Europarecht

Zuwendungsrecht, Richtlinie für die Gewährung einer Bayerischen, Lockdown-Hilfe für die bereits vor November 2020 von regionalen Lockdowns betroffenen Landkreise, Berchtesgadener Land und Rottal-Inn sowie die Städte, Augsburg und Rosenheim (Oktoberhilfe), (Teil-) Rücknahme eines Zuwendungsbescheids, (Teil-) Rückforderung, Vertrauensschutz

Aktenzeichen  M 31 K 21.3624

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40877
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48, 49a
BayHO Art. 23, 44

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2021, Az. …, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Beide Beteiligte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, sodass das Gericht im schriftlichen Verfahren entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2021 ist formell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Der von der Klägerin gerügte Anhörungsmangel liegt nicht vor. Die Beklagte hat die Klägerin mit E-Mail vom 26. Mai 2021 i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass des streitbefangenen Bescheids in ausreichender Art und Weise angehört. Nach dieser Vorschrift ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten – hier in Gestalt der (Teil-) Rücknahme- und Rückforderungsanordnungen – eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
Die Anhörung ist formfrei und kann daher grundsätzlich – wie hier – auch mit einfacher E-Mail erfolgen (vgl. z.B. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 44). Ein ausdrücklicher Hinweis, dass der Beteiligte sich äußern kann, ist für eine ordnungsgemäße Anhörung nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Beteiligte erkennen kann, dass er Gelegenheit zur Äußerung zu dem für die Entscheidung erheblichen Tatsachen hat. Das Gesetz sieht zudem auch nicht vor, dass ihm für seine Äußerung eine Frist zu setzen ist (vgl. z.B. NdsOVG, B.v. 31.3.2010 – 4 LC 281/08 – juris Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 28 Rn. 20 m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, ist das Vorgehen der Beklagten nicht zu beanstanden. Sie hat der Klägerin durch ihre an den für sie als prüfenden Dritten (vgl. Nr. 6.2 der Zuwendungsrichtlinie) tätigen Steuerberater gerichtete E-Mail vom 26. Mai 2021 auf die Absicht einer Bescheidsänderung, (Teil-) Rücknahme und Rückforderung der konkret i.H.v. 49.245,99 EUR bezifferten, ihrer Ansicht nach überzahlten Oktoberhilfe hingewiesen. Damit hat sie der Klägerin unter Benennung der beabsichtigten Maßnahme in der Sache ausreichendes rechtliches Gehör eröffnet und zudem den streitbefangenen Bescheid sodann erst unter dem 9. Juni 2021 und damit auch nicht verfrüht erlassen, auch wenn sich ein Bescheidserlass bereits am 14. Tag nach Eingang der E-Mail vom 26. Mai 2021 beim prüfenden Dritten als sehr zügig erweist. Es ist aber zum einen bereits nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis nicht auch anderen Antragstellern der Oktoberhilfe gegenüber (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) entsprechend kurze Fristen zur Äußerung setzen würde. Zum anderen ist schließlich insbesondere zu beachten, dass dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) bei der administrativen Bewältigung des ganz erheblichen Antragsaufkommens im Rahmen der Abwicklung der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen, der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes anlässlich der Corona-Pandemie, der Bayerischen Lockdown-Hilfe, der Bayerischen Corona-Härtefallhilfe und des Corona-Sonderfonds des Bundes für Messen und Ausstellungen, insbesondere für die Entgegennahme und Prüfung der Anträge, den Erlass der Bescheide und die Auszahlung der Beträge, deren Vollzug nach § 47b ZustV sämtlich der Beklagten obliegt, besondere Bedeutung namentlich für die Verfahrensausgestaltung zukommt; dies gerade auch deswegen, um Zuwendungsantragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Förderanträge und damit über die (Nicht-) Gewährung bzw. die Aufhebung und Rückforderung von bereits bewilligten Fördermitteln vermitteln zu können.
