Familienrecht

Bei bestimmten Auffälligkeiten einer Person sind die Voraussetzungen der Bestellung dieser als Betreuer nicht gegeben

Aktenzeichen  XVII 457/17

Datum:
3.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45616
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Weißenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, § 1903

 

Leitsatz

1. Eine erteilte Generalvollmacht ist unwirksam, wenn dem Betroffenen im Zeitpunkt der Erteilung aufgrund Demenz bei Verlust der Kritik- und Urteilsfähigkeit ein realitätsadäquater Überblick fehlte und der Beeinflussung des zu Bevollmächtigten ausgesetzt sowie mangels Abgrenzungsfähigkeit in Kombination mit der Minderung der Kritik- und Urteilsfähigkeit zu einer freien Willensbildung nicht in der Lage war. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auffälligkeiten, wie etwa aggressives und bedrohliches Verhalten sowie eigennütziger Umgang mit dem Vermögen des Betreuungsbedürftigen, sprechen gegen die Eignung einer Person, die Betreuungsführung zu übernehmen. (Rn. 16 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Betreuung wird angeordnet.
Ein Einwilligungsvorbehalt wird nicht angeordnet.
Die Betreuung umfasst folgende Aufgabenkreise:
-Aufenthaltsbestimmung
-Gesundheitsfürsorge
-Vermögenssorge
-Entgegennahme und Öffnen der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise
-Vertretung im Nachlassverfahren nach
Zum Betreuer wird bestellt:
– als Berufsbetreuer –
Das Gericht wird spätestens bis zum 03.12.2025 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts entscheiden.
Bis zu einer erneuten Entscheidung gelten die getroffenen Regelungen fort.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

