Familienrecht

Durchsuchung zum Zwecke der Sicherstellung eines Reisepasses, vollstreckungsrechtlicher Wohnungsbegriff, Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, Wohnungseigenschaft bei Inhaftierung, Bezugspunkt zur Wohnung durch darin lebende Angehörige

Aktenzeichen  AN 5 X 22.00734

Datum:
31.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10776
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 37 Abs. 3 Satz 1
AufenthG § 50 Abs. 5
GG Art. 13
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Der vollstreckungsrechtliche Wohnungsbegriff (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) ist nicht mit dem sachenrechtlichen Besitz bzw. mit Gewahrsam an der Sache identisch.
2. Eine längerfristige Abwesenheit, etwa wegen der Verbüßung einer Strafhaft, hebt die Eigenschaft als Wohnung im vollstreckungsrechtlichen Sinn nicht auf, wenn eine Verbindung zur Wohnung, etwa durch darin lebende Angehörige besteht, und der Inhaftierte nach der Verbüßung voraussichtlich in die Wohnung zurückkehren wird.

Tenor

1. Den Bediensteten der Zentralen Ausländerbehörde … bzw. den mit der Vollstreckung beauftragten Polizeibeamten wird gestattet, die Wohnung des Antragsgegners in: … …, … … zum Zwecke der Sicherstellung des Originalreisepasses der Republik Pakistan des Antragsgegners … …, geboren am … 1989 (Nr. …, ausgestellt am …, gültig bis …) zu betreten und zu durchsuchen. Zudem wird gestattet, verschlossene Türen und Behältnisse zu diesem Zweck zu öffnen und zu durchsuchen.
2. Der Beschluss ist bis Ablauf des 2. Mai 2022 gültig.
3. Von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass eines Beschlusses wird abgesehen.
4. Der Antragsteller wird beauftragt, den vorliegenden Beschluss und eine Zweitschrift des Antrags vom 7. März 2022 dem Antragsgegner bzw. der weiteren volljährigen Wohnungsinhaberin zu Beginn der Durchführung der Maßnahme zu 1) zuzustellen bzw. auszuhändigen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die gerichtliche Gestattung des Betretens und der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung eines Reisepasses.
Der am … 1989 geborene Antragsgegner ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2010 auf dem Landweg über den Iran und die Türkei nach Griechenland und später nach Österreich ein, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 abgelehnt und die Ausweisung gegen den Antragsgegner nach Pakistan verfügt. Am 26. Oktober 2012 reiste der Antragsgegner nach Deutschland ein und stellte am 4. Dezember 2012 unter Angabe eines falschen Nachnamens auch hier einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 19. Januar 2016 lehnte das Bundesamt für … den Antrag als Zweitantrag ab und drohte u.a. die Abschiebung insbesondere nach Pakistan an. Eine Klage gegen diesen Bescheid nahm der Antragsgegner teilweise zurück, teilweise wurde sie mit Urteil vom 7. Dezember 2016 (Az. …) abgewiesen. Ab 2. Mai 2016 erhielt der Antragsgegner Duldungsbescheinigungen, die seither laufend verlängert wurden, ab 1. Februar 2018 auf den in den offiziellen Dokumenten seines Herkunftsstaates vermerkten Namen.
Das Landgericht … verurteilte den Antragsgegner mit Urteil vom 25. November 2021 (Az.: …), welches seit dem 3. Dezember 2021 rechtskräftig ist, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten.
Seit 6. März 2021 befindet sich der Antragsgegner in Haft; zuerst in Untersuchungshaft und seit Dezember 2021 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt … Bis zu seiner Inhaftierung lebte der Antragsgegner mit seiner deutschen Lebensgefährtin zusammen, die unter der Adresse … …, … wohnt, wo beide seit 23. Oktober 2020 gemeldet sind. Vorher lebte das Paar seit 12. Juni 2019 in …, … Mit der Lebensgefährtin hat der Antragsgegner zwei im gleichen Haushalt lebende Kinder (…, geb. … 2019, sowie …, geb. … 2021).
Der Antragsgegner hat im Bundesgebiet eine weitere Tochter (…, geb. am … 2017). Auf entsprechende Fragen in einem Schreiben des Antragstellers vom 21. Februar 2022 antwortete die Mutter dieses Kindes in einer E-Mail vom 23. Februar 2022, ihre Tochter habe keinerlei Bezug zum Vater und es bestehe seit einer Gerichtsverhandlung im Juni 2018 kein Kontakt mehr.