II. Der streitbefangene Bescheid der Beklagten erweist sich allerdings als materiell rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für den streitbefangenen Bescheid ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 6. Mai 2021 – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – teilweise rechtswidrig war. Die Klägerin durfte allerdings in schutzwürdiger Weise auf den Bestand dieses Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG). Die auf der Annahme des Vertrauensausschlusses nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG beruhende Ermessensbetätigung der Beklagten erweist sich dabei als fehlerhaft; auch ein ungeschriebener Ausschlusstatbestand des Vertrauensschutzes liegt nicht vor (§ 114 VwGO).
Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
1. Der Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2021 war teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Oktoberhilfe, die über den Betrag von 109.062,19 EUR hinausgeht.
1.1 Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung einer Bayerischen Lockdown-Hilfe für die bereits vor November 2020 von regionalen Lockdowns betroffenen Landkreise Berchtesgadener Land und Rottal-Inn sowie die Städte Augsburg und Rosenheim (Oktoberhilfe – BayMBl. 2021, Nr. 84 vom 2.2.2021, geändert mit Bekanntmachung vom 16.4.2021, Nr. 276) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Oktoberhilfe als Billigkeitshaftung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.
1.2 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Oktoberhilfe, die über den Betrag von 109.062,19 EUR hinausgeht. Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte nach ihrer ständigen Vollzugspraxis zu Nr. 3.2 der Zuwendungsrichtlinie für die Berechnung der Oktoberhilfe grundsätzlich auf den Umsatz im Oktober 2019, den das antragsberechtigte Unternehmen erzielt hat, als Vergleichsumsatz abstellt und im Falle der Klägerin auch keine Ausnahme nach Nr. 3.2 Satz 3 zulässt.
Unter Zugrundelegung der Nr. 5.7 der Fragen und Antworten (FAQ) zur Oktoberhilfe (vgl. S. 28 – 30 der Behördenakten), die im Internet unter www.stmwi.bayern.de/oktoberhilfe/faq/ mit dem Stand 20. April 2021 frei abrufbar sind und die der Beklagten auch als interne Verwaltungsvorschrift dienen (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 – W 6 K 20.2031 – juris Rn. 29), führt sie im streitbefangenen Bescheid aus, die von der Klägerin angestellte fiktive Hochrechnung des Vergleichsumsatzes sei nicht statthaft, da es sich bei der Erweiterung der Chalets durch Baumaßnahmen weder um die Neugründung einer Betriebsstätte oder eines neuen Geschäftszweigs noch um eine Änderung in der Struktur des Unternehmens handele.
Eine solche Förderpraxis, die nur Neugründungen eindeutig abgrenzbarer Betriebsstätten als „Unternehmen, die nach dem 30. September 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben“ i.S.d. Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie versteht, davon aber bloße Erweiterungen bestehender Betriebsstätten – hier in Gestalt der Errichtung von zehn neuen Chalets, Apartments und Ferienwohnungen zusätzlich zu den bereits bestehenden 19 Einheiten der Klägerin – ausnimmt, ist nicht rechtsfehlerhaft.
Zuwendungsrechtlich kommt es entgegen der Auffassung der Klagepartei zunächst schon nicht auf eine Auslegung der Zuwendungsrichtlinie in grammatikalischer, systematischer oder teleologischer Hinsicht an. Vielmehr ist allein maßgeblich, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat.
Es verstößt weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Zweck der Zuwendungsrichtlinie noch gegen sonstiges einschlägiges materielles Recht, wenn die Vollzugspraxis der Beklagten zu Nr. 3.2 Satz 1 und 3 der Zuwendungsrichtlinien grundsätzlich auf den Umsatz im Oktober 2019 als Vergleichsmonat abstellt und Ausnahmen nur für Neugründungen von Unternehmen und eindeutig abgrenzbaren Betriebsstätten bereits bestehender Unternehmen, nicht aber für Betriebserweiterungen eines bestehenden Unternehmens oder Erweiterung der Kapazität eines bestehenden Betriebssitzes – wie hier im Fall der Klägerin – zulässt.
Der Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit ihnen die mit der Funktion der Zuwendungsbehörde beliehene Beklagte (vgl. § 47b ZustV) sind nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger und Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten und den Umfang der Förderung im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden, sachgerechten Abgrenzung nur auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken. Denn nur diese bestimmen im Rahmen des ihnen eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret begünstigt werden soll. Insoweit besitzen Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit diesen die Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften.
