Familienrecht

Keine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes bei unbehebbarem Eintragungshindernis

Aktenzeichen  34 Wx 408/16

Datum:
15.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO GBO § 18 Abs. 1, § 20
ZPO ZPO § 319 Abs. 1, § 894 S. 1
BGB BGB § 133, § 925 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für eine Zwischenverfügung (und deren Aufrechterhaltung im Beschwerdeverfahren) ist kein Raum mehr, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass der Mangel in absehbarer Zeit beseitigt werden kann. (amtlicher Leitsatz)
2. Zur Auslegung eines gerichtlichen Titels (Versäumnisurteils) im Grundbuchverfahren, der die Abgabe einer Willenserklärung zum Inhalt hat. (amtlicher Leitsatz)
3 Bei der Auslegung von Grundbucherklärungen ist auf deren Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (ebenso BGH BeckRS 2014, 23017 Rn. 10). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 18. Oktober 2016 aufgehoben.
II.
Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
III.
Soweit die Beteiligte zu 1 erfolglos geblieben ist, trägt sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens, dessen Geschäftswert insoweit auf 3.000 € festgesetzt wird.

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist Inhaberin eines Titels (Versäumnisurteils) vom 15.1.2015, wonach die Beteiligte zu 2 (Bauträgerin) verurteilt wird,
aus dem Kaufvertrag des Notariats …für die jeweiligen Kläger 1 – 31) nachfolgend genannte Objekte aufzulassen und die Eintragung der Auflassung im Grundbuch zu bewilligen wie folgt:

Zugunsten des Klägers zu 30 (= die Beteiligte zu 1)
– URKR. … (Angebot) vom 11.01.2008
– URNR. … (Annahme) vom 18.01.2008
Grundbuch des AG …, hierbei
– Blatt …
– Miteigentumsanteil von 9,45/1000 an dem vorbezeichneten Grundstück …, Gebäude und Freifläche,
– verbunden Sondereigentum an der Wohnung lt. Aufteilungsplan mit Nr. 30 bezeichnet