Laut Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt … vom 25. Februar 2022 erhielt der Antragsgegner in der Haft bisher Besuch von seinem Bruder und einem Bekannten. Mit seiner Lebensgefährtin, die in … wohne, telefoniere er regelmäßig. Zur drohenden Abschiebung befragt, habe der Antragsgegner mehrfach geäußert, dass er keinesfalls nach Pakistan abgeschoben werden möchte, da er sich zu diesem Land nicht zugehörig fühle und er nicht ohne seine Lebensgefährtin und seine drei Kinder in Deutschland leben möchte. Er teile sich das gemeinsame Sorgerecht für die beiden Kinder mit seiner Lebensgefährtin. Er habe berichtet, dass seine Kinder ihn brauchten und er seine Lebenspartnerin nach seiner Entlassung bei ihren gesundheitlichen Problemen unterstützen möchte, sowie auch für seine beiden Kinder als Vater da sein möchte. Vor seiner Inhaftierung habe er einen festen Arbeitsplatz gehabt und könne dort unmittelbar nach der Haftentlassung wieder arbeiten. In der Behördenakte befindet sich u.a. ein Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Bauhelfer ab 4. November 2019 (6 Monate Probezeit).
Bereits mit Schreiben vom 2. Mai 2016 wurde der Antragsgegner durch die damals zuständige Ausländerbehörde aufgefordert, einen gültigen Pass oder Passersatz bzw. Urkunden und sonstige Unterlagen vorzulegen, die für die Feststellung seiner Identität von Bedeutung sein können.
Der Antragsgegner legte am 13. Juni 2017 eine pakistanische Geburtsurkunde, ausgestellt am 2. November 2016, No. … vor, die ihm am 5. Februar 2018 wieder ausgehändigt wurde. Eine am 9. Januar 2017 ausgestellte pakistanische nationale ID-Karte (in der für den Antragsgegner eine deutsche Adresse eingetragen ist) mit der Nummer …, die der Antragsgegner am 28. Februar 2018 und am 27. Juli 2018 vorgelegt hatte, befindet sich in den Akten des Antragstellers.
Am 17. Februar 2018 erstattete der Antragsgegner bei der Polizeiinspektion … eine Verlustanzeige, wonach er einen Reisepass am 16. Februar 2018 in der Fußgängerzone in … verloren habe. Ausweislich eines Schreibens des pakistanischen Generalkonsulats vom 19. Februar 2018 beantragte der Antragsgegner einen neuen Reisepass.
Am … wurde dem Antragsgegner der neue, bis … gültige Reisepass mit der Nummer … ausgestellt, den der Antragsgegner der damals zuständigen Ausländerbehörde vorlegte. Dieser wurde ihm am 29. August 2018 wieder ausgehändigt. In den Jahren 2019, 2020 und 2021 wurden die Duldungsbescheinigungen für den Antragsgegner in diesen Reisepass eingeklebt. Laut einem in der Behördenakte befindlichen polizeilichen Ermittlungsbericht des Kriminalfachdezernats …/ Kommissariat …, … vom 6. März 2021 wurde an diesem Tag – nach der Festnahme des Antragsgegners – die Wohnung in … durch die Polizei aufgesucht. Dort sei die Lebensgefährtin des Antragsgegners angetroffen worden. Diese habe den pakistanischen Reisepass des Antragsgegners vorgelegt.
Mit Schreiben vom 9. August 2021 forderte der Antragsteller den Antragsgegner unter Verwendung der Anschrift der Justizvollzugsanstalt zur Vorlage seines Reisepasses und seiner Geburtsurkunde auf. Mit Schreiben vom 18. August 2021 erklärte der Bevollmächtigte des Antragsgegners, dieser habe in der Justizvollzugsanstalt keinen Zugriff auf seine Dokumente. Der Bevollmächtigte werde sich mit der Lebensgefährtin des Antragsgegners in Verbindung setzen um zu klären, inwieweit die angeforderten Dokumente bei dieser vorhanden seien. Mit Schreiben vom 30. August 2021 ergänzte der Bevollmächtigte, er habe die Lebensgefährtin darum gebeten, die Unterlagen zu suchen und postalisch dem Antragsteller zu schicken. Mit Schreiben vom 6. September 2021 ergänzte er, die Lebensgefährtin habe die Unterlagen verschickt.
Am 22. September erklärte die Lebensgefährtin des Antragsgegners laut einem Aktenvermerk des Antragstellers gegenüber diesem, sie habe die Dokumente am 6. September 2021 zur Post gegeben. Eine Sendungsnachverfolgung habe sie nicht veranlasst.