Nachvollziehbar weist die Beklagte im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 17. August 2021 darauf hin, dass mit einer grundsätzlichen Bestimmung des Vergleichsumsatzes im Vollzug der Oktoberhilfe anhand der tatsächlichen im Oktober 2019 erzielten Umsätze, wie von Nr. 3.2 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie vorgesehen, eine Berechnungsgrundlage gewählt wurde, mit der die Förderung jeweils möglichst schnell, unkompliziert und zuverlässig ermittelt werden kann. Auch die daran anknüpfende rechtliche Schlussfolgerung der Beklagten, dass es sich dabei nach dem vorliegend allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV um ausreichende Differenzierungsgründe handelt, erweist sich als zutreffend.
Es ist allein Sache der Beklagten und des Freistaates Bayern als Zuwendungsbehörde und Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber, den Begriff von „Unternehmen (und Soloselbstständigen), die nach dem 30. September 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben“ i.S.d. Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie zu definieren und zu vollziehen. Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben bzw. hier durch die beliehene Beklagte handhaben zu lassen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten.
Im Lichte des vorstehend Ausgeführten ist dies vorliegend nicht der Fall. Eine Berücksichtigung der Erweiterung der bestehenden Betriebsstätte der Klägerin im Jahre 2020 um zehn Einheiten und das dazu von ihr angestrebtes weites Verständnis der Begrifflichkeit nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie mag aus ihrer Sicht sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um zu berücksichtigen, dass erhebliche Veränderungen im Umsatz erst im Jahr 2020, nicht aber schon im Oktober 2019 eingetreten sind; indes leitet sich daraus kein Anspruch auf einen entsprechenden Vollzug der Zuwendungsrichtlinie ab. Mit Blick auf den Zweck und die Voraussetzungen der Zuwendungsgewährung nach der Oktoberhilfe und insbesondere dem Ziel der Gewährleistung eines möglichst einfachen und effektiven Verwaltungsvollzugs – wie normativ ausdrücklich von Art. 10 Satz 2 BayVwVfG vorgesehen – ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber nicht verwehrt, die hier streitbefangene enge Vollzugspraxis bei der Zulassung einer Ausnahme nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie zu praktizieren und die Klägerin vorliegend nicht unter deren Anwendungsbereich zu fassen.
Die Beklagte geht somit zutreffend davon aus, dass der Zuwendungsbescheid vom 6. Mai 2021 insoweit rechtswidrig war, als der Klägerin dort von der Beklagten eine Oktoberhilfe bewilligt wurde, die den Betrag von 109.062,19 EUR übersteigt.
2. Die Klägerin hat jedoch in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertraut (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG). Die auf der Annahme eines Vertrauensausschlusses nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG beruhende Ermessensbetätigung der Beklagten erweist sich als fehlerhaft (§ 114 VwGO). Auch ein ungeschriebener Ausschlusstatbestand des Vertrauensschutzes liegt zudem nicht vor.
2.1 Die Klägerin hat in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021, mit dem die Beklagte eine Oktoberhilfe in Höhe von 158.307,78 EUR bewilligt und am selben Tage an die Klägerin ausbezahlt hat, vertraut.
Schutzwürdig ist grundsätzlich jeder Bürger, der sich mit guten Gründen auf die Rechte aus einer begünstigenden hoheitlichen Maßnahme verlassen durfte, insbesondere wenn deren Fehlerhaftigkeit nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt, ihm nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.1986 – BverwGE 83, 195; Kopp/Ramsauer, aaO § 48 Rn. 95).
Nach dem insoweit unbestrittenen, nach Lage der Akten auch schlüssig nachvollziehbaren und daher für das Gericht glaubhaften Vortrag in der Klageschrift hat die Klägerin unter der Voraussetzung, dass sie Oktoberhilfe erhält, mit dem Bau eines Boardinghauses in A. begonnen, hierzu ein entsprechendes Grundstück zum Preis (einschließlich Notargebühren) von 496.337,45 EUR erworben und das Bauunternehmen K. mit dessen Errichtung beauftragt; zudem hat sie an das Bauunternehmen bereits entsprechende Teilzahlungen geleistet. Damit hat die Klägerin im Vertrauen auf den Bestand des Zuwendungsbescheids bereits Vermögensdispositionen in Gestalt der von ihr eingegangenen entsprechenden kauf- und werkvertraglichen Verpflichtungen getroffen, die für ihr Vermietungsgewerbe auch ohne weiteres nachvollziehbar sind.
