Familienrecht

Beschwerde der Staatskasse- Antrag auf Festsetzung von Einigungsgebühr

Aktenzeichen  2 WF 188/17

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2017, 521
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 33 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4, § 56 Abs. 2 S. 1
FamFG § 36 Abs. 1 S. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 2, § 156 Abs. 2 S. 2
BGB § 779
BRAGO § 23

 

Leitsatz

1. Die Frage, ob mit einer Einigung ein Verfahren unmittelbar vollumfänglich abgeschlossen wird, ist für die Frage der Vergütungsansprüche in Bezug auf die zustandegekommene Vereinbarung genauso unbeachtlich wie der Umstand, ob ein Vergleich iSd § 779 BGB vorliegt, der ein gegenseitiges Nachgeben fordert. (Rn. 12)
2. Die Einigungsgebühr entsteht nur dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat. (Rn. 13)

Verfahrensgang

001 F3/17 2017-06-13 Bes AGKULMBACH AG Kulmbach

Tenor

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht – Kulmbach vom 13.06.2017 (1 F 3/17) wird zurückgewiesen.

Gründe

Im Verfahren 1 F 3/17 hat der Antragsteller die Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten Z. und S. dahingehend beantragt, dass er am 28.01.2017 von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr das Recht hat, Umgang zu haben. Zur Begründung hat der Antragsteller u. a. angegeben, dass der Umgang während seiner Hochzeitsfeier angeordnet werden soll. Als Begleitung der Tochter stehe eine Erzieherin der Tochter aus der Kindertagesstätte zur Verfügung, die ebenfalls die Hochzeit besuchen und das Kind begleiten werde. Weiterhin würden Freunde des Kindes an der Hochzeit teilnehmen. Nachdem sich die Kindesmutter zunächst dem begehrten Umgang verweigerte, haben die Kindseltern in der Sitzung des Amtsgerichts am 16.01.2014 zum Umgang mit Einverständnis des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin eine Vereinbarung dahingehend geschlossen, dass der Antragsteller berechtigt und verpflichtet ist, Umgang mit dem gemeinsamen Kind A. am 28.11.2017 von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr zu haben. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Erzieherin des Kindes, das Kind bei der Mutter abholt und nach Beendigung des Umgangs wieder dorthin zurückbringt. Ersatzweise werde der Kindsvater die Abholung und das Zurückbringen übernehmen. Schließlich wurde vereinbart, dass die Erzieherin … die Betreuung des Kindes während des Umgangs übernimmt. Die Vereinbarung wurde nachfolgend durch Beschluss familiengerichtlich gebilligt. Mit Beschluss vom 17.01.2017 hat das Amtsgericht dem Antragsteller unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und Monatsraten von 170,00 Euro festgesetzt. Der Beschluss wurde nicht angefochten.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23.01.2017 hat Rechtsanwältin C. beantragt, ihre Vergütung in Höhe von 502,78 Euro festzusetzen. Dabei hat sie aus dem Verfahrenswert von 1.500,00 Euro eine 1,0 Einigungsgebühr (§ 49 RVG, Ziffer 1003 VV-RVG) in Höhe von 115,00 Euro geltend gemacht. Mit Beschluss vom 03.04.2017 hat der Rechtspfleger beim Familiengericht die an die Rechtsanwältin C. zu zahlende Vergütung auf 365,93 Euro festgesetzt und dabei ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr nicht entstanden sei. Die abgeschlossene Vereinbarung entspreche dem verfahrenseinleitenden Antrag. Gegen diese ihr am 04.04.2017 zugestellte Entscheidung hat Rechtsanwältin C. mit Schriftsatz vom 05.04.2017, eingegangen beim Amtsgericht am 07.04.2017, Erinnerung eingelegt. Sie beantragt weiterhin die Festsetzung der geltend gemachten Einigungsgebühr.
Mit Beschluss vom 10.04.2017 hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht der Erinnerung nicht abgeholfen und zwar aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Nach Vorlage hat der Familienrichter mit Beschluss vom 13.06.2017 auf die Erinnerung der Antragstellervertreterin hin die an diese aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 502,78 Euro festgesetzt und ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr entstanden sei, da die Vereinbarung zum Umgang über den verfahrenseinleitenden Antrag hinaus gegangen sei. Es sei ein gegenseitiges Nachgeben gewesen. Insbesondere seien die jeweiligen Rechte und Pflichten über den Umgang allein hinaus vereinbart worden. Auf Antrag der Bezirksrevisorin beim Landgericht Bayreuth hat das Amtsgericht die Beschwerde gem. § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG zugelassen, da ungeklärt sei, ob ein Anerkenntnis im Umgangsverfahren überhaupt möglich sei.
Mit am 28.06.2017 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bayreuth für die Staatskasse Beschwerde gegen den Beschluss vom 13.06.2017 eingelegt. Sie nimmt Bezug auf ihren bisherigen Vortrag.
Im Übrigen wird auf die seitens der Bezirksrevisorin eingereichten Schriftsätze, die Schriftsätze der Rechtsanwältin C. und die Ausführungen des Amtsgerichts ergänzend Bezug genommen.
Das Verfahren wurde vom Einzelrichter auf den Senat übertragen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, da das Amtsgericht die Beschwerde in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat, § 33 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG. Mangels Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerde insbesondere auch fristgerecht erhoben.
Gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 RVG ist das Beschwerdegericht an die Zulassung gebunden ungeachtet der Frage, ob das Amtsgericht die Voraussetzungen der Zulassung aus zutreffenden Gründen bejaht hat.
