Europarecht

Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit

Aktenzeichen  M 10 K 16.3714

Datum:
27.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121320
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 20 Abs. 2
EPÜ Art. 5, Art. 8, Art. 23 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4, Art. 134 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 8
GG Art. 24

 

Leitsatz

1 Unter amtlicher Tätigkeit iSd Art. 3 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation sind alle Tätigkeiten zu verstehen, die für die im Übereinkommen selbst vorgesehene Verwaltungsarbeit und technische Arbeit unbedingt erforderlich sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Europäische Patentorganisation ist eine zwischenstaatliche Einrichtung iSd Art. 24 Abs. 2 GG. (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens entspricht im Wesentlichen dem des Grundgesetzes und infolge dessen dem Standard des Art. 24 Abs. 1 GG. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten jeweils vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klage ist unzulässig. Die Beklagten unterliegen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, § 20 Abs. 2 GVG.
Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund von Völkerrechtsvereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschrift von ihr befreit sind. Dies trifft auf die Beklagten zu.
1. Hierzu hat das Gericht in einer früheren Entscheidung (U.v. 14.4.2005 – M 17 K 04.2518 – n.v.) ausgeführt: Die Befreiung von der nationalen, der deutschen, Gerichtsbarkeit folgt aus Art. 8 des Europäischen Patentübereinkommens (BGBl II 1976, S. 826 f – EPÜ) i.V.m. Art. 3 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der …-organisation (BGBl II 1976, S. 985 f; im Folgenden: Protokoll). Gemäß Art. 3 Abs. 1 und 4 Protokoll genießt die …-organisation im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit Immunität von der nationalen Gerichtsbarkeit. Unter amtlicher Tätigkeit der Organisation sind alle Tätigkeiten zu verstehen, die für ihre im Übereinkommen selbst vorgesehene Verwaltungsarbeit und technische Arbeit unbedingt erforderlich sind.
Die …-organisation ist eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG. Ihr sind durch völkerrechtlichen Akt unmittelbar Hoheitsrechte eingeräumt worden, die sie berechtigen, Hoheitsakte mit Wirkung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu setzen. Das …amt hat die Aufgabe, europäische Patente zu erteilen (Art. 4 Abs. 3 EPÜ), die ihrem Inhaber in jedem Vertragsstaat, für den sie erteilt wurden, grundsätzlich dieselben Rechte gewähren, die sich aus entsprechenden nationalen Patenten ergeben würden (Art. 2 Abs. 2 und Art. 64 Abs. 1 EPÜ). Es gehört somit zur Kernaufgabe des …amts, in einem rechtsstaatlichen Verfahren Patente zu erteilen, ebenso als actus contrarius deren Widerruf (Art. 4 Abs. 3, 102 EPÜ).
Diese durch die Autonomie der …-organisation begründete Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit wird entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend auch nicht durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2001, NJW 2001, 2705) zurückgedrängt. Auch wenn nach der genannten Entscheidung das Bundesverfassungsgericht unter „öffentlicher Gewalt“ im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht allein die deutsche Staatsgewalt zu verstehen ist, sondern auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der einzelnen Staaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation, führt dies nicht dazu, dass diese Rechtsakte automatisch der deutschen Gerichtsbarkeit insgesamt unterworfen sind. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass – solange ein anderes Rechtsschutzsystem im Wesentlichen dem Standard des Art. 24 GG entspricht – ein Rechtsschutzsuchender auf dieses verwiesen werden darf. Denn die Offenheit der Verfassung für die internationale Zusammenarbeit (Art. 24 Abs. 1 GG) bedingt, dass die deutschen Gerichte ihre Jurisdiktion nicht ausüben, wenn auf supranationaler Ebene ein dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbarer Rechtsschutz verfügbar ist (BVerfG a.a.O.). Fehlt es daran jedoch ganz oder unterschreitet ein solcher Rechtsschutz das vom Grundgesetz geforderte Maß generell und offenkundig (BVerfG a.a.O.), käme ein Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht. Mit dem Beschluss vom 4. April 2001 hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz gegen Hoheitsakte internationaler Organisationen und seine Grundsätze auf die …-organisation erstreckt, deren Rechtsakte in der innerstaatlichen Rechtsordnung Rechtswirkungen gegenüber Grundrechtsberechtigten erzeugen. Schon die beiden Eurocontrol-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 1981 und vom 10. November 1981 (BVerwGE 58, 1 und 59, 364) hatten deutlich gemacht, dass nicht nur von der EG, sondern auch von anderen internationalen Organisationen Rechtsakte ausgehen können, die Fragen des Grundrechtsschutzes aufwerfen. In dem Verfahren über die Bananenmarktordnung (BVerwG vom 7.5.2000, NJW 2000, 3124 f) hat das Gericht seine Solange -II- Rechtsprechung (BVerfG vom 22.10.1986, BVerfGE 73, 339 ff.) nachdrücklich bestätigt und damit Spekulationen über eine mögliche Rechtsprechungsänderung durch das Maastricht-Urteil (BVerfG vom 12. 10.1993, BVerfGE 89, 155 f) ein Ende gesetzt. Auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2001 kann nicht die Eröffnung der Entscheidungskompetenz der nationalen Fachgerichte durch den Hinweis des Gerichts, dass unter „öffentlicher Gewalt“ im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der einzelnen Staaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation zu verstehen sei, entnommen werden. Denn auch in dem Verfahren, das Grundlage des Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2001 war, wurden die Verwaltungsgerichte nicht angerufen. Eine mangelnde Rechtswegerschöpfung, § 90 Abs. 2 BVerfGG, oder eine entgegenstehende Subsidiarität hat das Bundesverfassungsgericht nicht angenommen. Es würde seine Gerichtsbarkeit unter Hinweis auf Art. 24 Abs. 1 GG nur dann ausüben, wenn das vom Grundgesetz geforderte Mindestmaß an Rechtsschutz generell und offenkundig unterschritten wird.
Letztlich kann die Frage der Auffangzuständigkeit deutscher Gerichte hier ohnehin offen bleiben. Für das Gericht bestehen keine Anhaltspunkte, dass das vom Grundgesetz geforderte Mindestmaß an Rechtsschutz vorliegend generell und offenkundig unterschritten wird. In diesem Zusammenhang führt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. April 2001 aus: „Die sich insoweit aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Anforderungen sind gegenwärtig auf der Ebene des EPÜ generell gewahrt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, noch ist sonst ersichtlich, dass dies vorliegend offenkundig nicht der Fall sei. Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens entspricht im Wesentlichen dem des Grundgesetzes und damit dem Standard des Art. 24 Abs. 1 GG“ (BVerfG a.a.O.).
Die Gerichtsqualität der Beschwerdekammern muss bejaht werden, da die Art. 21 und 23 EPÜ die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder der Beschwerdekammern garantieren. Die von der Klägerin als wesentlich geforderte organisatorische Unabhängigkeit im Sinne einer Gewaltenteilung entsprechend den Grundsätzen des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist durch Art. 23 Abs. 2, 3 und 4 EPÜ gewährleistet. Durch Abs. 2 wird sichergestellt, dass das Personal strikt von dem der anderen Einrichtungen des … amts getrennt ist. Des Weiteren werden die Beschwerdekammern durch eine eigene Verfahrensordnung auch organisatorisch verselbständigt (s. Abs. 4). Die Weisungsunabhängigkeit ist gegenüber dem den Generaldirektionen vorstehenden Präsidenten durch Abs. 3 gesichert. In Anbetracht dieser Regelungen kann man davon ausgehen, dass trotz der Briefkopfverwendung und des strukturellen Aufbaus des … amts die organisatorische Selbständigkeit der Beschwerdekammern gegeben ist. Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin erfolgte Hinweis auf zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1957 (VG München, GRUR 1957, 623) und 1959 (BVerwG, NJW 1959, 1507 und 2043), die dem Rechtsschutzsystem des damaligen … amts die Gerichtsqualität absprachen, geht fehl, da die genannten Urteile nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. In den Urteilen wurde die organisatorische Unabhängigkeit insbesondere deshalb verneint, weil alle Mitglieder des …amts grundsätzlich in den Beschwerdesenaten sitzen konnten, diese personell also nicht ausreichend von den mit Verwaltungstätigkeiten betrauten anderen Abteilungen des …amts getrennt waren. Dies ist aber, wie oben ausgeführt, beim …amt gerade nicht der Fall.