In der Folge erfüllt die Klägerin die in Art. 48 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BayVwVfG konkretisierende Regelung für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Bestand des eine einmalige Geldleistung bewilligenden Bescheids vom 6. Mai 2021. Sie hat durch das Eingehen verschiedener vertraglicher Verpflichtungen zum Ausbau ihres Gewerbebetriebs ihr Vertrauen auf den Bestand des Zuwendungsbescheids ins Werk gesetzt und nach außen hin manifestiert bzw. betätigt. Dafür, dass die Klägerin noch eine zumutbare Möglichkeit der Rückgängigmachung der von ihr eingegangenen (kauf- und werk-) vertraglichen Verpflichtungen besäße, ist schließlich weder etwas vorgetragen noch ist solches ersichtlich oder lebensnah.
Ob dies auch hinsichtlich der bereits vor Zuwendungsantragstellung vereinbarten Zinsänderung von Krediten mit dem Raiffeisenverband S. und der Begleichung einer entsprechenden Vorfälligkeitsentschädigung für den Bestandskredit im Februar 2021 gilt, kann folglich offenbleiben. Dies ist allerdings ganz erheblich zweifelhaft, da die Klägerin jedenfalls vor Antragstellung am 9. März 2021 gerade kein konkretes Vertrauen auf einen solchen Erlass entwickeln und in der Folge durch eine entsprechende Vermögensdisposition manifestieren konnte; ein lediglich abstrakter Vertrauensschutz auf eine potentielle Begünstigung nach der Zuwendungsrichtlinie vermag hingegen keine ausreichend schutzwürdige Vertrauensposition der Klägerin zu begründen (vgl. Kopp/Ramsauer, aaO § 48 Rn. 97 m.w.N.), auch wenn diese Erwartung auf einer entsprechenden Äußerung des prüfenden Dritten gründet.
2.2 Die Klägerin hat den Zuwendungsbescheid vom 6. Mai 2021 nicht durch Angaben im Zuwendungsverfahren erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig i.S.d. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG gewesen wären. Die maßgeblich darauf fußende Ermessensbetätigung der Beklagten im streitbefangene Bescheid ist fehlerhaft.
2.2.1 Die Beklagte erfasst im streitbefangenen Bescheid den zugrundeliegenden Sachverhalt zwar richtig, zieht daraus aber eine mit Blick auf den Vertrauensausschluss nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG unzutreffende rechtliche Folgerung.
Zutreffend erkennt die Beklagte zunächst, dass die Klägerin im Zuwendungsverfahren auf Nachfragen der Beklagten in den Antworten des prüfenden Dritten vom 13. April 2021 und 16. April 2021 ausdrücklich klargestellt hat, dass die Umsätze aus der Betriebserweiterung der Klägerin in Gestalt der im Jahr 2020 zum Bestand hinzugekommenen zehn neuen Chalets, Apartments und Ferienwohnungen von ihr im Sinne einer Erweiterung bzw. Schaffung eines neuen Betriebszweiges hinzugerechnet wurden.