Am 22. September 2021 erstattete die Lebensgefährtin des Antragsgegners eine Verlustanzeige bei der Polizeiinspektion … Darin gab sie an, zwischen 5. September 2021 und 22. September 2021 einen am 9. Januar 2017 ausgestellten Personalausweis des Antragsgegners mit der Nummer … und eine Geburtsurkunde des Antragsgegners verloren zu haben. Als ihre Anschrift nannte sie die …, … Mit an den Bevollmächtigten des Antragsgegners adressiertem Bescheid vom 7. Februar 2022 forderte der Antragsteller den Antragsgegner auf, den Reisepass …, ausgestellt am …, gültig bis … bei der Zentralen Ausländerbehörde … zum Zweck der amtlichen Verwahrung bis zum 18. Februar 2022 vorzulegen und auszuhändigen (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehbarkeit wurde angeordnet (Ziffer2). Für den Fall, dass die unter Ziffer 1 festgelegte Verpflichtung nicht bis zum 18. Februar 2022 nach Zustellung erfüllt wird, wurde angedroht, den Reisepass zwangsweise durch Polizeibeamte einzuziehen (Ziffer 3). Der Bescheid wurde laut Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten des Antragsgegners am 8. Februar 2022 zugestellt.
Nach Aktenlage legte der Antragsgegner keinen Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 7. Februar 2022 ein. Mit Schreiben vom 18. Februar 2022 beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners lediglich gegenüber dem Antragsteller die Aufhebung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 7. Februar 2022. Er nahm u.a. dahingehend Stellung, dass sich die angeforderten Dokumente nicht in der Verfügungsmacht des Antragsgegners befänden. Der Antragsgegner habe bereits aufgrund des Schreibens des Antragstellers vom 9. August 2021 mitgeteilt, dass er sich hinsichtlich des Verbleibs der Unterlagen nicht sicher sei und sich diese jedenfalls nicht in seinem Besitz befänden. Der Bevollmächtigte habe Kontakt zur Lebensgefährtin des Antragsgegners aufgenommen und diese gebeten, die Unterlagen zu suchen und an den Antragsteller zu übermitteln. Aufgrund der Verlustanzeige der Lebensgefährtin lasse sich die Androhung von unmittelbarem Zwang gegenüber dem inhaftierten Antragsgegner nicht rechtfertigen. Hinsichtlich des Anhörungsschreibens vom 25. Januar 2022 zur Ausweisung machte der Bevollmächtigte geltend, der Antragsgegner sei nach einer Abschiebung nicht in der Lage, Naturalunterhalt für seine beiden jüngeren Kinder zu leisten. Der Lebensgefährtin des Antragsgegners drohe nach dem Ende ihrer Elternzeit die Arbeitslosigkeit, da sie ohne Mithilfe des Antragsgegners bei der Kinderbetreuung ihre bisherige Stelle nicht mehr ausüben könne. Bei der mittleren Tochter bestehe aufgrund angeborener Schwerhörigkeit und Entwicklungsverzögerungen ein erhöhter Betreuungsaufwand (ein Leistungsbescheid nach SGB IX wurde beigefügt). Bei der Lebensgefährtin bestehe der Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs.
Mit Schriftsatz vom 8. März 2022 hat der Antragsteller beantragt,
1.Den Bediensteten der Zentralen Ausländerbehörde … bzw. den mit der Vollstreckung beauftragten Polizeibeamten wird gestattet, die Wohnung in: … …, … … zum Zwecke der Sicherstellung des Originalreisepasses des Antragsgegners … …, …1989 der Republik Pakistan (Nr. … ausgestellt am …, gültig bis …) zu betreten und zu durchsuchen. Zudem wird gestattet, verschlossene Türen und Behältnisse zu diesem Zweck zu öffnen und zu durchsuchen.
2.Die Wohnungsinhaberin, Frau … … geb. am …1985 und weiteren Personen, welche die zu durchsuchenden Räume ggf. benutzen, werden verpflichtet, die Durchsuchung zu dulden.
3.Der Beschluss ist einen Monat ab seinem Erlass gültig.
4.Von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass eines Beschlusses wird abgesehen.
5.Der Antragsteller wird beauftragt, den vorliegenden Beschluss und eine Zweitschrift dieses Antrags vom 07.03.2022 dem Antragsgegner und der Wohnungsinhaberin zu Beginn der Durchführung der Maßnahme zu 1) zum Zwecke der Zustellung auszuhändigen.
Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, der Antragsgegner sei vollziehbar ausreisepflichtig und mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Seine Lebensgefährtin habe gegenüber der zuständigen Sachbearbeiterin des Antragstellers mitgeteilt, dass sich seine Originaldokumente in ihrer Wohnung in … befänden. In einem weiteren Telefonat im August 2021 sei die Lebensgefährtin gebeten worden, die Originaldokumente gegen Empfangsbekenntnis persönlich bei der Dienststelle abzugeben und nicht per Post zu versenden. In der Verlustanzeige seien lediglich der Personalausweis und die Geburtsurkunde des Antragsgegners, nicht der Reisepass, aufgeführt. Die Angaben der Verlustanzeige seien widersprüchlich. Der am 9. Januar 2017 ausgestellte Personalausweis habe nicht verschickt werden können, da er sich beim Antragsgegner befinde. Des Weiteren sei als Anschrift der Verliererin die … in … angegeben, wo sie seit 23. Oktober 2020 nicht mehr gemeldet sei. Aufgrund dieser Widersprüche und der Behauptung, dass die Originaldokumente – entgegen ausdrücklicher Aufforderung – per Post und zudem ohne Sendungsnachweis verschickt worden seien, ergäben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Versand nicht stattgefunden habe und die Lebensgefährtin weiterhin im Besitz der Dokumente sei. Rechtsgrundlage für den Erlass eines Betretens- und Durchsuchungsbeschlusses sei Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG i.V.m. Art. 13 GG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen seien erfüllt. Der Antragsgegner sei der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 7. Februar 2022 bislang nicht nachgekommen. Da der Reisepass nicht als verloren gemeldet sei, sei die tatsächliche Erfüllbarkeit der Verpflichtung gegeben. Selbst wenn es sich um einen Schreibfehler gehandelt habe, sei davon auszugehen, dass keine Versendung per Post stattgefunden habe. Der Lebensgefährtin sei nicht daran gelegen, eine Abschiebung durch Herausgabe der Dokumente zu unterstützen, weshalb von Vorspiegelung falscher Tatsachen ausgegangen werden könne. Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen seien ebenfalls erfüllt. Die Verhängung von Zwangsgeld sei nicht zielführend, weil der Antragsgegner aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindern wolle. Zudem sei er aufgrund der Inhaftierung ohne Geldmittel und ohne Einkommen. Der Begriff der Wohnung nach Art. 13 GG umfasse alle Bewohner eines Wohnraumes. Die Inhaftierung des Antragsgegners begründe keine Wohnsitznahme. Die Durchsuchung sei auch verhältnismäßig. Die Gestattung zur Wohnungsdurchsuchung müsse ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergehen.
Zum weiteren Sachverhalt wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Gestattung des Betretens und der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners ist begründet.
Für die beantragte Gestattung des Betretens und der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Hinsichtlich der beantragten Durchsuchungsanordnung liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Die Durchsuchungsanordnung dient dazu, den Bescheid des Antragstellers vom 7. Februar 2022, der im Vollzug aufenthaltsrechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Vorschriften ergangen ist, mit einem Zwangsmittel zu vollstrecken. Die Streitigkeit ist auch keinem anderen Gericht, insbesondere nicht dem Amtsgericht, zugewiesen, da der Antragsteller und nicht die Polizei den Antrag auf Gestattung der Durchsuchung stellt. Die Polizei wird deshalb nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 PAG, Art. 3 PAG in eigener Zuständigkeit tätig, sondern leistet dem Antragsteller, wenn sie damit beauftragt wird, gegebenenfalls unselbständige Vollzugshilfe (Art. 2 Abs. 3 PAG, Art. 67 Abs. 1 PAG), sodass Art. 23, Art. 25 PAG nicht, auch nicht analog, anwendbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 21).
Rechtsgrundlage für die Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Einziehung eines Reisepasses ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG (zur insoweit vergleichbaren Sicherstellung im Waffenrecht siehe BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 23). Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamte, soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, befugt, die Wohnung des Pflichtigen zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Für das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG bedarf es einer richterlichen Gestattung. Zwar schreibt Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, anders als Art. 24 Abs. 1 PAG, eine vorherige richterliche Gestattung nicht ausdrücklich vor. Die Vorschrift ist aber verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Richtervorbehalt auch hier gilt. Gemäß Art. 13 Abs. 2 GG dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden. Unter einer Durchsuchung ist auch das ziel- oder zweckgerichtete Suchen nach einer Sache zu verstehen, um sie sicherzustellen (BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36/06 – juris Rn. 3). Deshalb ist über die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zur Sicherstellung seines Reisepasses vom Verwaltungsgericht zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 24).
