Familienrecht

Gesuch um Einsicht in Nachlassakten

Aktenzeichen  11 W 899/18

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2018, 644
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 13, § 357
BayAGGVG Art. 37 Abs. 1
JVKostG § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein – kostenfreies – bloßes Gesuch um Einsicht in Nachlassakten wird nicht dadurch zu einer – kostenpflichtigen – Justizverwaltungsangelegenheit, dass ein Nachlassverfahren (nach landesrechtlichen Vorschriften, hier Art. 37 Abs. 1 BayAGGVG) nicht durchgeführt wird, weshalb auch keine Nachlassakten vorhanden sind. (Rn. 8)

Tenor

Die weitere Beschwerde der Staatskasse vom 15.05.2018 gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 23.04.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Frage, ob die auf ein Gesuch um Akteneinsicht in Nachlassakten ergehende Mitteilung, wonach ein Nachlassverfahren nicht geführt wird, Kosten gemäß Nr. 1401 KV-JVKostG in Höhe von € 15,00 auslöst.
Die Beteiligte zu 1) beantragte am 24.11.2016 über ihre anwaltlichen Vertreter Einsicht in die Nachlassakten ihrer am … verstorbenen Mutter. Hierauf teilte das Amtsgericht Pfaffenhofen mit, die Erbenermittlung von Amts wegen sei unterblieben, da zum Nachlass kein Grundstück gehöre und ein die Beerdigungskosten übersteigendes Vermögen nicht vorhanden sei (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayAGGVG); ein Nachlassverfahren werde deshalb nicht durchgeführt.
Für diese Mitteilung setzte das Amtsgericht Kosten gemäß Nr. 1401 KV-JVKostG in Höhe von 15,00 € an. Dagegen wandte sich die Beteiligte zu 1) zunächst mit ihrer Erinnerung, die sie mit einem Verweis auf den Beschluss des OLG Koblenz vom 22.06.2016 – 14 W 295/16 begründete. Auf die Erinnerung hob das Amtsgericht Pfaffenhofen mit Beschluss vom 04.09.2017 den Kostenansatz auf und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, bei der Negativauskunft vom 28.11.2016 handle es sich nicht um eine Justizverwaltungsangelegenheit, weshalb auch die Verweisung in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Landesjustizkostengesetzes Bayern auf § 1 Abs. 2 JVKostG nicht zu einer Gebührenpflicht führen könne. Es handle sich vielmehr um ein Akteneinsichtsverlangen nach §§ 13 Abs. 7, 357 FamFG; der Umstand, dass im konkreten Falle ein Nachlassverfahren nicht eingeleitet worden sei, mithin auch keine Nachlassakte existiere, mache die Angelegenheit nicht zu einer solchen der Justizverwaltung. Bereits die Entscheidung, kein Nachlassverfahren einzuleiten, sei nämlich eine Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit und daher gebührenfrei. Hiergegen erhob der zuständige Bezirksrevisor am 20.09.2017 unter Verweis auf anderslautende obergerichtliche Entscheidungen Beschwerde: Nach der Entstehungsgeschichte des JVKostG solle die Negativauskunft ebenfalls Kosten auslösen; der Gesetzgeber habe gerade Fälle wie den vorliegenden im Auge gehabt. Daran ändere der Umstand, dass die fragliche Auskunft in § 1 Abs. 2 JVKostG nicht eigens aufgeführt sei, nichts, denn diese Bestimmung sei über Art. 1 Abs. 1 Satz 1 LJKostG Bayern anwendbar. Wenn es kein Nachlassverfahren gebe, könne sich ein entsprechendes Auskunftsbegehren auch nicht auf ein gerichtliches Verfahren beziehen. Mangels Nachlassakten im Sinne von §§ 13, 357 FamFG liege somit eine Justizverwaltungsangelegenheit vor.
Mit dem nunmehr angegriffenen Beschluss, in dem es die weitere Beschwerde im Sinne von § 66 Abs. 4 GKG zugelassen hat, wies das Landgericht die Beschwerde zurück; auf die ausführliche und erschöpfende Sachverhaltsdarstellung in dieser Entscheidung wird Bezug genommen: Nach Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen mehrerer Oberlandesgerichte führt die Kammer zur Begründung insbesondere aus, die Antragstellerin habe ausdrücklich Akteneinsicht in eine Nachlassakte beantragt; der eigentliche Sinn der gerichtlichen Mitteilung, wonach eine solche nicht angelegt sei, liege darin, eine an sich erforderliche Entscheidung über das Einsichtsgesuch nach §§ 13, 357 FamFG zu ersetzen; eine solche Entscheidung aber sei gebührenfrei. Soweit es keine Nachlassakte gegeben habe, in die man hätte Einsicht nehmen können, ändere dies nichts: Abzustellen sei auf das Begehren der Antragstellerin und den funktionalen Zusammenhang mit einem Nachlassverfahren. Das Ansinnen der Antragstellerin sei weder auslegungsnoch umdeutungsfähig; die Antragstellerin habe auch nicht etwa um bestimmte Auskünfte aus der Nachlassakte etc. gebeten. Dieser Sichtweise stünden auch die Gesetzesmaterialien nicht entgegen, denn das schlichte Begehren um Akteneinsicht werde davon nicht erfasst.