Damit hat die Klägerin allerdings die Art und Weise der Ermittlung des aus ihrer Sicht heranzuziehenden Vergleichsumsatzes nach Nr. 3.2 Satz 1 und 3 der Zuwendungsrichtlinie vor Bescheidserlass gegenüber der Beklagten vollständig und detailliert offengelegt und eine insoweit zunächst bestehende Unvollständigkeit des Antrags vom 9. März 2021 berichtigt. Dies verkennt die Beklagte bei ihrer Prüfung des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG. Ausweislich der vorgelegten Behördenakten hat die Beklagte die berichtigten Angaben des prüfenden Dritten vom 13. April 2021 auch schon am 14. April 2021 und dann insbesondere vertieft am 29. April 2021 (vgl. S. 28 ff.) zur Kenntnis genommen und des weiteren auch ausdrücklich zur Grundlage ihrer zuwendungsrechtlichen Erwägungen gemacht. Sie hatte dabei als Ergebnis ihrer Erwägungen bereits die nunmehr im streitbefangenen Bescheid vertretene restriktive Anwendung von Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie zum Umgang mit bloßen Betriebserweiterungen erzielt, dieses Ergebnis aber offenbar aufgrund einer falschen Umsetzung bei der Sachbearbeitung so irrtümlich nicht in den Bescheid vom 6. Mai 2021 übernommen. Wohl aufgrund eines Büroversehens hat die Beklagte diesem Bescheid nicht den von ihr bereits zutreffend ermittelten Vergleichsumsatz von 375.659,45 EUR (S. 30 der Behördenakten), sondern vielmehr fälschlich den ursprünglich von der Klägerin im Antrag vom 9. März 2021 genannten Vergleichsumsatz von 532.235,18 EUR zugrunde gelegt.
Damit fehlt es an einem kausalen Erwirken des rechtswidrigen Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021 der Klägerin. Auch wenn es grundsätzlich ausreicht, dass das Handeln oder Unterlassen eines Antragstellers für die Fehlerhaftigkeit des begünstigen Verwaltungsakts mitursächlich war (vgl. statt vieler Kopp/Ramsauer, aaO § 48 Rn. 116 f.), entfällt die Kausalität hier deshalb, weil die Klägerin ihre Angaben zum heranzuziehenden Vergleichsumsatz und der Art und Weise seiner Ermittlung auch für die Betriebserweiterung im Jahr 2020 noch im Zuwendungsverfahren gegenüber der Beklagten durch umfängliche Offenlegung klargestellt und die Beklagte dies ausdrücklich zur Kenntnis genommen und sodann auch zur Grundlage ihrer zuwendungsrechtlichen Erwägungen gemacht hat. Die Klägerin hat damit die Beklagte in eindeutiger Weise vom richtigen und vollständigen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Wenn sie dabei eine für sie günstige, möglichst weite Anwendung von Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie verfolgt und die Berücksichtigung auch der erst durch die Betriebserweiterung im Jahr 2020 erzielten Umsätze im Rahmen der Oktoberhilfe anstrebt, ist ihr dies jedenfalls vor dem Hintergrund der vor Bescheidserlass vollständig offengelegten Umsatzkalkulation nicht vorzuhalten. Dass die Beklagte – trotz intern bereits festgelegter Vollzugspraxis – aufgrund eines Fehlers bzw. Irrtums bei der bescheidsmäßigen Umsetzung den ursprünglich angegebenen und nicht den berichtigten Vergleichsumsatz zugrunde gelegt hat, muss die Behörde gegen sich gelten lassen und kann dies nicht der Klägerin als Fehler vorwerfen (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1985 – 5 C 123/83 – juris Rn. 34; Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 48 Rn. 173; Kopp/Ramsauer, aaO § 48 Rn. 116 und 118). Welche Schlüsse die Beklagte für ihre Vollzugspraxis aus einer in solcher Weise offengelegten Ermittlung des Vergleichsumsatzes in der Bearbeitung und Bescheidung eines Zuwendungsantrags im Lichte von Nr. 3.2 Satz 1 und 3 der Zuwendungsrichtlinie zieht, fällt allein in ihre Sphäre als Zuwendungsbehörde.
Dies übersieht die Beklagte. Vor dem Hintergrund der Antworten des prüfenden Dritten vom 13. April 2021 und 16. April 2021 bestand für die Klägerin kein Grund, an der Richtigkeit der Berechnung der Beklagten zur Höhe der Oktoberhilfe im Zuwendungsbescheid zu zweifeln. Auf die falsche Berechnung hat die Klägerin keinen ihr noch verantwortlich zuzurechnenden Einfluss genommen, der Irrtum fiel vielmehr zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten.
2.2.2 Sonach erweist sich die maßgeblich auf der rechtsfehlerhaften Bejahung des Vertrauensausschlusses nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG beruhende Ermessensbetätigung der Beklagten als fehlerhaft i.S.d. § 114 VwGO.
Das Gericht hat dazu (nur) zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen. Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8.15 – juris Rn. 13).