Prüfungsumfang und Prüfungsmaßstab bei einer Entscheidung über den Antrag auf die Durchsuchung einer Wohnung ergeben sich in erster Linie aus den Bestimmungen, die die Voraussetzungen für die Durchsuchung festlegen. Zwar darf die Einschaltung eines Richters vor der Durchsuchung einer Wohnung nicht bloße Formsache sein, jedoch ist der Richter auch nicht zur Nachprüfung bereits vollstreckbarer behördlicher Maßnahmen eingeschaltet. Aus Art. 13 Abs. 2 GG folgt hinsichtlich des Prüfungsumfangs und des Prüfungsmaßstabes lediglich, dass die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Anforderungen an eine Durchsuchung als solche richterlich überprüft werden müssen. Dazu zählt insbesondere auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit speziell im Hinblick auf die Frage, ob die zu vollstreckende Maßnahme den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigt (siehe zum Prüfungsumfang und -maßstab BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25).
Die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG für das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners sind erfüllt.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 18, 19 VwZVG liegen vor. Der Bescheid des Antragstellers vom 7. Februar 2022, zugestellt am 8. Februar 2022, ist ein wirksamer Verwaltungsakt, der den Antragsgegner in Ziffer 1 zur Herausgabe seines Reisepasses mit der Nummer … verpflichtet. Dieser Verwaltungsakt ist auch vollstreckbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), weil in Ziffer 2 des Bescheides die sofortige Vollziehung der Verpflichtung aus Ziffer 1 angeordnet wurde. Im Übrigen ist der nicht angefochtene Bescheid vom 7. Februar 2022 inzwischen auch bestandskräftig. Der Antragsgegner ist seiner Verpflichtung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen, Art. 19 Abs. 2 VwZVG.
Die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 7. Februar 2022 ist möglich. Die Inhaftierung des Antragsgegners steht dem nicht entgegen, da die Herausgabe des Reisepasses mit Hilfe seiner Lebensgefährtin möglich ist, was sich bereits daraus ergibt, dass die Lebensgefährtin angegeben hat, den Personalausweis und eine Geburtsurkunde dem Antragsgegner übersandt zu haben. Der pakistanische Reisepass befindet sich auch in der Wohnung des Antragsgegners. Dies ergibt sich daraus, dass ihn die Lebensgefährtin des Antragsgegners am 6. März 2021, dem Tag der Inhaftierung des Antragsgegners, Polizeibeamten zeigte, während sie sich in der gemeinsam mit dem Antragsgegner bewohnten Wohnung an der Adresse … …, … aufhielt. Der Antragsgegner konnte den Reisepass aufgrund seiner Inhaftierung danach nicht an sich nehmen. Die Verlustanzeige der Lebensgefährtin vom 22. September 2021 umfasst den Reisepass nicht, sondern nur eine Geburtsurkunde und einen Personalausweis. Vollstreckt werden soll nur einer Verpflichtung zur Herausgabe des Reisepasses, nicht der Geburtsurkunde oder des Personalausweises. Von einer Verwechselung von Personalausweis und Reisepass durch die Lebensgefährtin ist nicht auszugehen, da in der Verlustanzeige das Ausstellungsdatum des Personalausweises und dessen Nummer genau vermerkt sind.
Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 29, 34, 36, 37 VwZVG sind vorliegend ebenfalls gegeben.
Grundsätzlich kann die Vollstreckungsbehörde nach Art. 29 Abs. 2 Nr. 4, 34 Satz 1 VwZVG den Verwaltungsakt durch unmittelbaren Zwang nur vollziehen, wenn die sonstigen zulässigen Zwangsmittel nicht zielführend sind oder beim Pflichtigen einen erheblich größeren Nachteil verursachen würden oder ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt. Da im vollziehbaren – und, soweit nach Aktenlage ersichtlich, auch bereits bestandskräftigen – Bescheid vom 7. Februar 2022 jedoch unmittelbarer Zwang bereits wirksam angedroht worden ist, ist die Frage, ob es sich dabei um das richtige Zwangsmittel handelt, im vorliegenden Verfahren nicht mehr erheblich. Denn die tatsächlichen Handlungen der Vollstreckungsbehörde sind bei eigener Vornahme bereits durch die Androhung rechtlich vorweggenommen, sodass die Wahl des Zwangsmittels insofern keine selbständige Rechtsverletzung i.S.d. Art. 38 Abs. 3 VwZVG mehr darstellt (VG München, U.v. 3.12.2015 – M 17 K 15.4370 – juris Rn. 44 f.).
