Familienrecht

Keine Terminsgebühr für die Erörterung der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge

Aktenzeichen  11 WF 1470/18

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27184
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RVG VV 3104 Abs. 1 Nr. 1
FamFG § 155 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine Erörterung gem. § 155 Abs. 2 FamFG ist der mündlichen Verhandlung iSd VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG gebührenrechtlich nicht gleichgestellt und löst keine Terminsgebühr aus (so auch OLG Celle BeckRS 2011, 22903). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 F 275/18 2018-10-30 Bes AGFREISING AG Freising

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht Freising unter Az. 2 F 275/18 war der Antrag des Kindsvaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind ….
Mit Beschluss des Amtsgerichts Freising vom 05.06.2018 wurde dem Antragsteller unter Beiordnung der Rechtsanwältin … Verfahrenskostenhilfe mit Zahlungsanordnung bewilligt.
In der Verfügung des Amtsgerichts Freising vom 11.05.2018 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass aus Sicht des Gerichts wegen der Einigkeit der Eltern und des Alters des Kindes eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne Anhörungstermin möglich sei. Das Gericht bat um Mitteilung, ob mit einer Entscheidung ohne Anhörungstermin Einverständnis bestehe.
Die anwaltliche Vertreterin des Antragstellers teilte mit Schriftsatz vom 18.05.2018 mit, dass mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren Einverständnis bestehe.
Ohne Durchführung eines Anhörungstermins wurde die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind mit Beschluss des Amtsgerichts Freising vom 04.06.2018 auf den Antragsteller übertragen.
Nachdem auf den Antrag der Rechtsanwältin … vom 11.06.2018 hin mit Beschluss des Amtsgerichts Freising vom 19.06.2018 die aus der Staatskasse auszuzahlende Vergütung (1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zuzüglich Umsatzsteuer) antragsgemäß auf 334,75 € festgesetzt worden war, beantragte die Rechtsanwältin … mit gesonderten Schriftsatz vom 29.06.2018 zusätzlich die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG als aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach § 45 RVG.
Diesen Vergütungsantrag wies das Amtsgericht Freising mit Beschluss vom 21.08.2018 unter Hinweis darauf, dass kein Termin stattgefunden habe und die Regelung der VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG nicht einschlägig sei, zurück.
Hiergegen legte Frau Rechtsanwältin … mit Schriftsatz vom 03.09.2018 Erinnerung ein. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Übertragung der elterlichen Sorge hier auch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beinhalte. Für Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes zum Gegenstand haben, sei nach § 155 Abs. 2 FamFG aber ein Termin abzuhalten. Auch wenn – wie hier der Fall – mit Einverständnis der Beteiligten ein Anhörungs-/Erörterungstermin unterblieben sei, entstehe eine Terminsgebühr nach VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG.
Die Erinnerung wies das Amtsgericht Freising in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bezirksrevisors durch richterlichen Beschluss vom 30.10.2018 zurück.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin … mit Schriftsatz vom 18.11.2018.
Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 22.11.2018 nicht ab, sondern leitete die Akten dem Senat zur Entscheidung zu.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 ff RVG statthaft und zulässig.
Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
1. Gemäß Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin (1. Alternative) oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts (3. Alternative).
Ein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin hat im vorliegenden Fall unstreitig nicht stattgefunden.
Ebenso ist nicht ersichtlich, dass Vermeidungs- oder Erledigungsgespräche geführt worden wären.
2. Eine Terminsgebühr ist auch nicht nach VV 3104 RVG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 FamFG entstanden, da die dort vorgeschriebene Erörterung mit den Beteiligten eines Kindschaftsverfahrens nicht einer mündlichen Verhandlung im Sinne von VV 3104 gleichzusetzen ist. Nach VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Insoweit folgt der Senat der Auffassung des OLG Celle, wonach bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, insbesondere der ausdrücklichen Unterscheidung der Begriffe mündliche Verhandlung, Erörterung und Beweisaufnahme in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Begriff mündliche Verhandlung nicht als übergeordneter Begriff im gebührenrechtlichen Sinn für jegliche Gerichtstermine verstanden werden sollte (OLG Celle NJW 2011, 3793). Ob dies – so die Auffassung des OLG Celle – zwingend daraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber anlässlich der Änderung und Neueinführung des FamFG eine Anpassung der gebührenrechtliche Bestimmung von VV 3104 an die neue Terminologie des FamFG teilweise durchgeführt, aber gerade nicht bezüglich des zivilprozessualen Begriffs der mündlichen Verhandlung, kann offenbleiben. Jedenfalls aber lässt sich aus der in VV 3104 bestehen gebliebenen Terminologie mündliche Verhandlung gegenüber den in Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG nebeneinander verwendeten Begriffen mündliche Verhandlung, Erörterung- und Beweisaufnahme die gegenteilige Annahme des OLG Stuttgart, wonach gebührenrechtliche Auswirkungen der Wortwahl vom Gesetzgeber nicht bedacht worden seien (OLG Stuttgart NJW 2010, 3524 = FamRZ 2011, 591) und die Erörterung deshalb einer mündlichen Verhandlung gebührenrechtlich gleichgestellt werden soll, nach Auffassung des Senats nicht rechtfertigen (Senatsbeschluss vom 24.01.2012 – 11 WF 126/12; ebenso Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Auflage, VV 3104 Rn 33).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


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