Die Ermessensbetätigung im streitbefangenen Bescheid geht davon aus, dass der Zuwendungsbescheid vom 6. Mai 2021 gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auf unrichtigen Angaben der Klägerin beruht. Dies trifft, wie oben ausgeführt, indes nicht zu.
Damit hat die Beklagte einen für die Entscheidung über die (Teil-) Rücknahme wesentlichen Gesichtspunkt fehlerhaft in ihre Erwägungen eingestellt und das Ermessen mithin falsch betätigt.
2.3 Auch ein ungeschriebener Ausschlusstatbestand des Vertrauensschutzes liegt nicht vor. Eine entsprechende Ergänzung des Ermessens nach § 114 Satz 2 VwGO scheidet somit hier aus.
Die Ausschlusstatbestände des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG sind nicht abschließend, sodass daneben auch weitere Fälle, in denen ein Vertrauensschutz nicht zu gewähren ist, existieren (vgl. z.B. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO § 48 Rn. 149). Solches kann insbesondere beim Vorliegen eines Widerrufs- oder Rücknahmevorbehalts oder einer einschränkenden Regelung des Inhalts, dass die Bewilligung vorläufig bzw. nicht endgültig, oder bei einer Auszahlung einer Abschlagszahlung auf eine erst zukünftig (abschließend) zu bewilligende Zuwendung der Fall sein. Ein solcher Ausschlusstatbestand greift vorliegend indes nicht ein.
2.3.1 Der schriftsätzliche Hinweis der Beklagten auf die Gewährung einer Abschlagszahlung ist mit Blick auf Wortlaut und Regelungsgehalt des Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021, namentlich der Nr. 1 und 4 des Bescheidstenors, in der Sache unzutreffend. Anders als in einer Vielzahl anderer dem Gericht bekannten Bescheide, namentlich solcher im Vollzug der November- und Dezemberhilfe, hat die Beklagte vorliegend weder eine Abschlagszahlung verfügt noch sich den Erlass eines Schlussbescheids ausdrücklich (oder zumindest noch ausreichend deutlich) vorbehalten, sondern den Antrag der Klägerin auf Oktoberhilfe abschließend beschieden.
Der im Zuwendungsbescheid unter Nr. 4 der Nebenbestimmung in diesem Zusammenhang zu findende Passus, wonach sich die Beklagte vorbehalte, im Einzelfall die Vorlage einer Schlussabrechnung über die empfangenen Leistungen zu verlangen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Billigkeitsleistung, die Höhe und Dauer der Billigkeitsleistung sowie eine etwaige Überkompensation zu prüfen, reichte – die Beklagte hat sich darauf nicht berufen – nicht aus, um hierdurch einen Vorläufigkeits- oder Entscheidungsvorbehalt begründen zu können. Vielmehr handelt es sich dabei um einen allgemeinen Prüfungsvorbehalt im Sinne der Möglichkeit eines (wohl stichprobenartig) von der Behörde ex-post beim Zuwendungsantragsteller anzufordernden Verwendungsnachweises. Der Bescheid bringt jedoch an keiner Stelle, insbesondere im Tenor und/oder in den einschlägigen Nr. 4 und 10 der Nebenbestimmungen, die Vorläufigkeit bzw. Vorbehaltlichkeit der Gewährung der Oktoberhilfe für den objektiven Empfängerhorizont mit (noch) hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. Ausreichend, aber auch notwendig wäre es hierzu gewesen, einen entsprechenden Rücknahme- oder Entscheidungsvorbehalt, eine Vorläufigkeit der Bewilligung der Zuwendung oder den Umstand der Bewilligung einer Abschlagszahlung auf eine erst zukünftig (abschließend) zu bewilligende Zuwendung mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit zum Inhalt des Bescheids zu machen. Solches ist vorliegend allerdings nicht geschehen.
