Familienrecht

Keine Kostenerstattung bei bloßer formeller Erledigung des Untätigkeitseinspruchs

Aktenzeichen  7 K 2111/17

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139705
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 77 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet. Die Familienkasse hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit dem von ihm eingelegten Untätigkeitseinspruch zu erstatten.
1. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Familienkasse dem Einspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Über ihren Wortlaut hinaus ist die Vorschrift auch auf Einsprüche gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung (BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25) und gegen die damit verbundene Rückforderung des Kindergelds anwendbar. Einspruch im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein sogen. Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO, der auf die erstmalige Kindergeldfestsetzung zielt (vgl. Finanzgericht – FG – Hamburg, Gerichtsbescheid vom 06. Juni 2017 – 5 K 148/16 -, juris; FG – Köln, Urteil vom 21.11.2012, 14 K 1020/12, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2013, 713; FG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2011, 7 K 3951/10 Kg, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2011, 7 K 85/11 Kg, EFG 2012, 529; Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz -DA-KGvom 13. Juli 2017, BStBl I 2017, 1006/1121 unter R 6.5).
2. Ein Einspruch – auch Untätigkeitseinspruch – ist jedoch nur „erfolgreich“ i.S.v. § 77 Abs. 1 EStG, wenn die Behörde zu Gunsten des Einspruchsführers tatsächlich über den Streitgegenstand des Einspruchsverfahrens entscheidet. Erledigt sich das Einspruchsverfahren dadurch, dass die Behörde lediglich aus anderen Gründen dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht, ist deshalb nicht von vorne herein von einem Erfolg des Einspruchs i.S.d. § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen; in diesem Fall hängt die Kostenerstattung davon ab, ob die Behörde, wenn man das erledigende Ereignis außer Betracht lässt, über den Streitgegenstand zugunsten des Klägers hätte befinden müssen (FG Düsseldorf, Urteil vom 07. August 2003 – 18 K 1088/03 Kg, EFG 2003, 1802.). In jedem Fall setzt die Kostenerstattungspflicht nach § 77 Abs. 1 FGO voraus, dass dem Begehren des Klägers bezüglich seines geltend gemachten Kindergeldanspruches ganz oder teilweise entsprochen wird. Eine bloße formelle Erledigung des Untätigkeitseinspruchs dahingehend, dass die Behörde über den gestellten Antrag entscheidet, ist nicht ausreichend. Erforderlich ist auch eine Entscheidung, mit der die Behörde das beantragte Kindergeld gewährt. Eine -wie im Streitfall – Entscheidung, mit der der gestellte Kindergeldantrag abgelehnt wird, entspricht dem materiell-rechtlichen Begehren des Antragstellers nicht und wird entgegen der Auffassung des FG Düsseldorf im Urteil vom 08. Juni 2011 7 K 85/11 Kg, EFG 2012, 529 von § 77 Abs. 1 EStG nicht erfasst. Untätigkeitseinsprüche werden vom Anwendungsbereich des § 77 Abs. 1 EStG nur dann erfasst, wenn die Familienkasse nach einem gestellten Kindergeldantrag und eines wegen Untätigkeit der Behörde gestellten Untätigkeitseinspruchs auch das begehrte Kindergeld festsetzt. Nur dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 77 Abs. 1 EStG, welcher von einem erfolgreichen Einspruch zugunsten des Einspruchsführers in der Sache ausgeht (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 21. November 2012 – 14 K 1020/12, EFG 2013, 713).
3. Unabhängig von der Frage, ob ein erfolgreicher Einspruch vorliegt, liegen die Voraussetzungen für die Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren, welche infolge der Erhebung des Untätigkeitseinspruchs entstanden sind, auch deshalb nicht vor, weil die Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht im Sinne von § 77 Abs. 2 EStG notwendig war.
Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, im Sinne des § 77 Abs. 2 EStG notwendig war, ist aus der Sicht eines verständigen Bürgers vom Wissens- und Erkenntnisstand des Rechtsbehelfsführers zu beurteilen. Ein verständiger Bürger wird allerdings nicht einen Anwalt beauftragen, sondern die erforderlichen Nachweise selbst einreichen, wenn alle erforderlichen Hinweise von der Familienkasse in allgemein verständlicher Form gegeben worden sind und die Einreichung der angeforderten Daten und Unterlagen durch die Kindergeldberechtigte selbst oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes möglich und zumutbar ist (vgl. BFH-Urteil VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25; Urteile des FG Hamburg vom 20. April 2004 III 465/03, EFG 2004, 1621, des FG Baden-Württemberg vom 10. Dezember 2007 3 K 181/07, juris; Urteil des Sächsischen FG vom 15. Julli 2009 5 K 569/08 Kg, juris). Im Streitfall bestand für den Kläger keine Notwendigkeit, nach Ablauf von 7 Monaten nach Einreichung der von der Familienkasse angeforderten Unterlagen einen Rechtsanwalt mit der Erhebung eines Untätigkeitseinspruchs zu mandatieren. Vielmehr hätte er auch selbst nachfragen können, was der Grund für die verzögerte Bearbeitung seines Antrags gewesen ist. Wie die Familienkasse im Bescheid vom 15. Juni 2014 ausgeführt hat, lag der Grund in der Neuorganisation der Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit zum 1. Mai 2013. Dass die Einlegung des Untätigkeitseinspruchs zu einer Verkürzung der Bearbeitungsdauer geführt hat, ist nicht nachgewiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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