Im Übrigen wären die sonstigen Zwangsmittel, insbesondere die Verhängung von Zwangsgeld, hier auch nicht zielführend. Der Antragsgegner hat seinen pakistanischen Reisepass trotz Aufforderungen vom 9. August 2021 und 7. Februar 2022 nicht vorgelegt. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner weiß, dass ein Reisedokument für eine Abschiebung benötigt wird und dass er seine Abschiebung befürchtet. Nach der Ablehnung seines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich stellte der Antragsgegner einen Asylantrag unter falschem Namen in Deutschland und legte keinen Reisepass oder sonstige Identitätsdokumente vor, obwohl er solche besaß. Dadurch verhinderte er nach Abschluss des Asylverfahrens zunächst die Durchsetzung der Ausreisepflicht. Erst im zeitlichen Zusammenhang mit einem Passersatzpapierverfahren und als er aufgrund seiner minderjährigen Kinder im Bundesgebiet Duldungen ausgestellt bekommen hatte, offenbarte er seine wahre Identität bzw. legte er einen Reisepass vor – eine Luftabschiebung mit Passersatzpapieren am 20. Februar 2018 wurde storniert, als die damals zuständige Ausländerbehörde erfuhr, dass dem Antragsgegner mit Gerichtsbeschluss vom 16. Januar 2018 das gemeinsame Sorgerecht für seine am … 2017 geborene Tochter übertragen worden war. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29. August 2019 beantragte der Antragsgegner auch eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, wobei der Antrag zurückgenommen wurde, nachdem die damals zuständige Ausländerbehörde u.a. mit Schreiben vom 11. November 2019 ihre Bereitschaft erklärte, im Falle der freiwilligen Ausreise ihre Vorabzustimmung zu einem Familiennachzug mit Visum zu erklären. Aufgrund der nunmehr erfolgten strafrechtlichen Verurteilung zu einer Haftstrafe und aufgrund des Anhörungsschreibens vom 25. Januar 2022 zur Ausweisung liegt es nahe, dass der Antragsgegner nun jedoch eine Aufenthaltsbeendigung ohne zeitnahe Rückkehrmöglichkeit fürchtet und deswegen seinen Reisepass – wie auch bereits während seines Asylverfahrens und in der Zeit bis zur Herstellung der Lebensgemeinschaft mit seinen zwei Kindern – beharrlich trotz Aufforderung nicht vorlegt. Aus den Gesamtumständen ist daher zu folgern, dass der Antragsteller den Reisepass nur unter Anwendung von Zwang wird erlangen können (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 5.6.2014 – OVG 3 S 71.13 -, juris Rn. 13). Die Vollstreckung im Wege der Androhung und Beitreibung von Zwangsgeldern verspricht zudem auch deswegen keinen Erfolg, da der Antragsgegner derzeit in Haft ist und kein Einkommen hat, sodass die tatsächliche Beitreibung von Zwangsgeldern praktisch scheitern würde und ihre Verhängung dadurch keine Beugewirkung hätte (vgl. VG Augsburg, B.v. 7.7.2017 – Au 6 K 17.632 – juris Rn. 21; vgl. OVG Schleswig-Holstein, B.v. 28.3. 2018 – 11 B 36/18 – juris Rn. 25).
Die Anwendung des unmittelbaren Zwanges wurde nach Maßgabe des Art. 36 Abs. 1 bis 3 und 7 VwZVG angedroht, insbesondere erfolgte die Androhung in Ziffer 3 des Bescheides vom 7. Februar 2022 schriftlich und wurde dem insoweit zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Antragsgegnerin am 8. Februar 2022 per Empfangsbekenntnis zugestellt (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die Frist zur Passherausgabe von zehn Tagen ist angesichts der Bedeutung der Angelegenheit und des mit der Erfüllung für den Antragsgegner verbundenen niedrigen Aufwands angemessen. Er müsste lediglich bspw. seine in … lebende Lebensgefährtin – die in der Vergangenheit den Antragsgegner mit ihrem Pkw bspw. auch zum Arzt fuhr – veranlassen, einen Gegenstand, seinen Pass, zur ca. 12 km von der gemeinsamen Wohnung entfernten Zentralen Ausländerbehörde … in … zu bringen.
Es steht einer Vollstreckung im Wege der Wohnungsdurchsuchung auch nicht entgegen, dass hier der unmittelbare Zwang in Form der zwangsweisen Einziehung des Passes durch Polizeibeamte angedroht wurde, ohne das Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Antragsgegners konkret in den Raum zu stellen. Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG bedarf es zwar der Androhung eines bestimmten Zwangsmittels, d.h. es muss deutlich gemacht werden, welches der vier Zwangsmittel i.S.d. Art. 29 Abs. 2 VwZVG angewendet werden soll. Dies hat der Antragsteller getan, indem er die Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht hat. Die nähere Bezeichnung der Anwendung des unmittelbaren Zwangs oder eine Umschreibung der Vollstreckungshandlungen sind nach dieser Norm jedoch nicht erforderlich (Bader/Ronellenfitsch/Deusch/Burr, BeckOK VwVfG, Stand 1.4.2021, § 13 Rn. 20), zumal zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses regelmäßig noch gar nicht ersichtlich ist, welcher konkreten Form des unmittelbaren Zwangs es im Einzelfall bedürfen wird (Fehling/Kastner/Störmer/Lemke, 5. Aufl. 2021, § 13 VwVG Rn. 18).