Die Voraussetzungen für die Bestellung des Betreuers sind gegeben.
Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 1903 BGB) liegen nicht vor.
Die Betreute ist aufgrund einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten bzw. Behinderungen, nämlich einer senilen Demenz, nicht in der Lage, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zu den genannten Aufgabenkreisen gehören. Die vorgelegten Generalvollmachten vom 17.1. und 10.11.2018 sind nicht wirksam.
Die vom Sohn der Betroffenen vorgelegten Vollmachten vom 17.01. und 10.11.2018 erscheinen nicht ausreichend zum Ersatz einer Betreuung, da die Betroffene nach dem Gutachten der Sachverständigen vom 07.05.2018 bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der ersten Vollmacht am 17.01.2018 als vollständig geschäftsunfähig anzusehen ist und dieser Zustand fortdauert.
So stellt die Sachverständige erhebliche Gedächtnislücken bei der Betroffenen fest. Sie ist nicht mehr in der Lage sich von der Beeinflussung durch ihren Sohn abzugrenzen und eigene freie Entscheidungen zu treffen. Über ihre finanziellen Angelegenheiten hat sie keinen Überblick.
Die Sachverständige kommt in ihrem Gutachten zur Geschäftsfähigkeit zu einem anderen Ergebnis als der Sachverständige, der im Gutachten vom 01.02.2018 noch von Geschäftsfähigkeit ausging.
Dabei erfolgte die Begutachtung durch den Sachverständigen in Anwesenheit des Sohnes, während sich die Sachverständige ohne Anwesenheit des Sohnes und mit Unterstützung eines Dolmetschers einen Eindruck von der Betroffenen verschaffen konnte.
Das Gericht schließt sich nach den persönlichen Anhörungen der Betroffenen dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen an.
Diese kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass die Betroffene aufgrund der Demenz bei Verlust der Kritik- und Urteilsfähigkeit zu einem realitätsadäquaten Überblick nicht in der Lage und der Beeinflussung des Sohnes ausgesetzt ist und mangels Abgrenzungsfähigkeit in Kombination mit der Minderung der Kritik- und Urteilsfähigkeit weder im Zeitpunkt der Begutachtung noch der Vollmachtserteilung am 17.01.2018 zu einer freien Willensbildung in der Lage war.
An dieser Ausgangslage hat sich nach Einschätzung des Gerichtes, wie zuletzt durch persönlichen Eindruck in der Anhörung vom 27.11.2018 gewonnen, nichts geändert.
Deshalb gilt die Einschätzung der Sachverständigen auch zu der erst am 30.11.2018 vorgelegten Vollmacht vom 10.11.2018 fort.
Auch diese ist als unwirksam anzusehen.
Dem Gericht erscheint hierzu die Erholung eines neuen Gutachtens nicht erforderlich, da von einem progredienten Verlauf der Erkrankung auszugehen ist.
Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus
-dem ärztlichen Gutachten der Sachverständigen vom 07.05.2018,
-dem Berichten der Betreuungsbehörde Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen und der Stellungnahme im Termin vom 26.10.2018,
-den Stellungnahmen des Betreuers sowie des früheren Betreuers und
-dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses bei der Anhörung der Betreuten am 12.12.2017 und in deren üblicher Umgebung am 7.3. und 27.11.2018 – sowie des Sohnes der Betreuten am 26.10.2018 verschafft hat.
Bei der Auswahl des Betreuers ist das Gericht dem bedenkenfreien Vorschlag der Betreuungsbehörde gefolgt.
Die Betroffene wünscht, dass sich ihr Sohn um ihre Angelegenheiten kümmert. Auch wenn sie eine Betreuerbestellung ablehnt, bringt sie dadurch zum Ausdruck bringt, dass ihr Sohn zum Betreuer bestellt wird, falls dies unumgänglich ist.
Dem Wunsch kann nicht entsprochen werden, da dies dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefe ( § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB).
So wird von der Sachverständigen eine Fremdbetreuung vorgeschlagen, da die Betroffene nicht in der Lage ist sich von der Beeinflussung durch ihren Sohn abzugrenzen.
Auch die Betreuungsstelle hält den Sohn der Betroffenen zur Betreuungsführung aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit nicht für geeignet. Zu nennen sind dabei gewaltsames und aggressives Verhalten, unzureichende Wohn- und Pflegesituation, Zugriff auf das Geld der Ehegatten und Verhinderung einer Kontentrennung sowie Unterbindung einer kontinuierlichen Pflege durch einen Pflegedienst.
Der Sohn der Betroffenen äußert sich gegenüber verschiedenen Verfahrensbeteiligten aggressiv, wie sich aus den bei den Akten befindlichen Schreiben ergibt.
Dabei war Ausgangspunkt des Betreuungsverfahrens ein Polizeieinsatz nach häuslicher Gewalt (ärztliches Attest vom 7.12.2017 (Bl. 29 f). Nach den polizeilichen Feststellungen (Vermerk vom 8.2.2018) hatten die Eheleute massive Angst vor ihrem Sohn, auch wenn sie damals keine belastenden Angaben machten und die Betroffene stereotyp äußert, dass ihr Sohn ein guter Sohn sei.
Aufgrund des aggressiven Verhaltens haben bereits zwei Pflegedienste ihre Tätigkeit für die Betroffene beendet. Nach einer Mitteilung des früheren Pflegedienstes vom 26.1.2018 ist der Sohn der Betroffenen nicht in der Lage seine Eltern grundpflegerisch zu versorgen und die Medikamente verläßlich zu verabreichen, obwohl diese nach dem Gutachten der Sachverständigen vom 7.5.2018 (S. 15) auf ein blutverdünnendes Medikament und die ordnungsgemäße Verabreichung angewiesen ist.
Auch der früherer Berufsbetreuer hat u.a. aufgrund bedrohlicher Äußerungen des Sohnes seine Entlassung beantragt. Dem jetzigen Betreuer begegnet der Sohn mit Beleidigungen, Drohungen, haltlosen Strafanzeigen und Hausverbot.
Nach den von ihm in vorliegenden Verfahren auch gegenüber dem Gericht gemachten Äußerungen ist die erforderliche Zusammenarbeit mit dem Gericht nicht ansatzweise zu erwarten.
Insbesondere akzeptiert er nicht, dass das Vermögen seiner Mutter nicht zu seiner freien Disposition steht. Er griff selbst nach Betreuerbestellung noch auf das Vermögen seines Vaters zu und lehnte die gesonderte. Eröffnung eines Kontos für seine Mutter ab. Die Verwaltung des Geldes seiner Mutter durch den Betreuer sieht er als Eingriff in seine Rechte an und bezichtigt ihn der Unterschlagung.
Insgesamt sprechen die dargestellten Auffälligkeiten trotz der familiären Nähe gegen die Eignung des Sohnes der Betroffenen, die Betreuungsführung zu übernehmen.
Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist nicht erforderlich, da der Betreuer durch organisatorische Maßnahmen bereits dafür Sorge getragen hat, dass der Sohn der Betroffenen auf ihr Vermögen keinen Zugriff hat.
Bei der Festsetzung der Überprüfungsfrist hat das Gericht die Ausführungen der Sachverständigen berücksichtigt.
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 Abs. 2 Satz 1 FamFG.


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