Familienrecht

Betreuungssache: Zur Würdigung eines Sachverständigengutachtens über eine paranoide Schizophrenie mit Residualproblematik

Aktenzeichen  11 T 55/19

Datum:
29.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28794
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 38 Abs. 3, § 70, § 81 Abs. 1 S. 2
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ist sich der Betreute im Falle eines systematisierten Größenwahns und teilweise verlorenen Realitätsbezugs darüber bewusst, welche Umstände für sein angestrebtes Ziel der Aufhebung der Betreuung negativ sein könnten, und versucht er, zur Verschleierung der psychotischen Symptomatik seine tatsächlichen Überlegungen bzw. Gedanken zu diesen Punkten nicht offenzulegen, kann dies für eine Fortbestand seiner Betreuungsbedürftigkeit sprechen.  (Rn. 4) (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

01 XVII 202/14 2019-03-10 AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

1. Die Beschwerde des Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurts vom 10.03.2019 wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen.

Gründe

Gründe: l.
Für den Betreuten wurde erstmals am 21.09.2000 Betreuung angeordnet. Mit einem bei Gericht am 11.09.2018 eingegangen Schreiben beantragte der Betreute, die Betreuung aufzuheben. Das Amtsgericht Schweinfurt holte ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen l_| vom 14.02.2019 ein. Mit Beschluss vom 10.03.2019 hat das Amtsgericht Schweinfurt die Betreuung auf den Aufgabenkreis „Vermögenssorge mit Hausverwaltung des Hauseigentums mit Einwilligungsvorbehalt“ eingeschränkt und verlängert. Der Betreute hat mit Schreiben vom 18.03.2019, eingegangen bei Gericht am 19.03.2019, erklärt, Einspruch zu erheben, da er wolle, dass die Betreuung nicht nur teilweise, sondern ganz aufgelöst werde. Das Amtsgericht Schweinfurt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.03.2019 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde des Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 10.03.2019 ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach den getroffenen Feststellungen, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen … vom 14.02.2019 und den Anhörungen durch das Amtsgericht und das Beschwerdegericht, liegen die Voraussetzungen der Betreuung jedenfalls für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge mit Hausverwaltung des Hauseigentums mit Einwilligungsvorbehalt“ weiterhin vor, da der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten zumindest teilweise nicht besorgen kann und ein freier Wille dem nicht entgegen steht, § 1896 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a, Abs. 2 S. 1 BGB.
Der Sachverständige … hat den Betreuten psychiatrisch begutachtet und festgestellt, dass der Betreute an einer paranoiden Schizophrenie mit Residualsymptomatik leidet. Aus fachärztlicher Sicht würden die medizinischen Voraussetzungen zur Aufhebung der Betreuung nicht vorliegen, da der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit unfähig sei, alle Angelegenheiten ohne Nachteile selbst zu besorgen. Der Aufgabenkreis der Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt sei weiterhin zum Wohle des Betreuten erforderlich. Die Aufgabenkreise notwendige ärztliche Behandlung / Gesundheitsfürsorge, Behördenangelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten sowie Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung erschienen hingegen nicht mehr gerechtfertigt, da der Betreute bei basaler Compliance seit 10 Jahren keinen akuten psychischen Krankheitsschub mehr gehabt habe und keine selbst- oder fremdgefährdenden Verhaltensweise mehr zeige. Die Krankheit und das daraus folgende Unvermögen zur Besorgung des Vermögens würden hingegen voraussichtlich lebenslang fortbestehen, so dass die Betreuung auf Dauer notwendig sei. Die einschlägigen medikamentösen therapeutischen Möglichkeiten mit Antipsychiotika würden angewandt. Eine Besserung des Krankheitsbildes sei über die bisher erreichte Stabilisierung nicht zu erwarten. Der systematisierte Größenwahn und der teilweise verlorene Realitätsbezug bei Verschleierung der psychotischen Symptomatik im Sinne einer „doppelten Buchführung“ seien in den letzten 15 Jahren mit medikamentöser Behandlung nicht durchgreifend beeinflussbar gewesen. Der Betreute sei nur beschränkt zur freien Willensbildung fähig und deshalb partiell geschäftsunfähig. Er könne krankheitsbedingt die Für und Wider die Betreuung für den Aufgabenkreis Vermögenssorge sprechenden Umstände nicht nach vernünftigen Maßstäben gegeneinander abwägen, ihre Sinnhaftigkeit nicht einsehen und dementsprechend keinen freien Willen zu dieser Entscheidung bilden.
Das Gericht hat das Gutachten des Sachverständigen L. einer kritischen Würdigung unterzogen, hält es aber für überzeugend und nachvollziehbar. Der Sachverständige leitet seine Feststellungen und Schlussfolgerungen schlüssig aus den ihm zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen, insbesondere der Untersuchung des Betreuten und der Krankengeschichte, her. Der Sachverständige differenziert eingehend, inwieweit die Betreuung noch bzw. nicht mehr erforderlich ist.
Die vom Beschwerdegericht durchgeführte Anhörung am 10.04.2019 bestätigt letztendlich die Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen. Der Betreute ist zwar ein ausgesprochen freundlicher und zugewandter Gesprächspartner. Bei der Gesprächsführung ist aber schnell zu bemerken, dass der Betreute das vom Sachverständige schlagwortartig als „doppelte Buchführung“ dargestellte Verhalten zeigt: Der Betreute ist sich darüber bewusst, welche Umstände für sein angestrebtes Ziel der Aufhebung der Betreuung negativ sein könnten, und versucht, seine tatsächlichen Überlegungen bzw. Gedanken zu diesen Punkten nicht offenzulegen. So war bei der Anhörung deutlich erkennbar, dass der Betreute die Punkte „fehlende Krankheitseinsicht“ und „Patentierung von Erfindungen“ als problematisch erkannt hatte und er daher systematisch zu diesen Punkten einen für sein Ziel, die vollständige Aufhebung der Betreuung, positiven Eindruck zu erwecken versuchte, indem er sich darum bemühte, eine ausreichende Krankheitseinsicht zu behaupten und seine Erfindungen bzw. darauf aufbauende Pläne zu relativieren. Letztendlich schließt sich das Beschwerdegericht aber der fundierten medizinischen Einschätzung des Sachverständigen L. an, dass dies nichts am Umfang der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen des Betroffenen und der damit einhergehenden noch bestehenden Betreuungsbedürftigkeit ändert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.


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