Es handelt sich bei der Wohnung an der Adresse … …, … auch trotz der Inhaftierung des Antragsgegners um seine Wohnung i.S.d. Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG. Eine längerfristige Abwesenheit, etwa wegen der Verbüßung einer Strafhaft, hebt die Eigenschaft als Wohnung im vollstreckungsrechtlichen Sinn nicht auf, wenn eine Verbindung zur Wohnung, etwa durch darin lebende Angehörige besteht, und der Inhaftierte nach der Verbüßung voraussichtlich in die Wohnung zurückkehren wird.
Der Begriff der Wohnung ist in Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG nicht definiert. Im Hinblick auf die Tatsache, dass mit der Vorschrift eine Rechtsgrundlage für Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Wohnungsgrundrecht geschaffen wurde, ist dieser Begriff, parallel zum Begriff der Wohnung in Art. 13 GG und damit entsprechend weit auszulegen (vgl. VG München, G.v. 17.1.2022 – M 7 K 19.2567 – juris Rn. 25). Das Innehaben einer Wohnung i.S.d. Art. 13 GG ist schon aus normsystematischen Gründen nicht mit dem (einfachrechtlichen) sachenrechtlichen Begriff des Besitzes oder dem Gewahrsam an der jeweiligen Räumlichkeit gleichzusetzen (i. Erg. anders, da ab Rn. 12 nur noch auf zivilr. Besitz bzw. Gewahrsam abstellend, wohl auch aufgrd. des abw. Wortlauts des § 6 LVwVfG – VG Karlsruhe, B.v. 5.6.2019 – 1 K 1836/19 – juris). Ausschlaggebend für das Vorliegen einer Wohnung sind die subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit/Obdach, Öffentlichkeitsausschluss u. Ä.) sowie die objektive Erkennbarkeit; der Schutzbereich des Grundrechts hat auch eine soziale Komponente in Form eines persönlich-familiären Eigen(herrschafts) bereichs gegenüber dem Staat (Sachs/Kühne, 9. Aufl. 2021, Art. 13 GG Rn. 2; Rn. 8f.).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich trotz seiner Inhaftierung noch um die Wohnung des Antragsgegners. Er hat nach eigenen Aussagen die feste Absicht, nach seiner Inhaftierung wieder in die Wohnung zu seiner Familie zu ziehen. Die subjektive Bestimmung, ein Rückzugsort für den Antragsgegner zu sein, hat dieser also nicht aufgehoben. Die Rückkehr erscheint auch hinreichend wahrscheinlich, da ausweislich des Führungsberichts vom 25. Februar 2022 ein regelmäßiger Kontakt zur Lebensgefährtin besteht und die Verbindung also nicht abgebrochen ist. Anzeichen, dass keine objektive Erkennbarkeit der Wohnungseigenschaft mehr gegeben ist (bspw. Streichung vom Klingelschild) sind nicht ersichtlich. Die Familie des Antragsgegners lebt dort und es befinden sich auch seine Sachen in der Wohnung. Auch aus der Tatsache an sich, dass die Lebensgefährtin und zwei gemeinsame Kinder in der Wohnung leben, lässt sich aufgrund der sozialen Komponente des Wohnungsbegriffs die Wohnungseigenschaft ableiten. Ähnliches wird i.Ü. überwiegend auch zum Wohnungsbegriff in § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO – der grundsätzlich sogar enger ist als der Wohnungsbegriff des Art. 13 GG, weil § 178 ZPO nicht lediglich dem Schutz des Wohnungsinhabers dient, sondern dem Ausgleich zwischen dessen Interessen und denen des Zustellungsveranlassers (MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 178 ZPO Rn. 2) – vertreten: Nach überwiegender Auffassung wird zwar grundsätzlich bei einer länger als zwei Monate andauernden Haft die Wohnungseigenschaft aufgehoben, aber nur, wenn keine sonstigen Bezugspunkte zur Wohnung, insbesondere in Form von in der Wohnung lebenden Angehörigen, mehr gegeben sind (MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 178 ZPO Rn. 9 Fn. 52; Zöller/Schultzky, 34. Aufl., § 178 ZPO Rn. 6; Graf/Preisner, BeckOK OWiG Stand 1.1.2022, § 3 VwZG Rn. 14; OVG Münster, B.v. 14.6. 2011 − 14 B 515/11 – juris Rn. 5; BayObLG, B.v. 16.3.2004 – 2 ObOWi 7/2004 -, juris Rn. 11; die Nutzung der Wohnung zum Sammeln von Post als Bezugspunkt genügen lässt KG, B.v. 04.04.2017 – 3 Ws (B) 43/17 – Rn. 3 m.w.N.; a.A. Engelhardt/App/Schlatmann/Schlatmann, 12. Auflage, § 3 VwZG Rn. 19; VG Hamburg, U.v. 21.5.2014 – 15 K 3237/10 -, juris Rn. 49; HessLAG, U.v. 15.2.2007 – 11 Sa 429/06 – juris Rn. 20; BFH, U.v. 20.10.1987 – VII R 19/87 – juris Rn. 20).
