Familienrecht

Kindergeld für Kinder einer rumänischen Saison-Arbeitnehmerin

Aktenzeichen  3 K 783/21

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7828
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 1 Abs. 3, § 31 S. 3, § 52 Abs. 50 S. 1,§ 62 Abs. 1 S. 1, § 63, § 67, § 70 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Die Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist für jede Steuerart verbindlich, soweit ein Einzelsteuergesetz nicht ausdrücklich anderes regelt (vgl. BFH-Urteile vom 14.11.1986 VI R 214/83, BStBl. II 1987, 198).  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Familienkasse vom 23.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.05.2021 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld für den Klagezeitraum.
1. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 23.04.2021 stellt jedenfalls in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung vom 21.05.2021 gefunden hat, einen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO dar.
Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung monatlich gezahlt. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden (§ 218 Abs. 1 Satz 1 AO). Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO durch Abrechnungsbescheid.
Die Familienkasse regelte mit der Verfügung vom 23.04.2021 gegenüber der Klägerin den Zeitraum, für den nach ihrer Auffassung ein Auszahlungsanspruch bestand. Durch den dagegen gerichteten Einspruch entstand auch eine Streitigkeit zwischen der Familienkasse und der Klägerin, über welche die Familienkasse durch die Einspruchsentscheidung vom 21.05.2021 entschied. Unerheblich ist dabei, dass die Familienkasse ihre Entscheidung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnete (BFH-Urteile vom 19.02.2020 III R 66/18, BStBl. II 2020, 704; III R 70/18, BStBl. II 2020, 707 und III R 38/19, BFH/NV 2020, 1065 m.w.N.).
2. Zwar liegen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für die beiden Kinder für den Zeitraum von Juni 2017 bis August 2017, von Juni 2018 bis August 2018 und für April 2019 vor. Für Kinder i.S.d. § 63 EStG hat gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
Das Finanzamt hat für die Klägerin mit Einkommensteuerbescheiden für 2017, 2018 und 2019 vom 19.01.2021 eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG durchgeführt.
3. Jedoch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld für den Klagezeitraum, da nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG eine rückwirkende Auszahlung nur noch für 6 Monate vor dem Monat der Antragstellung möglich ist.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG (eingeführt durch Art. 9 Nr. 9 des Gesetzes vom 11.07.2019; BGBl. I 2019, 1066 mit Wirkung vom 18.07.2019) erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt (§ 70 Abs. 1 Satz 3 EStG). Satz 2 ist erstmals auf Kindergeldanträge anzuwenden, die nach dem 18.07.2019 eingehen (§ 52 Abs. 50 Satz 1 EStG).
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des festgesetzten Kindergelds für den Klagezeitraum, da § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG das Erhebungsverfahren betrifft und damit eine Auszahlung ausschließt.
b) Die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt grundsätzlich in zwei Stufen: Der abstrakte, durch Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entstehende Anspruch wird auf einer ersten Stufe durch Verwaltungsakt festgesetzt, während seine Erfüllung auf der zweiten Stufe Gegenstand des Erhebungsverfahrens ist (BFH-Urteil vom 12.08.1999 VII R 92/98, BStBl. II 1999, 751; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 218 AO Rn. 1, 2). Die Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist für jede Steuerart verbindlich, soweit ein Einzelsteuergesetz nicht ausdrücklich anderes regelt (BFH-Urteile vom 14.11.1986 VI R 214/83, BStBl. II 1987, 198; vom 14.11.1986 VI R 226/83, BFH/NV 1987, 287). Unbeschadet der Befugnis der Familienkasse, verschiedene Verwaltungsakte äußerlich zusammenzufassen, ist auch für das Kindergeldrecht nach den §§ 62 ff EStG zwischen den Regelungen im Festsetzungsverfahren und im Erhebungsverfahren zu unterscheiden (BFH-Beschlüsse vom 24.10.2000 VI B 144/99, BFH/NV 2001, 423; und vom 11.12.2013 XI B 33/13, BFH/NV 2014, 714 m.w.N.). Im Festsetzungsverfahren wird grundsätzlich abschließend darüber entschieden, ob und in welcher Höhe ein Steuer- oder Erstattungsanspruch im Sinne des § 37 Abs. 1 AO – und damit auch ein Kindergeldanspruch – besteht.
c) Eine Auslegung der Norm des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG unter Berücksichtigung ihrer Stellung im Gesetz führt dazu, die Regelung dem Erhebungsverfahren zuzuordnen. Bereits die Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG a.F., die bis zum 18.07.2019 galt, sah eine Begrenzung für die Auszahlung des Kindergeldes auf die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats vor, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz -StUmgBG-) vom 23.06.2017 (BGBl. I 2017, 1682) wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Diese Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG a.F. betraf jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht das Erhebungs-, sondern das Festsetzungsverfahren (BFH-Urteile vom 09.09.2020 III R 37/19, BFH/NV 2021, 449 und vom 19.02.2020 III R 66/18, BStBl. II 2020, 704 m.w.N.).