Die Beteiligte zu 1 hat zu notarieller Urkunde vom 18.3.2015 als Erwerberin für sich selbst im eigenen Namen und zugleich aufgrund des in vollstreckbarer Ausfertigung vorgelegten und der Urkunde in beglaubigter Abschrift beigefügten Versäumnisurteils für die Beteiligte zu 2 die Auflassung
für Grundbuch Blatt x:
– 9,45/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück … verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung … Nr. 30, laut Aufteilungsplan;
für Grundbuch Blatt y:
0,63/1000 Miteigentumsanteil an dem vorbezeichneten Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an dem Keller Nr. K 30 laut Aufteilungsplan,
erklärt, die Eintragung der Auflassung im Grundbuch bewilligt und im Namen des Erwerbers beantragt.
Unter dem 13.10.2016 hat der beurkundende Notar den Vollzug der Auflassung beider Vertragsgegenstände beantragt und dazu festgestellt:
dass ausweislich der Feststellung vom 8.2.2008 Vertragsgegenstand der Urkunde vom 11.01.2008 … samt Urkunde vom 18.01.2008 … die Wohnung Nr. 30 mit Keller Nr. 30 ist. Eine entsprechende Verlautbarung ergibt sich auch aus der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Bei der fehlenden Bezugnahme im Versäumnisurteil auf Blatt y betreffend den Keller Nr. 30 handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, da durch die Bezugnahme auf die Urkundennummern … aus Sicht eines objektiven Betrachters deutlich zum kommt, dass der Beklagte zur Auflassung des gesamten Vertragsgegenstandes der vorbezeichneten Urkunden verurteilt ist. Jede anderweitige Auslegung wäre aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht nachvollziehbar.
Es handelt sich somit um eine offensichtliche Ungenauigkeit des Versäumnisurteils, welche im Wege der Auslegung zu berichtigen ist.
Das Grundbuchamt hat mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 18.10.2016 aufgegeben, einen entsprechenden Ergänzungs- bzw. Berichtigungsbeschluss des Landgerichts zum Versäumnisurteil betreffend den Keller Nr. 30 vorzulegen.
Mit der Beschwerde vom 4.11.2016 begehrt die Beteiligte zu 1 die Aufhebung der Zwischenverfügung und die Anweisung an das Grundbuchamt, die bezeichnete Immobilie samt Keller auf die Erwerberin einzutragen.
Das Eigentum an der Wohnung hat das Grundbuchamt daraufhin am 8.11.2016 auf die Beteiligte zu 1 umgeschrieben, im Übrigen sich aber zu einer weitergehenden Abhilfe außerstande gesehen.
Die Beteiligte zu 1 meint, von ihr könne eine Ergänzung des Titels nicht verlangt werden, denn ein Antrag gegen die inzwischen gelöschte Beteiligte zu 2 ginge ins Leere. Im Übrigen könne das Grundbuchamt den Titel durchaus im Sinne der Antragstellerin auslegen. Gegenstand der Beurkundung vom 11.1.2008 sei auch der Keller gewesen. Jene Urkunde könne zur Auslegung hinzu gezogen werden. Nur mit Ausnahme der Beteiligten zu 1 sowie einem weiteren Kläger (Nr. 31) sei bei allen übrigen Klägern im Titel der Zusatz „mit Keller“ vorhanden.
II. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Zwar ist die Zwischenverfügung, soweit ihr nicht abgeholfen ist, aufzuheben. Hingegen kommt die zugleich begehrte Anweisung, den Keller Nr. K 30 zur Auflassung einzutragen, nicht in Betracht.
1. Gegen die Zwischenverfügung nach § 18 GBO ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO die – in zulässiger Weise eingelegte (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) – Beschwerde statthaft.
2. Prüfungsgegenstand im Beschwerdeverfahren ist allerdings nur das vom Grundbuchamt in der Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO angenommene Eintragungshindernis, dagegen nicht der Eintragungsantrag selbst (BGH FGPrax 2014, 2; BayObLGZ 1987, 1204; Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 34 mit § 77 Rn. 15). Eine Anweisung an das Grundbuchamt, die Eintragung vorzunehmen, kann daher im Verfahren der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nicht ergehen. Insoweit wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung selbst ist erfolgreich und diese somit aufzuheben, weil nach dem gegenwärtigen (maßgeblichen; vgl. Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 77 Rn. 33) Sachstand nicht damit zu rechnen ist, dass der Mangel in absehbarer Zeit beseitigt werden kann (Senat vom 30.9.2011, 34 Wx 418/11 = Rpfleger 2012, 140; BayObLGZ 1984, 126; vgl. Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 38; Hügel/Zeiser GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 15). Geht man mit den Beteiligten und dem Grundbuchamt von der Möglichkeit aus, dass die Auflassungs- und Bewilligungserklärung der Beteiligten zu 2 in dem Versäumnisurteil vom 15.1.2015 auch den Keller Nr. K 30 umfasst, dies allerdings versehentlich nicht mittenoriert ist, käme zwar eine Behebung dieses Mangels in dem abgeschlossenen Urteilsverfahren noch in Betracht (vgl. § 319 ZPO). Die Beschwerdeführerin hat dazu aber vorgebracht, ein Antrag auf Berichtigung des Urteils ginge wegen Zustellungsschwierigkeiten ins Leere, weil die damalige Beklagte inzwischen gelöscht sei. Mit Rücksicht auf die nicht beanstandeten Ausführungen des Grundbuchamts in der Begründung zur Zwischenverfügung, dass die anstehende Problematik bereits seit Juni 2015 bekannt gewesen sei, entsprechende Schritte zur Titulierung, beispielsweise durch Ergänzung oder Berichtigung des vorhandenenTitels, aber bisher nicht in die Wege geleitet wurden, obwohl solche in Frage kommen, aber durchaus eine gewisse Zeit beanspruchen (siehe zu 4. c)), kann von einem leicht und schnell, damit in angemessener Zeit behebbaren Mangel (Demharter § 18 Rn. 23) nicht die Rede sein.
4. Für das weitere Verfahren ist – insofern nicht bindend – festzuhalten, dass auch nach Meinung des Senats die Eigentumsumschreibung des Kellers nicht vorgenommen werden kann.