Am 15.05.2018 erhob die Staatskasse die zugelassene weitere Beschwerde und führt zu deren Begründung insbesondere eine Reihe von der Auffassung des Landgerichts entgegenstehenden OLG-Entscheidungen an: Wenn es kein Nachlassverfahren gebe, könne sich ein entsprechendes Auskunftsbegehren auch nicht auf ein gerichtliches Verfahren beziehen. Das Ersuchen der Antragstellerin um Akteneinsicht müsse auf jeden Fall beim Gericht zur Erteilung der Negativauskunft führen, andernfalls dies eine Umgehung der gesetzlichen Kostenbestimmung in KV-1401 JVKostG zur Folge hätte. Der Bezirksrevisor ergänzte die Begründung noch um den Gesichtspunkt, bei der beantragten Akteneinsicht gehe es – im Ergebnis – nur um die Auskunft, ob ein Nachlassverfahren anhängig sei oder nicht, weshalb das Ersuchen in ein Auskunftsersuchen „umgedeutet“ werden müsse. Nach Umdeutung liege ein Antrag auf Negativauskunft vor, der die entsprechende Gebühr auslöse.
II.
Die gemäß §§ 66 Abs. 3, 4 GKG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 JVKostG zulässige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; der Senat hält die Begründung des Landgerichts für überzeugend.
1. Die vom Bezirksrevisor angeführten, eine Kostenpflicht in vergleichbaren Fällen bejahenden, Beschlüsse (etwa OLG Hamm, Beschl. v. 07.07.2017 – 25 W 119/17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.08.2017 – 10 W 391/17 etc.) beachten auch nach Auffassung des Senates zu wenig die Unterscheidung zwischen einer Angelegenheit der Justizverwaltung einerseits und einer solchen der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits; demnach ist den überzeugenden Ausführungen in dem bereits von der Antragstellerin zitierten Beschlüssen des OLG Koblenz v. 22.06.2016 – 14 W 295/16 sowie des OLG Köln v. 08.01.2018 – 2 Wx 277/17 und v. 15.05.2017 – 2 Wx 108/17 zu folgen:
Zu Recht stellt das Beschwerdegericht in erster Linie darauf ab, die Antragstellerin habe ausdrücklich und unmissverständlich Akteneinsicht in Nachlassakten beantragt. Der Ansicht, wonach dieses klare Begehren – nur wegen Nichtanlage solcher Akten – in irgendwelche Auskunftsersuchen „umgedeutet“ werden müsse, vermag der Senat nicht näher zu treten: Ein Akteneinsichtsgesuch bleibt ein Akteneinsichtsgesuch auch dann, wenn es diesbezügliche Akten – warum auch immer – nicht gibt. Das Gesuch geht insoweit ins Leere bzw. kann nicht erfüllt werden, was beispielsweise auch dann der Fall wäre, wenn die Akten nicht mehr zur Verfügung stünden. Angenommen, es wären doch Nachlassakten angelegt worden und das Gericht hätte versehentlich eine unrichtige Negativauskunft erteilt, dann müsste nach der Argumentation der Beschwerde hierfür eine Gebühr erhoben werden – für eine Berichtigung und die anschließend doch mögliche Akteneinsicht hingegen würde ein solche nicht anfallen; das leuchtet nicht ein. Zu Recht betont das OLG Köln im Beschl. v. 08.01.2018, a.a.O., Tz 19, es könne für die Behandlung als ein eigenständiges Verfahren nach dem FamFG keinen Unterschied machen, ob eine Nachlassakte existiere oder nicht. Mit dem Landgericht ist deshalb davon auszugehen, dass ein – mangels vorhandener Akte erfolgloses bzw. ins Leere gehendes – Akteneinsichtsersuchen nach wie vor ein Akteneinsichtsgesuch bleibt; es verlässt damit nicht den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 13 Abs. 7, 357 FamFG – in jeder Hinsicht überzeugend OLG Köln, Beschl. v. 08.01.2018, a.a.O., Tz 18 f.).
2. Soweit die im Beschluss des Landgerichts erwähnte Einzelrichterentscheidung des Senates vom 22.11.2017 – 11 W 1162/17 dahingehend verstanden werden kann, dass darin eine andere Auffassung vertreten werde, hält der Senat an dieser Entscheidung nicht fest; es kommt demnach nicht mehr darauf an, ob die zugrunde liegenden Sachverhalte überhaupt vergleichbar sind bzw. ob die damalige Entscheidung vom Senat insgesamt hätte getroffen werden müssen.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei.
Eine Klärung der angesprochenen Frage durch den BGH ist wegen § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht möglich.
Einer gesonderten Übertragung des Beschwerdeverfahrens – das grundsätzliche Bedeutung aufweist – auf den Senat bedurfte es nicht, da das Landgericht als Kammer entschieden hat, vgl. § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO.


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