Damit stellen sich hier die daran anknüpfenden weiteren Fragen einer etwaigen Umdeutung oder Auswechslung der Rechtsgrundlage (vgl. aktuell z.B. VG München, U.v. 12.5.2021 – M 31 K 15.2119 – juris Rn. 56 m.w.N.) einer Rücknahmeentscheidung nach Art. 48 BayVwVfG, die zu einer Abschlagszahlung auf eine erst zukünftig zu bewilligende Zuwendung oder zu einer lediglich vorläufigen bzw. vorbehaltlichen Bewilligung einer Zuwendung ergeht, in einen Änderungs- oder Schlussbescheid (vgl. zu diesen Rechtsfiguren rechtsgrundsätzlich insbesondere BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8.82 – juris; dazu vor allem Kopp, DVBl. 1989, 238; im Weiteren U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – juris; U.v. 15.3.2017 – 10 C 1.16 – juris; aus der Literatur zudem z.B. Di Fabio, DÖV 1991, 629; Axer, DÖV 2003, 271) oder eines Austausches eines Ausschlusstatbestandes nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG in einem anderen – hier der Wechsel von der im Bescheid ausdrücklich angenommenen Alternative der Nr. 2 hin in zu der ungeschriebene Variante der Ausnutzung eines Entscheidungsvorbehalts bzw. einer Vorläufigkeit im Zuwendungsbescheid (vgl. z.B. OVG NRW, U.v 25.11.1996 – 25 A 1950/96 – juris) – nicht.
Folglich kann auch die sich hierzu wiederum anschließende Frage, ob und in welcher Weise die Beklagte einen solchen Tatbestand (schriftsätzlich und/oder durch Prozesserklärung) unter Beachtung der Maßgaben des § 114 Satz 2 VwGO zur Ermessensergänzung wirksam nachschieben kann, offenbleiben.
2.3.2 Auch der weitere schriftsätzliche Verweis auf den Widerrufsvorbehalt in Nr. 3 der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021 belegt vorliegend keinen Fall eines ungeschriebenen Vertrauensausschlusses. Danach hat sich die Beklagte nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG den Widerruf des Zuwendungsbescheids für den Fall vorbehalten, dass gegen die dort festgesetzten Bestimmungen verstoßen wird. Dieser Widerrufsvorbehalt mag zwar abstrakt betrachtet geeignet sein, die Bestandserwartung der Klägerin im Hinblick auf eine unveränderte Aufrechterhaltung des Zuwendungsbescheids vom 6. Mai 2021 und damit den Vertrauensschutz zu mindern, konkret jedoch greift dieser Vorbehalt vorliegend weder tatbestandlich ein noch wurde vor diesem Hintergrund von der Beklagten überhaupt ein (Teil-) Widerruf des Zuwendungsbescheids verfügt.
Die Beklagte hat schon keinen (Teil-) Widerruf des Zuwendungsbescheids, sondern vielmehr ausdrücklich eine (Teil-) Rücknahme – also ein rechtliches aliud – angeordnet. Des weiteren fehlt es gerade auch an einem tatbestandlichen Verstoß gegen die Bestimmungen des Zuwendungsbescheids. Die Klägerin hat, wie vorstehend ausgeführt, ihren Zuwendungsantrag vor Bescheidserlass in solcher Weise vervollständigt und berichtigt, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Zuwendungsrichtlinie im Hinblick auf die Ermittlung des Vergleichsumsatzes nach deren Nr. 3.2 gerade nicht mehr vorlag. Wie dargelegt hat die Klägerin die Beklagte in eindeutiger Weise vom richtigen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt; dass sie dabei eine für sie günstige, möglichst weite Anwendung der Nr. 3.2 der Zuwendungsrichtlinie verfolgt hat und die Berücksichtigung auch der durch die Betriebserweiterung im Jahr 2020 erzielten Umsätze im Rahmen der Oktoberhilfe anstrebt, kann ihr jedenfalls mit Blick auf die am 13. April 2021 und 16. April 2021 vollständig offengelegte Umsatzkalkulation nicht als Verstoß vorgehalten werden.
3. Erweist sich nach alledem der Bescheid vom 9. Juni 2021 in seinen Grundverfügungen nach Nr. 1 und 2 als rechtswidrig, fehlt es auch für die Nebenentscheidungen in Gestalt der Festsetzung des zu erstattenden Betrags nebst Zahlungsfristsetzung und der Anordnung der Verzinsung bei nicht fristgerechter Rückzahlung an der notwendigen Rechtsgrundlage nach Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG.
Der Klage war folglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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