Im Übrigen ist der Umstand, dass in der zu durchsuchenden Wohnung die Lebensgefährtin und die beiden gemeinsamen Kinder wohnen, kein rechtlicher Hinderungsgrund für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Zwar ist jeder Bewohner einer Wohnung Träger des Grundrechts aus Art. 13 GG. Die Wohnungsdurchsuchung kann jedoch schon dann richterlich angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen für die Durchsuchung gegen einen der Wohnungsinhaber vorliegen. Ein Mitbewohner kann sich nicht der Durchsuchung gegenüber einem anderen Mitbewohner unter Berufung auf Art. 13 GG widersetzen (BayVGH, B.v. 31.8.1994 – 4 C 94.1274 – BeckRS 1994, 15126).
Umstände, aufgrund derer eine Wohnungsdurchsuchung vorliegend als nicht verhältnismäßig erscheinen würde, sind nicht erkennbar. Insbesondere muss das Recht des Antragsgegners auf die Unverletzlichkeit seiner Wohnung (Art. 13 GG) unter den genannten Voraussetzungen angesichts der vom Antragsteller hier im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden öffentlichen Interessen (Verwahrung des Passes nach § 50 Abs. 5 AufenthG bis zur Ausreise) zurücktreten.
Im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung zwar insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Lebensgefährtin des Antragsgegners und die gemeinsame Tochter in ihren Rechten aus Art. 13 GG besonders betroffen werden. Gleichwohl ist der Eingriff zumutbar, zumal die Lebensgefährtin des Antragsgegners sowohl durch den Antragsgegner bzw. dessen Bevollmächtigten selbst erfahren hat, dass er zur Herausgabe des Reisepasses verpflichtet ist, als auch bereits telefonischen Kontakt mit der Behörde bezüglich der Herausgabe gehabt hat. Sie hatte auch Gelegenheit zur Herausgabe des Passes. Darüber hinaus steht es der Lebensgefährtin des Antragsgegners frei, durch die Herausgabe des Reisepasses eine Durchsuchung noch unmittelbar bei deren Bevorstehen abzuwenden. Die Durchsuchung ist daher auch vor dem Hintergrund der faktischen Betroffenheit der Lebensgefährtin und des Kindes angemessen.
Da die richterliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, war die Durchsuchungsanordnung zu befristen (vgl. BVerfG, B.v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/92 – juris Rn. 25 ff.).
Von einer Zustellung des Antrags an den Antragsgegner und seiner Anhörung vor Erlass und von der Zustellung des Beschlusses durch das Gericht kann ausnahmsweise abgesehen werden. Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt (BVerfG, B.v. 16.6.1982 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 54 mit Verweis auf die eigene Rspr.). In diesen Fällen ist der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz zu verweisen (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2015 – 1 BvR 625/15 – juris Rn. 19). Gerade bei einer vom Vollstreckungsgläubiger beantragten richterlichen Anordnung der Durchsuchung wird eine vorgängige Anhörung des Vollstreckungsschuldners in vielen Fällen den Vollstreckungserfolg gefährden (vgl. VG Augsburg, B.v. 12.1.2009 – Au 7 V 09.8 – juris Rn. 16). Die Durchsuchung bezweckt hier, den pakistanischen Reisepass des Antragsgegners aufzufinden, den dieser nicht von sich aus herausgeben wird. Dass der Vollstreckungserfolg durch eine vorherige Anhörung des Antragsgegners gefährdet wäre, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Aufgrund des vom Antragsteller glaubhaft dargelegten Vorverhaltens des Antragstellers muss nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Anhörung vor Erlass dieses Beschlusses den Vollstreckungserfolg gefährden würde. Somit konnte ohne Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG von einer Anhörung vor Erlass der Durchsuchungsgestattung abgesehen werden.
Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller zu beauftragen, diesen Beschluss im Wege der Amtshilfe gemäß § 14 VwGO unmittelbar bei Beginn der Durchsuchungsmaßnahme durch Übergabe i.S.d. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zum Zwecke der Zustellung auszuhändigen.


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