Auch die Einstufigkeit des Verfahrens vor den Beschwerdekammern führt nicht zu einer Unterschreitung des rechtsstaatlichen Mindeststandards. Zwar hängt der Zugang zur Großen Beschwerdekammer vom Ermessen der Beschwerdekammern ab (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a, 112 Abs. 1 Buchst.a EPÜ). Insofern ist es jedoch ausreichend, dass der Zugang zu den Beschwerdekammern als erster Instanz uneingeschränkt besteht. Schon Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nicht die Eröffnung mehrerer Instanzen (BVerfG vom 30.4.2004, NJW 2003, 1924), daher kann eine solche Gewährleistung erst recht nicht grundgesetzlicher Mindeststandard im oben genannten Sinne sein.
Das Verfahren vor den Beschwerdekammern unterschreitet auch generell im Hinblick auf die Präklusion von Hilfsanträgen nicht das Mindestmaß an rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Präklusionsregeln sind in gerichtlichen Verfahren üblich und auch im deutschen Recht ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich zulässig (vgl. §§ 275, 276, 282, 296, 530, 531 ZPO, § 87 b VwGO). Das primäre Recht der …-organisation erlaubt die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (Art. 114 Abs. 2 EPÜ; Regel 71a Ausführungsordnung i.V.m. Art. 164 Abs. 1 EPÜ). Dem entspricht das für das Verfahren der Beschwerdekammern sekundäre Organisationsrecht, welches auch Regeln für die Ausübung des Ermessens enthält (Art. 10b Abs. 1 Verfahrensordnung-BK). Die Verfahrensordnung-BK, gestützt auf Art. 23 Abs. 4 EPÜ, dem der deutsche Gesetzgeber seine Zustimmung erteilt hat, gibt hinsichtlich der Zurückweisung verspäteten Vorbringens keine Anhaltspunkte, dass generell und offensichtlich der Mindeststandard an rechtlichem Gehör unterschritten wird. Die Verfahrensordnung in Art. 10b Abs. 1 sieht eine Entscheidung der Beschwerdekammer nach pflichtgemäßem Ermessen vor, wobei bei der Ausübung des Ermessens insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen ist (Art. 10b Abs. 1 Satz 2 Verfahrensordnung-BK). Dass damit je nach Einzelfall eine Zurückweisung oder eine Berücksichtigung verspäteten Vorbringens bedingt ist, führt grundsätzlich nicht zu einem willkürlichen Verhalten der Beschwerdekammern.
2. An dieser Rechtsauffassung, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde (U.v. 20.11.2006 – 5 BV 05.1586 – VGH n.F. 60, 24), hält das Gericht fest. Die Beklagten genießen im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit Immunität vor den mitgliedstaatlichen Gerichtsbarkeiten (Art. 8 und 164 Abs. 1 EPÜ i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 4 des Protokolls). Dies gilt auch für die hier im Streit stehende Verfahrensfrage, ob die Beklagte zu 2) vom Kläger zu 1) in jedem neuen Verwaltungsverfahren die Vorlage einer Vollmacht des jeweiligen Mandanten verlangen kann. Auch insoweit gewährleistet das Europäischen Patentübereinkommen ein eigenständiges Rechtsschutzsystem, das abschließende Geltung beansprucht und Kontrollkompetenzen nationaler Behörden oder Gerichte der Vertragsstaaten ausschließt. Die Erforderlichkeit der Vorlage einer Vollmacht ist in den Verfahrensordnungen der Beklagten geregelt. Art. 133 und 134 EPÜ regeln hierbei die allgemeinen Grundsätze der Vertretung von natürlichen juristischen Personen vor dem … amt. Nach Art. 134 Abs. 8 EPÜ kann eine Vertretung in den durch dieses Übereinkommen geschaffenen Verfahren wie von einem zugelassenen Vertreter (§ 134 Abs. 1 EPÜ) auch von jedem Rechtsanwalt, der in einem Vertragsstaat zugelassen ist und seinen Geschäftssitz in diesem Staat hat, in dem Umfang wahrgenommen werden, in dem er in diesem Staat die Vertretung auf dem Gebiet des Patentwesens ausüben kann. Weitergehende Anforderungen werden in Regel 152 AO-EPÜ sowie im Beschluss der Präsidenten des … amtes vom 12. Juli 2007 über die Einreichung von Vollmachten getroffen. Diese innerorganisatorischen Regelungen können und werden auch von den nach dem Europäischen Patentübereinkommen zur unabhängigen gerichtlichen Überprüfung geschaffenen Beschwerdekammern nach Art. 21 ff. EPÜ überprüft, wie die von den Beklagten vorgelegte Entscheidung der juristischen Beschwerdekammer vom 5. Oktober 2011 (Az.: J 8/10) exemplarisch zeigt, die sich gerade auch mit den unterschiedlichen Anforderungen zur Vollmachtsvorlage bei zugelassenen Vertretern und bei Rechtsanwälten befasst.