Im Falle der Auflassung eines Grundstücks – dasselbe gilt für ein Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG) – darf die Grundbucheintragung nur vorgenommen werden, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist (§ 20 GBO). Ist wie im gegebenen Fall der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, gilt diese als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat (§ 894 Satz 1 ZPO). Der andere Teil braucht nurmehr seinerseits unter Vorlage der Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils vor einem Notar die Erklärung abzugeben (Demharter § 20 Rn. 24), so dass die nach § 925 BGB und nach § 20 GBO zur Eigentumsumschreibung erforderliche Einigung zustande kommt, sobald der andere Teil unter Vorlegung des Urteils seine Erklärung formgerecht abgibt (vgl. RGZ 76, 409/411 f.). Die Einigung erfordert übereinstimmende, unmittelbar auf Rechtsänderung gerichtete Erklärungen beider Seiten, ohne dass es bestimmter Ausdrücke bedarf (Demharter § 20 Rn. 31). Sie sind auslegungsfähig (vgl. § 133 BGB); dem sind aber, bedingt durch den das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen, Grenzen gesetzt (vgl. BayObLGZ 1974, 112/114; BayObLG Rpfleger 1980, 293; 1994, 344/345). Generell gilt für die Auslegung von Grundbucherklärungen, dass auf deren Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (ständige Rspr., etwa BGH FGPrax 2015, 5; BayObLG Rpfleger 1980, 293; Demharter § 19 Rn. 28). Dies gilt ebenso für die Bezeichnung eines von der Auflassung betroffenen Grundstücks bzw. eines Teileigentums (BayObLG a. a. O.).
Untersucht man nach diesen Kriterien den die Willenserklärung der Beteiligten zu 2 ersetzenden Titel, so umfasst dieser nicht das selbstständige Teileigentum Keller (Nr. K 30).
a) Im Titel erwähnt ist der Keller Nr. K 30 als neben der Wohnung Nr. 30 (Bl. 40346) selbstständig zu Blatt 40418 gebuchtes Teileigentum nicht. Die Bezugnahme des Urteils auf zwei notarielle Urkunden (Kaufangebot und Annahme) ist schon deshalb unergiebig, weil diese nicht in den Titel selbst integriert sind (BGHZ 165, 223/229; OLG Köln NJW-RR 2003, 375/376; Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 704 Rn. 5). Im Übrigen wäre ihr Inhalt auch nicht aussagekräftig, weil die Urkunden zwar beide Einheiten betreffen, aber eben denkbar bleibt, dass das Urteil selbst nicht das Teileigentum, sondern nur die Wohneinheit betrifft. Die Tenorierung im Übrigen umfasst bei den Klägern zu Nrn. 1 bis 29 auch die Auflassung eines Kellers, nicht aber bei den Klägern zu Nrn. 30 und 31. Die Gründe hierfür können vielfältig sein und sind nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen, dass im Gegensatz zu den übrigen Einheiten die Benennung bei den beiden letzten Wohnungen versehentlich unterblieb. Zum Beispiel ist – wie regelmäßig notwendig – allein aus dem Titel selbst nicht ersichtlich, dass den beiden letztgenannten Wohnungen ebenfalls ein selbstständiger Kellerraum zugeordnet war.
Bei Urteilen ohne Gründe (z. B. Versäumnisurteilen) wird zur Auslegung des Tenors teilweise auch die Klageschrift mit herangezogen (vgl. BAG NZI 2007, 254; Lackmann in Musielak/Voit ZPO 13. Aufl. § 704 Rn. 6; Hess in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 704 Rn. 8; a. A. Zöller/Stöber § 704 Rn. 5). Ob dem, wenn nicht nach § 313b Abs. 2 ZPO verfahren wurde, für das Grundbucheintragungsverfahren zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Jedenfalls liegt eine diesbezügliche Urkunde nicht vor; für einen vom erlassenen Urteil abweichenden Klageantrag ist auch aus dem Vorbringen der Beteiligten nichts ersichtlich.
b) Soweit die notarielle Feststellung vom 13.10.2016 betreffend die fehlende Erwähnung des Teileigentums im Titel von einer aus der Sicht eines objektiven Betrachters gegebenen offensichtlichen Ungenauigkeit in Form eines Schreibversehens ausgeht, kann es ebenfalls auf sich beruhen, ob dem so ist. Die Erklärung des Schuldners liegt im Fall des § 894 ZPO in Form des Titels bereits vor und steht in ihrem Umfang fest. Anders als bei einer Beurkundung unter Anwesenden kommt für die in einem gerichtlichen Titel festgehaltene Erklärung einer Partei die Richtigstellung durch einen notariellen Vermerk (etwa nach § 39 BeurkG) nicht in Betracht. Auch die Beurkundung selbst weist keine offensichtliche Unrichtigkeit auf, die nach § 44a Abs. 2 BeurkG richtiggestellt werden könnte.
c) Die Beteiligte zu 1 ist nicht rechtlos gestellt. Ist die Beteiligte zu 2 als Gesellschaft (nach Liquidation) wegen Vermögenslosigkeit im Register gelöscht, ergibt sich aber ein nachträglicher Liquidationsbedarf, weil sich herausstellt, dass die Gesellschaft noch über Vermögen verfügt oder weil durch sie oder ihr gegenüber noch Willenserklärungen abzugeben sind, wird in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 4 AktG ein Nachtragsliquidator bestellt (OLG München – 31. Zivilsenat – vom 7.5.2008, 31 Wx 28/08 = FGPrax 2008, 171; BayObLGZ 1993, 333/334; OLG Jena vom 12.8.2013, 9 W 258/13, juris; Haas in Baumbach/Hueck GmbHG 20. Aufl. § 60 Rn. 105 f.; § 66 Rn. 36 f.). Dieser ist befugt, die gelöschte Gesellschaft im bisherigen (vgl. § 319 ZPO), aber auch in einem gegebenenfalls notwendigen neuen Erkenntnisverfahren zu vertreten, sei es weil die Urteilsformel den streitigen Gegenstand nicht vollständig erfasst (vgl. BGH NJW 1972, 2268), sei es weil der Keller Nr. K 30 bisher nicht Streitgegenstand war und einer eigenen Titulierung bedarf.
III. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erfolglosen Teils der Beschwerde auf § 84 FamFG. Im Übrigen – soweit die Beteiligte zu 1 obsiegt hat – bedarf es keines Kostenausspruchs. Denn die Kostenhaftung erlischt kraft Gesetzes (§ 25 Abs. 1 GNotKG).
Soweit ein Geschäftswert für den erfolglosen Teil der Beschwerde zu bestimmen ist, schätzt diesen der Senat anteilig mit dem bezeichneten Betrag (§ 61 Abs. 1, § 36 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.


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