Die Beschwerde der Staatskasse hat jedoch keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
Auch im Umgangsverfahren können unzweifelhaft Einigungen zwischen den Beteiligten zustandekommen. Dies ergibt sich schon aus § 156 FamFG, wonach in Ergänzung zu § 36 Abs. 1 S. 2 FamFG das Familiengericht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken soll. Schließlich hat das Familiengericht gem. § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG die so zustandegekommene Regelung über den Umgang zu billigen, wenn diese dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die Billigung gem. § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG ist Voraussetzung, damit ein Vollstreckungstitel vorliegt, § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. §§ 86 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 156 FamFG enthalten somit aber zwangsnotwendig die Prämisse, dass eine Einigung der Beteiligten über Umgangsfragen vorliegt.
Umgangsvereinbarungen dienen so der Streitbeilegung. Letzteres soll für die mitwirkenden Rechtsanwälte durch die Einigungsgebühr vergütet werden.
Die Frage, ob mit einer Einigung ein Verfahren unmittelbar vollumfänglich abgeschlossen wird, ist für die Frage der Vergütungsansprüche in Bezug auf die zustandegekommene Vereinbarung genauso unbeachtlich wie der Umstand, ob ein Vergleich iSd § 779 BGB vorliegt, der ein gegenseitiges Nachgeben fordert.
Wie Ziff. 1000 VVRVG stellt Ziff. 1003 VVRVG nur darauf ab, dass ein Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die Einigungsgebühr ersetzt die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO und enthält gleichzeitig eine inhaltliche Erweiterung zur früheren Vergleichsgebühr. Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Durch den Wegfall der für § 23 BRAGO geforderten Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens wird insbesondere der in der Vergangenheit häufig ausgetragene Streit darüber vermieden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (BT-Drucks. 15/1971, S. 147, 204). Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S. von § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an. Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden. Zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH aaO m.w.Nachw.). Die Einigungsgebühr entsteht demnach nur dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (vgl. BGH NJW-RR 2007, 359; FamRZ 2007, 1096).
Vorliegend erachtet der Senat mit der zustandegekommenen Vereinbarung ausreichende Umstände für gegeben, von einer Vereinbarung mit Auslösung der Einigungsgebühr auszugehen. Zwar ist der Umgang als solcher und auch der zeitliche Rahmen vollumfänglich wie beantragt in der Vereinbarung geregelt worden. Auch ist der Bezirksrevisorin zuzugeben, dass die Anwesenheit einer Erzieherin bereits in der Begründung des Antrags seitens des Antragstellers bei Einleitung des Umgangsverfahrens angegeben wurde. Gleichwohl haben die Beteiligten in der in der Sitzung des Amtsgerichts zustandegekommenen Vereinbarung konkret festgelegt, dass das Kind des Antragstellers und der Antragsgegnerin von der nunmehr konkret namentlich benannten Erzieherin während des Umgangs betreut wird, also dass der Kindsvater für diese Betreuung durch die Erzieherin zu sorgen und einzustehen hat. Da die Beteiligten somit die Sicherstellung dieser Betreuung als Voraussetzung des Umgangs des Kindes mit dem Kindsvater am betreffenden Tag festgeschrieben haben, hätte der Umgang ohne Sicherstellung der Betreuung durch die Erzieherin seitens des Vaters an diesem Tag nicht durchgesetzt werden können. Infolgedessen dürfte hier sogar ein gegenseitiges Nachgeben anzunehmen sein. Jedenfalls liegt schon deswegen nicht nur ausschließlich ein reines Anerkenntnis iSd amtl. Anmerkung zu Ziff. 1000 Abs. 1 S. 2 VVRVG vor, die grundsätzlich auch für die Anwendung der Ziff. 1003 VVRVG zu beachten ist. Vielmehr haben die Beteiligten durch die getroffene Einigung den bis dahin zwischen den Kindseltern bestehenden Streit zum Umgang des Kindsvaters mit dem Kind einvernehmlich unter Beteiligung der anwaltlichen Vertretung untereinander im anhängigen Umgangsverfahren unter Konkretisierung der Umgangsbedingungen beseitigt. Diese Einigung mit nachfolgender Billigung löst gem. der amtlichen Anmerkung Abs. 2 zu Ziff. 1003 VVRVG die Einigungsgebühr aus.
Ob ein Anerkenntnis oder Verzicht in (auch) von Amts wegen einleitbaren Verfahren vom Ansatz her möglich ist, bedarf daher hier keiner Entscheidung. Insoweit ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang des § 156 FamFG mit der amtl. Anmerkung Abs. 2 zu Ziff. 1003 VVRVG, dass grundsätzlich jede unter Mitwirkung der anwaltlichen Vertretung zum Umgang herbeigeführte Einigung mit anschließender familiengerichtlicher Billigung (§ 156 Abs. 2 FamFG) die Einigungsgebühr entstehen lässt.
Soweit die Bezirksrevisorin auf die Einzelrichterentscheidungen des OLG Bamberg vom 30.05.2012 (2 UF 78/12), 03.03.2016 (7 WF 39/16) und 27.07.2016 (7 WF 210/16) abstellt, vermag sich der Senat der dortigen Forderung des gegenseitigen Nachgebens in Bezug auf den konkreten Verfahrensgegenstand beim Zustandekommen einer Einigung als Voraussetzung einer Einigungsgebühr nach Ziff. 1003 VVRVG aus den vorstehenden Gründen nicht anzuschließen. An gegenteiliger Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG).


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