d) Der Wortlaut der neuen Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG mit der Verwendung des Begriffs „Auszahlung“ weist auf das Erhebungsverfahren hin. Während der Gesetzgeber den Begriff „gezahlt“ teilweise dem Erhebungs- und teilweise dem Festsetzungsverfahren zuordnet, verwendet er üblicherweise die Begriffe „ausgezahlt“ oder „Auszahlung“, wenn er den dem Erhebungsverfahren zuzuordnenden Auszahlungsvorgang beschreiben will, so etwa in § 70 Abs. 1 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1, § 74 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 EStG (BFH-Urteil vom 19.02.2020 III R 70/18, BStBl. II 2020, 707 m.w.N.; Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 28.07.2021 3 K 1589/20; so auch Finanzgericht Münster, Urteile vom 21.05.2021 4 K 3164/20 AO und 4 K 3198/20 Kg).
e) Für die Zuordnung zum Erhebungsverfahren sprechen auch die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesbegründung. Die Änderung erfolgte nach der Entwurfsbegründung (Bundestags-Drucksache 19/8691, 65ff), weil in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und im steuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten wurde, dass § 66 Abs. 3 EStG a.F. im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei. Durch den neuen Standort und den veränderten Wortlaut sollte deutlich gemacht werden, dass die Vorschrift nicht dem Festsetzungssondern dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist (Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 303. Lieferung 04.2021, § 70 EStG, Rn. 7; Avvento in: Kirchhof/Seer, EStG 20. Aufl. 2021, § 70 EStG, Rn. 2; Schmidt/Weber-Grellet, EStG 40. Auflage, § 70 Rz. 3; Brandis/Heuermann/Selder, EStG § 70 Rz. 20; so auch Finanzgericht Münster, Urteile vom 21.05.2021 4 K 3164/20 AO und 4 K 3198/20 Kg). Für eine Zuordnung zum Erhebungsverfahren spricht damit der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers. Dies wird durch § 70 Abs. 1 Satz 3 EStG noch verdeutlicht, denn danach bleibt der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.
4. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm oder deren Vereinbarkeit mit Europarecht bestehen nach der Überzeugung des Senats nicht. Solche wurden von der Klägerseite auch nicht geltend gemacht.
a) Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen die Obliegenheit auferlegt, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs zu beantragen (BFH-Urteil vom 09.09.2020 III R 37/19, BFH/NV 2021, 449 Tz. 13 zu § 66 Abs. 3 EStG a.F. und zur Festsetzung). Diese verfassungsrechtliche Beurteilung hängt nach dem Dafürhalten des Senats nicht davon ab, ob die Frist dem Festsetzungs- oder dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist.
b) Der Senat kann auch nicht erkennen, dass die Norm zu einer mittelbaren Diskriminierung von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten führt. Die Norm gilt für alle Kindergeldberechtigten, also solche mit Wohnsitz im Inland oder auch in anderen EU-Mitgliedstaaten (so auch FG Nürnberg, Urteile vom 28.07.2021 3 K 1589/20; und vom 08.05.2019 3 K 193/19 zur Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F.). Zur Wahrung der 6-Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist allein ein „schriftlicher“ Antrag i. S. d. § 67 Satz 1 EStG erforderlich. Weitere Unterlagen sind im Rahmen der wirksamen Antragstellung für die Wahrung der Frist nicht notwendig und können dann im Verwaltungsverfahren – wie auch im Streitfall – nachgereicht werden.
5. Da der Kindergeldantrag bei der Familienkasse am 15.11.2019 einging, hat diese zutreffend keine Kindergeldauszahlung für den Klagezeitraum vorgenommen, denn § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist anzuwenden. Nach § 52 Abs. 50 Satz 1 EStG ist die Vorschrift auf Anträge anzuwenden, die nach dem 18.07.2019 eingehen.
a) Der Kindergeldantrag der Klägerin ist bei der nach § 67 EStG sachlich und örtlich zuständigen Familienkasse erst am 15.11.2019 eingegangen. Hinsichtlich des Eingangs des Antrags ist grundsätzlich auf die Behörde des Landes abzustellen, von der Kindergeld begehrt wird. Zuständige Familienkasse (§ 67 EStG) ist die Familienkasse. Ob – anders als bei § 66 Abs. 3 EStG a.F. (s. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24.10.2000 VI R 65/99, BStBl. II 2001, 109: materielle-rechtliche Ausschlussfrist; so auch Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 303. Lieferung 04.2021, § 70 EStG, Rn. 7) – bei § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) zuzulassen wäre, bedarf keiner Erörterung, weil Gründe hierfür nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich waren.
b) Ein vor dem 15.11.2019 gestellter Antrag ergibt sich auch nicht aus Art. 81 oder 68 Abs. 3 Buchst. b, Art. 60 Abs. 3 oder einer anderen Bestimmung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates EG 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 29.04.2004 oder der Verordnung EG 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 16.09.2009. Zwar sind nach Art. 81 der VO Nr. 883/2004 Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe einer in Anspruch genommenen Behörde unverzüglich der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates zuzuleiten; der Tag des Eingangs gilt dann auch als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates.
c) Die Klägerseite hat jedoch keinen im EU Ausland gestellten Antrag, der nach Art. 81 der VO Nr. 883/2004 der deutschen Familienkasse vorzulegen gewesen wäre, benannt. Ein bei Geburt der Kinder wegen der Gewährung von Familienleistungen in Rumänien mutmaßlich dort gestellter Antrag auf Familienleistungen wäre jedoch kein Antrag auf deutsches Kindergeld i.S. der §§ 67 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2 EStG. Eine Weiterleitung des in Rumänien gestellten Antrags auf Kindergeld an die in Deutschland zuständige Stelle hat nach Auffassung des Senats nur bei dem Zusammentreffen von Familienleistungen mehrerer Mitgliedstaaten zu erfolgen (ähnlich: Brandis/Heuermann/Selder, EStG § 67 Rz. 19). Der Zweck der Regelung über die Antragsweiterleitung durch den nachrangigen Träger besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darin, den Antragsteller davor zu bewahren, dass ihm durch die Antragstellung bei der nur nachrangig zuständigen Stelle und durch die sich aus der Weiterleitung ergebende zeitliche Verzögerung des Antragseingangs bei der vorrangig zuständigen Behörde materielle Nachteile entstehen. Das Koordinierungsverfahren erfordert in dieser Konstellation vielmehr nur für den Fall eines möglichen Differenzanspruchs eine Mitteilung des vorrangig zuständigen Trägers an den nachrangigen Träger, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden (Art. 60 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 987/2009; BFH-Urteil vom 22.02.2018 III R 10/17, BStBl. II 2018, 717, Rn. 34). Diesen Grundsätzen folgend ist eine Weiterleitung des bei Geburt im Heimatland gestellten Kindergeldantrages an die Familienkasse eines anderen EU-Mitgliedstaates oder eine Fiktionswirkung nur dann veranlasst, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Bezug zu diesem anderen Mitgliedstaat besteht. Andernfalls müsste eine Weiterleitung des Antrags an weitere 26 EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Nur bei einem bei Antragstellung vorliegenden Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat kann überhaupt von vorrangig und nachrangig zuständigen Mitgliedstaaten gesprochen werden. Wenn bei Einreichung des Antrags kein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat besteht, gibt es ohnehin nur einen zuständigen Mitgliedstaat.
Im Streitfall bestand bei erstmaliger Anmeldung anlässlich der Geburt der Kinder für die Behörde des EU-Mitgliedsstaates Rumänien keine Veranlassung zur Weiterleitung, denn eine Aufnahme der Beschäftigung in Deutschland im Februar 2013 oder Mai 2015 ist nicht vorgetragen.
d) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den BFH-Urteilen vom 09.12.2020 (III R 73/18 BFH/NV 2021, 882; III R 31/18, BFH/NV 2021, 771). Die genannten Urteile des BFH ergingen bezüglich von Kindern, die vor dem 01.05.2010 geboren waren. Sie betrafen die Anrechnung der in den Niederlanden gewährten Familienleistung auf deutsches Kindergeld. In den dem BFH vorliegenden Sachverhalten war deutsches Kindergeld gewährt und vom Kindergeldberechtigten die Aufnahme einer nichtselbständigen Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat verspätet angezeigt worden.
Diese BFH-Entscheidungen betreffen die Prioritäts- und Anrechnungsregelungen beim Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedsländer. Im vorliegenden Streitfall geht es aber nicht um Anrechnungsregelungen. Zudem enthalten die BFH-Urteile keine Entscheidung zu der Kindergeldgewährung im vorrangigen Staat (hier: Niederlande) oder der bei § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorliegenden materiell-rechtlichen Ausschlussfrist. Der Kindergeldberechtigte muss sich um seine Kindergeldangelegenheit kümmern, wenn seine persönlichen Verhältnisse sich so verändern, dass ein Bezug zu einem anderen EU-Ausland eintritt. Tut er das nicht, so muss er damit rechnen, dass die Familienkasse eine Auszahlungsbeschränkung geltend macht oder den Anspruch auf die in seinem Staat vorgesehenen Familienleistungen als verjährt ansieht (so auch Selder in jurisPR-Steuerrecht 24/2021).
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine höchstrichterliche Entscheidung zu § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG insbesondere für nach dem 01.05.2010 geborene Kinder noch nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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