B.v.27.1.2016 – 11 ME 249/15 – juris Rn. 6).
Diese geschilderten alternativen Möglichkeiten der Nachweisführung werden unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BayVGH v. 18.8.2015 (a.a.O.) auch in der Antwort des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Forsten an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom 1. Oktober 2015 (321-00204/0014) dargestellt.
Weiter ist von entscheidungserheblicher Bedeutung, dass – entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten im hiesigen Verfahren – der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast ihrer Fachkunde obliegt (BayVGH, B.v. 18.8.2015 – a.a.O. Rn. 16), ebenso umfassende Mitwirkungspflichten im Verfahren (VG Stuttgart, U.v.9.1.2003 – 4 K 1696 – juris Rn. 18). Dementsprechend liegt nicht – wie von Klageseite behauptet – bereits ein Ermittlungsbzw. Ermessensdefizit der Behörde vor, wenn sich die Beklagte darauf beschränkt, die von Klageseite vorgelegten Unterlagen einer individuellen Überprüfung zu unterziehen, ohne ihrerseits weitere Ermittlungen anzustellen.
Die von Klageseite schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung thematisierten und aus dortiger Sicht nicht als konform mit dem TierSchG angesehenen Einzelheiten der Ausgestaltung des Fachgesprächs entsprechend der Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (so u.a. v. 4.7.2014, 45b-G734.9-2013/13-42) sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht entscheidungserheblich, da sich die Klägerin von vornherein einer derartigen Überprüfung ihrer Fachkenntnisse entzogen hat (vgl. BayVGH, B.v.18.8.2015 a.a.O., Rn. 17; VG Ansbach, U.v.17.10.2016 – AN 10 K 16.314 – juris Rn. 32). Im Übrigen wurde von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 3 Sitzungsniederschrift) klargestellt, dass, sollte eine fachliche Bewertung der eingereichten Unterlagen zum Nachweis der Fachkunde dies zulassen, auch ein „angepasstes“ Fachgespräch in Betracht käme, etwa auf das angestrebte Tätigkeitsfeld bezogen bzw. auf Bereiche, in denen die Fachkunde als noch nicht ausreichend nachgewiesen erscheint.
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte zweifelsohne eine eingehende Überprüfung der von der Klägerin vorgelegten Nachweise, insbesondere auch für Umfang und Inhalt der bei … absolvierten Seminare, vorgenommen und hat die Klägerin zusätzlich am 1. Juli 2015 zu einem persönlichen Gespräch hierüber geladen. Die in der Folge getroffene fachliche Bewertung des Gesprächs seinerseits ist am 3. September 2015 erfolgt. Sie wurde von Beklagtenseite schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung nochmals eingehend dargelegt. Insoweit wird auf Bl. 279 ff. Behördenakte, auf den Schriftsatz der Beklagten im vorliegenden Verfahren vom 30.6.2016, S. 15 f. und auf S. 2 f. der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Das Gericht hat keine Veranlassung, die veterinärfachliche Beurteilung der noch nicht nachgewiesenen Fachkunde der Klägerin in Zweifel zu ziehen, wie im Übrigen das pauschale Abstreiten der fachlichen Kompetenz der Veterinärin der Beklagten durch die Klägerin bzw. die pauschale Behauptung, bereits die Tatsache der absolvierten Ausbildungen bei … müsse ein Fachgespräch vollständig ersetzen, schon wegen der vorrangigen Beurteilungskompetenz beamteter Tierärzte (§ 15 Abs. 2 TierSchG) nicht erfolgreich sein kann. Ein fachlich substantiiertes Gegenvorbringen der Klägerin, etwa durch einen mit Hundezucht betrauten Veterinär, das geeignet sein könnte, die Einschätzung des Amtstierarztes zu entkräften, liegt nicht vor (vgl. VG Berlin, U.v. 6.4.2016 – 24 K 238.15 – juris Rn. 54). Die Ablehnung des Antrags der Klägerin durch die Beklagte erfolgte insbesondere wegen der Qualität der absolvierten Aus- und Fortbildungen. Ganz unabhängig von der ohnehin erfolgten veterinärfachlichen Beurteilung ergibt sich aus den vom Klägerbevollmächtigten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigungen auch kein gesonderter Nachweiswert der Lerninhalte (vgl. VG Ansbach, U.v.17.10.2016 – AN 10 K 16.314 – juris Rn. 24). Auch der möglicherweise beanstandungsfrei geführte Betrieb einer Hundeschule über einen längeren Zeitraum ist lediglich ein Indiz der Fachkunde (OVG Lüneburg, B.v. 31.1.2017 – 11 ME 278/16 – juris Rn. 9), aber kein bereits ausreichender Nachweis der erforderlichen Fachkunde.
Die von der Beklagten vorgenommene Antragsablehnung ist daher nicht zu beanstanden.
Auch gegen die in der Folge getroffene Untersagungsverfügung (Ziff. 2 des Bescheids) bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sobald verbindlich geklärt ist, dass die Klägerin die von ihr angestrebte Erlaubnis nicht erlangen wird, ist die Untersagung die konsequente und dann jedenfalls auch verhältnismäßige Folge der Versagung (§ 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG). Nachdem die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids nach Bescheidsänderung in der mündlichen Verhandlung nunmehr an die Unanfechtbarkeit der Ziffer 1 des Bescheids knüpft, liegt hierfür auch die Vollstreckungsvoraussetzung des Artikel 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vor.
Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


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