Familienrecht

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Aktenzeichen  26 UF 928/21

Datum:
18.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33306
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

26 UF 928/21 2021-09-08 Bes OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten … gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 12.08.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligte … und der Beteiligte … sind die Eltern des gemeinsamen Kindes…, geboren am 07.11.2008.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.07.2021 beantragte die Beteiligte…, ihr die Entscheidung darüber zu übertragen, das gemeinsame Kind … wegen Covid-19 mit einem von der STIKO empfohlenen Impfstoff für Jugendliche von 12-15 Jahren impfen zu lassen.
Mit Beschluss vom 12.08.2021 gab das Amtsgericht München diesem Antrag statt.
Am 17.08.2021 erhielt … die 1. Impfung. Nebenwirkungen oder Komplikationen ergaben sich nicht.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.08.2021 legte der Beteiligte … Beschwerde ein und beantragte,
die Entscheidung des Familiengerichts München vom 12.08.2021 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Soweit sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache bereits durch Durchführung der 1. Impfung erledigt hat, beantragte der Beteiligte …, gemäß § 62 Abs. 1 FamFG auszusprechen, dass die Entscheidung des Gerichts des 1. Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat.
Schließlich beantragte der Beteiligte …,
die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 64 Abs. 3 FamFG auszusetzen.
Die Beteiligte … beantragte,
sowohl die Beschwerde als auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 12.08.2021 wies das Oberlandesgericht München den Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 12.08.2021 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Beschlusses Bezug genommen.
Am 10.09.2021 erhielt … die 2. Impfung. Nebenwirkungen oder Komplikationen ergaben sich wiederum nicht.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.10.2021 teilte der Beteiligte … mit, dass sich die Angelegenheit durch die zwischenzeitliche Vornahme der 2. Impfung nicht erledigt habe und die Beschwerde aufrechterhalten bleibe.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Obwohl … mittlerweile die 1. und die 2. Impfung gegen Covid-19 erhalten hat, hat sich die Hauptsache nicht erledigt.
Vorliegend hat die Beteiligte … einen Antrag gemäß § 1628 BGB gestellt betreffend die Vornahme der Impfung gegen Covid-19.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 12.08.2021 wurde hierüber entschieden und der Beteiligten … die Entscheidung übertragen, das gemeinsame Kind … wegen Covid-19 mit einem von der STIKO empfohlenen Impfstoff für Jugendliche von 12-15 Jahren impfen zu lassen.
Zu Recht weist der Beteiligte … jedoch darauf hin, dass künftig Auffrischungs- bzw. Folgeimpfungen zu erwarten sind.
Da eine Entscheidung über die Verabreichung von Impfungen sinnvollerweise nur einheitlich zu treffen ist (BGH, Beschluss vom 03.05.2017, XII ZB 157/16, Rn. 20), umfasst der Beschluss des Amtsgerichts München vom 12.08.2021 nicht nur die derzeit von der STIKO empfohlenen Erst- und Zweit-Impfungen gegen Covid-19 für alle 12 bis 17-Jährigen, sondern auch etwaige gegebenenfalls in der Zukunft von der STIKO empfohlenen Auffrischungs- bzw. Folgeimpfungen gegen Covid-19.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet, da das Amtsgericht zu Recht der Beteiligten … die Entscheidung übertragen hat, das gemeinsame Kind … wegen Covid-19 mit einem von der STIKO empfohlenen Impfstoff für Jugendliche von 12-15 Jahren impfen zu lassen.
a) Zur Begründung wird insoweit zunächst vollinhaltlich auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 08.09.2021 Bezug genommen, an denen der Senat auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage festhält.
b) Die ergänzenden Ausführungen im anwaltlichen Schriftsatz vom 08.10.2021 geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
aa) Der BGH hat in seinem Beschluss vom 03.05.2017 (Aktenzeichen XII ZB 157/16, Rn. 23 ff.) ausdrücklich ausgesprochen, dass es nicht zu beanstanden sei, bei der Entscheidung gemäß § 1628 BGB von den Impfempfehlungen der STIKO auszugehen, zumal die Impfempfehlungen der STIKO in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt seien.
Der Senat sieht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzuweichen aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Covid-19-Impfung nicht um eine langjährig bewährte Standardimpfung, sondern um einen völlig neuen Impfstoff handelt.
Denn es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Expertenkommission der STIKO auch und gerade bei der Impfung gegen Covid-19 eine sehr sorgfältige Prüfung angestellt und unter Abwägung aller sachverständigen Erkenntnisse die entsprechende Impfempfehlung für 12-17-Jährige ausgesprochen hat.
bb) Soweit der Beteiligte … vorbringt, dass bei dem Kind … durch seine Vorerkrankung besondere Einzelfallumstände vorliegen, führt dies ebenfalls zu keiner abweichenden Entscheidung.
Denn wie der Senat bereits im Beschluss vom 08.09.2021 ausgeführt hat, liegt es, ausgehend von der Impfempfehlung der STIKO, letztendlich alleine in der Verantwortung der Ärzte, die die Impfungen durchführen, die konkreten Impfrisiken für das Kind in Anbetracht der Vorerkrankungen zu berücksichtigen und dementsprechend die Impfung durchzuführen oder nicht.
Wie sich aus den vom Beteiligten … vorgelegten Dokumentationen der Erst- und Zweitimpfung ergibt, wurde jeweils als chronische Erkrankung angegeben „Zerebrovaskuläre Erkrankung/Schlaganfall/andere neurologische Erkrankungen“. Damit waren den Ärzten die besonderen Einzelfallumstände bekannt und sie konnten diese bei ihrer ärztlichen Beurteilung, die Impfung durchzuführen oder nicht, berücksichtigen.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens für die Entscheidung über den Antrag gemäß § 1628 BGB besteht daher nach Auffassung des Senats keine Veranlassung.
cc) Soweit der Beteiligte … vorbringt, dass die üblicherweise im Impfzentrum tätigen Ärzte gar nicht in der Lage seien, die möglicherweise für …bestehenden besonderen Risiken tatsächlich abzuschätzen, da davon auszugehen sei, dass sich diese Impfärzte mit der besonders seltenen genetischen Vorerkrankung von … noch nie befasst haben und etwaige Auswirkungen oder Spätwirkungen der Impfung insoweit gar nicht einschätzen können, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen.
Denn dieser Vortrag unterstellt den Impfärzten letztlich, keine Ahnung von … Vorerkrankungen zu haben und trotzdem (leichtfertig) die Impfung durchzuführen. Diese gewagte Einschätzung teilt der Senat nicht.
c) Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass bei beiden mittlerweile durchgeführten Impfungen keine Nebenwirkungen und Komplikationen auftraten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
IV.
Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 45 Abs. 1 Nummer 1 FamGKG.
V.
Es besteht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Der Senat wendet die vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretene rechtliche Beurteilung bei Entscheidungen gemäß § 1628 BGB über Impfungen an. Soweit ersichtlich gibt es für Covid-19-Impfungen keine abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte.
Ebenso wenig gebietet die Fortentwicklung des Rechts die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn die Fragen im Zusammenhang mit Impfungen entsprechend den STIKO Empfehlungen sind geklärt.


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