3. Eine andere Bewertung der Frage, ob das Europäische Patentübereinkommen eine hinreichende gerichtliche Überprüfung durch die danach errichteten Beschwerdekammern gewährleistet, ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 25. April 2014 (Az.: R 19/12), mit dem einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der Großen Beschwerdekammer stattgegeben wurde, weil dieser gleichzeitig Vizepräsident des Beklagten zu 2) war; damit hätte sich eine Besorgnis zur Befangenheit aus einem Eindruck einer Verquickung gerichtlicher Tätigkeit in der Verwaltung auf Grund der Mitwirkung an Leitungsgremien des Amtes ergeben können. Die Kläger nehmen diese Entscheidung als Stütze für ihre Ansicht, dass die Beschwerdekammern und die Große Beschwerdekammer institutionell, organisatorisch und personell gerade nicht in richterlicher Unabhängigkeit arbeiten könnten und deshalb eine effektive Rechtskontrolle auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens von deren eigener supernationaler Gerichtsbarkeit nicht gewährleistet werden könne. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Vielmehr ergibt sich gerade aus der angeführten Entscheidung vom 25. April 2014, dass die Beschwerdekammern bzw. die Große Beschwerdekammer ihre Unabhängigkeit und allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze dadurch wahren, dass eben dem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden, der gleichzeitig in das Verwaltungshandeln des Beklagten zu 2) durch seine Stellung als Vizepräsident in der aktiven Mitwirkung an Leitungsgremien des Amtes eingebunden war, stattgegeben wurde, um dem Eindruck einer Befangenheit entgegenzuwirken.
Zudem nahmen die Beklagten die genannte Entscheidung zum Anlass, die Unabhängigkeit der eingerichteten Beschwerdekammern weiter durch organisatorische und personelle Umstrukturierungen zu bestärken.
Hierzu haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass die Beschwerdekammern organisatorisch klarer von den anderen Teilen des Amtes, den anderen Generaldirektionen getrennt wurden und nicht mehr als eigene Generaldirektion geführt würden. Vielmehr sei eine separate Beschwerdekammereinheit gegründet worden, in welcher sämtliche Beschwerdekammern sowie die Große Beschwerdekammer mit Geschäftsstellen und Unterstützungsdiensten zusammengefasst worden seien. Auch werde die Leitung der Beschwerdekammereinheit nicht mehr von einem Vizepräsidenten wahrgenommen, vielmehr würde diese mittlerweile von einem neu geschaffenen Präsidenten der Beschwerdekammern geleitet, der nicht einer Unterstützungspflicht der sonstigen Vizepräsidenten nach Art. 10 Abs. 3 EPÜ unterfalle. Seine administrative Tätigkeit in Bezug auf die Beschwerdekammereinheit habe der Präsident der Beschwerdekammereinheit nunmehr unmittelbar gegenüber dem Verwaltungsrat zu verantworten. Dem haben die Kläger nicht widersprochen. Die vorgenommene Neustrukturierung bestärkt nach Auffassung des Gerichtes die bereits früher vertretene Meinung, dass die Beschwerdekammern unabhängigen und hinreichenden Rechtsschutz für die Patentverfahren einschließlich der internen Verwaltungsregelungen bieten. Damit besteht kein Anlass, von den schon zuvor vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Feststellungen abzuweichen, wonach das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens im Wesentlichen dem Standard des Grundgesetzes und damit dem des Art. 24 Abs. 1 GG entspricht (BVerwG, B.v. 4.7.2006 – 2 BvR 1458/03; v. 27.1.2010 – 2 BvR 2253/06; v. 27.4.2010 – 2 BvR 1848/07, jeweils in juris).
4. Die Beklagten haben auch nicht nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Protokoll auf ihre Immunität von der Gerichtsbarkeit verzichtet; die weiteren Fälle eines Immunitätsausschlusses nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b und Buchstabe c Protokoll (Zivilverfahren wegen Unfallschäden durch Motorfahrzeug oder Verstoß gegen die Vorschriften über den Straßenverkehr; Vollstreckung eines Schiedsspruches) liegen ersichtlich nicht vor.
5. Die unzulässigen Klagen sind damit mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreites nach § 173 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG scheidet aus (BayVGH, U.v. 20.11.2006, a.a.O., Rn. 38).
6. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben