Familienrecht

Örtliche Zuständigkeit des Gerichts im Dieselabgasskandal

Aktenzeichen  1 AR 57/20

Datum:
25.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14356
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 36 Abs. 2
EGZPO § 9

 

Leitsatz

1. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist wahlweise dort gegeben, wo eine der Verletzungshandlungen begangen wurde (Handlungsort), oder dort, wo in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort), sowie, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung gehört, am Ort des Schadenseintritts (ebenso BGH BeckRS 2018, 31665). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch die Eingehung einer Verbindlichkeit, die der Käufer nach seinem schlüssigen Vorbringen in Kenntnis des Vorliegens einer Abschaltvorrichtung nicht eingegangen wäre und die deshalb „ungewollt“ war, hat er sich mit seinem gesamten Vermögen insgesamt dem Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung ausgesetzt; in diesem Fall liegt der Ort, an dem in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde, regelmäßig am (Wohn-)Sitz des Geschädigten (ebenso OLG München BeckRS 2019, 15058). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, hat die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit vorgetragenen Umstände nicht nur von Amts wegen zu würdigen, sondern gegebenenfalls auch die für die rechtliche Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse weiter aufzuklären (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Erst wenn danach ein Gerichtsstand bei ihm nicht eröffnet ist, kann es seine örtliche Unzuständigkeit aussprechen und auf Antrag den Rechtsstreit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das für die Streitsache zuständige Gericht verweisen; erfolgt die Verweisung ohne eine solche Prüfung, so entbehrt der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und muss deshalb als willkürlich betrachtet werden (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 O 1765/20 — LGMUENCHENII LG München II

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht München II.

Gründe

I.
Mit seiner zum Landgericht München II erhobenen Klage macht der im Bezirk dieses Gerichts wohnhafte Kläger gegen die im Bezirk des Landgerichts Braunschweig ansässige Beklagte Ansprüche geltend, die ihm aus dem Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs der Marke VW Touran von dem im Bezirk des Landgerichts Lübeck wohnhaften Voreigentümer erwachsen seien. Das mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattete Fahrzeug sei von dem sogenannten Abgasskandal betroffen. Die Beklagte, die diesen Motor entwickelt, produziert und in Verkehr gebracht habe, habe durch die Verwendung einer verbotenen Abschalteinrichtung wider besseres Wissen zulässige Emissionswerte vorgespiegelt. Er, der Kläger, sei von der Beklagten über die Gesetzeskonformität getäuscht und dadurch zum Kauf des Fahrzeugs veranlasst sowie i. S. d. § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Das Landgericht München II sei gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. In dessen Bezirk sei in ein geschütztes Rechtsgut (Vermögen des Klägers an dessen Wohnsitz) eingegriffen worden. In dem der Klage als Anlage beigefügten Kaufvertrag, der von beiden Parteien am Wohnsitz des Verkäufers unterzeichnet worden ist, hat der Verkäufer den Erhalt des Kaufpreises bestätigt.
Auf den Hinweis des Landgerichts München II, der Vertrag sei im Bezirk des Landgerichts Lübeck geschlossen worden und am Wohnsitz des Klägers sei ein Schadensort nicht ersichtlich, hat der Kläger seine Argumentation vertieft. Wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehöre, sei der Ort des Schadenseintritts Verletzungs- und damit Begehungsort. Im Falle der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB liege dieser am Belegenheitsort des Klägervermögens. Der Kläger habe zu Recht von seinem Wahlrecht nach § 35 ZPO Gebrauch gemacht und das Landgericht München II als zuständiges Gericht ausgewählt. Hilfsweise hat der Kläger beantragt, das Verfahren an das Landgericht Lübeck zu verweisen.
Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die Meinung vertreten, der Rechtsstreit sei an das zuständige Landgericht Braunschweig zu verweisen.
Mit Beschluss vom 30. Januar 2020 hat sich das Landgericht München II für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Lübeck verwiesen. Zur Begründung der eigenen Unzuständigkeit hat es unter Bezugnahme auf einen unveröffentlichten Beschluss des Oberlandesgerichts München ausgeführt, Voraussetzung für eine Zuständigkeitsbegründung am Wohnsitz des Klägers wäre, dass dort das betroffene Klägervermögen belegen sei. Für die durch die unerlaubte Handlung verursachte Minderung des Vermögens und die Bestimmung des Erfolgsortes sei entscheidend, von wo der Kaufpreis überwiesen worden sei. Denn die Rechtsgutsverletzung, nämlich die Beschädigung des Vermögens, verwirkliche sich grundsätzlich dort, wo die Bank die Anweisung zum Geldtransfer erhalte und zu Lasten des dort geführten Kontos ausführe (BayObLG MDR 2003, 893). Aus dem klägerischen Tatsachenvorbringen sei nicht ersichtlich, von welchem Ort aus eine Überweisung des Kaufpreises an den Verkäufer erfolgt sei. Es könne wegen des im Zahlungsverkehr weiter fortschreitenden Online-Bankings nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Kläger ein Konto im Bezirk des Landgerichts München II unterhalte und daher der Vermögensschaden dort eingetreten sei.
Das Landgericht Lübeck hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 27. April 2020 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München II zurückverwiesen. Der Verweisungsbeschuss des Landgerichts München II sei nicht bindend. Zu der Begründung, der Kläger habe nicht vorgetragen, von welchem Ort aus eine Überweisung des Kaufpreises an den Verkäufer erfolgt sei, sei der Kläger nicht gehört worden. Dies wäre auf Grund des Klägervortrags jedoch erforderlich gewesen, aus dem sich implizit ergebe, das Klägervermögen befinde sich im Bezirk des Landgerichts München II.
Mit Beschluss vom 8. Mai 2020 hat das Landgericht München II die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Lübeck sei es bei der Prüfung der allgemeinem Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage ohne jeden Anhaltspunkt im klägerischen Tatsachenvorbringen nicht gehalten, von Amts wegen Ermittlungen über den Ort durchzuführen, von welchem aus die Überweisung des Kaufpreises erfolgt sei. Denn die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen bedeute nicht Amtsermittlung der Tatsachen.
Der Kläger hat seine Argumentation vertieft, das Landgericht München II sei das örtlich zuständige Gericht gemäß § 32 ZPO. Der Kaufpreis sei überwiegend in Höhe von 22.500,00 € per Online-Banking von zu Hause aus beglichen worden. Aus dem als Anlage beigefügten Kontoauszug ergibt sich, dass die Überweisung von einem Girokonto erfolgt ist, das am Wohnsitz des Klägers geführt wird.
Die Beklagte hat im Bestimmungsverfahren von ihrer Zuständigkeitsrüge Abstand genommen.
II.
Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts München II ist dessen örtliche Zuständigkeit auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
a) Das Landgericht München II hat sich nach Rechtshängigkeit der Streitsache durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 30. Januar 2020 für unzuständig erklärt, das Landgericht Lübeck durch den Verweisungsbeschluss vom 27. April 2020. Beide Beschlüsse sind den Parteien bekanntgegeben worden. Die jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 34 f. m. w. N.).
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die Bezirke der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte zum Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Oberlandesgerichte (München und Schleswig) gehören, so dass das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist, und das mit der Rechtssache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
2. Örtlich zuständig ist das Landgericht München II.
a) Dessen örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO.
aa) Zur Begründung des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO ist es ausreichend, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, die – ihre Richtigkeit unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung die Tatbestandsmerkmale einer Deliktsnorm erfüllen (BGH, Urt. v. 29. Juni 2010, VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 Rn. 22 m. w. N.). Dies ist hier der Fall.
bb) Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist wahlweise dort gegeben, wo eine der Verletzungshandlungen begangen wurde (Handlungsort), oder dort, wo in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort), sowie, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung gehört, am Ort des Schadenseintritts (BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 18; NJW-RR 2010, 1554 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2019, 1 AR 23/19, juris Rn. 23; Beschluss vom 27. März 2003, 1Z AR 28/03, ZIP 2003, 1863 [juris Rn. 6]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 Rn. 19; Toussaint in BeckOK ZPO, 36. Ed. 1. März 2020, § 32 Rn. 13).
Hier begründet der Wohnsitz des Klägers als Ort, an dem der behauptete Vermögensschaden eingetreten ist, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II. Denn durch die Eingehung einer Verbindlichkeit, die er nach seinem schlüssigen Vorbringen in Kenntnis des Vorliegens einer Abschaltvorrichtung nicht eingegangen wäre und die deshalb „ungewollt“ war, hat er sich mit seinem gesamten Vermögen insgesamt dem Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung ausgesetzt. In diesem Fall liegt der Ort, an dem in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde, regelmäßig am (Wohn-)Sitz des Geschädigten (BayObLG, Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 23/19, juris Rn. 24 ff. m. w. N.). Wo und wie der Kaufpreis bezahlt wurde, ist dagegen nicht entscheidend, da die Begleichung des Kaufpreises diesen Schaden nur perpetuiert hat (BayObLG, a. a. O. Rn. 27).
b) Der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München II steht dessen Verweisungsbeschluss nicht entgegen, der ausnahmsweise keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entfaltet.
aa) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich danach grundsätzlich der Nachprüfung. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allerdings dann keinerlei Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 13 f.]; Beschluss vom 15. März 1978, IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 152/19, juris Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16).
Das Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, hat die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit vorgetragenen Umstände nicht nur von Amts wegen zu würdigen, sondern – entgegen der vom Landgericht München II vertretenen Ansicht – gegebenenfalls auch die für die rechtliche Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse weiter aufzuklären (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 12; Beschluss vom 13. Dezember 2005, X ARZ 223/05, NJW 2006, 847 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 12. April 1994, 1Z AR 13/94, juris Leitsatz 1 und Rn. 10). Erst wenn danach ein Gerichtsstand bei ihm nicht eröffnet ist, kann es seine örtliche Unzuständigkeit aussprechen und auf Antrag den Rechtsstreit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das für die Streitsache zuständige Gericht verweisen. Erfolgt die Verweisung ohne eine solche Prüfung, so entbehrt der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und muss deshalb als willkürlich betrachtet werden (BGH, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 12).
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Zudem folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG ein Verbot von „Überraschungsentscheidungen“, also von solchen Entscheidungen, die sich ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf Gesichtspunkte stützen, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2019, 2 BvR 633/16, juris Rn. 24; Beschluss vom 1. August 2017, 2 BvR 3068/14, juris Rn. 49 ff.; Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 2126/11, juris Rn. 18 ff. jeweils m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 28/20, juris Rn. 31; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 152/19, juris Rn. 20). Pauschale Hinweise genügen den Anforderungen des § 139 ZPO nicht, sie müssen vielmehr konkret und unmissverständlich sein (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005, V ZR 271/04, NJW 2005, 2624 [juris Rn. 9]; Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317 [juris Rn. 27]; Greger in Zöller, ZPO, § 139 Rn. 12a).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die ausgesprochene Verweisung an das Landgericht Lübeck nicht bindend und hat daher dessen Zuständigkeit nicht begründet. Denn der Verweisungsbeschluss verletzt die Parteien in deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und das Landgericht München II hat ohne die gebotene Sachverhaltsaufklärung seine Zuständigkeit willkürlich verneint.
3. Für Schadensersatzklagen, die aus Anlass des sogenannten Abgasskandals gegen den Hersteller wegen behaupteter unerlaubter Handlung geführt werden, wird mit unterschiedlicher Begründung und ohne Präjudizwirkung für die Verfahren dritter Anspruchsteller eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers/Verkäufers oder am Wohnsitz des Käufers bejaht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 1. August 2019, 1 AR 44/19, juris Rn. 17 m. w. N.; Beschluss vom 22. Januar 2019, 1 AR 23/18, juris Rn. 18). Aus dem Hinweis des Landgerichts München II war für den Kläger nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Gericht die Argumentation des Klägers, der Ort des Schadenseintritts liege an seinem Wohnsitz, an dem sein Vermögen belegen sei (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 23/19, juris Rn. 24 ff. m. w. N.), für nicht durchgreifend erachtet. Dass es nach Ansicht des Landgerichts München II insoweit auf die Modalitäten der Kaufpreiszahlung ankommen soll, war auch für ein gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten nicht erkennbar. Denn in den sogenannten „Abgas-Fällen“, in denen der behauptete Schaden bereits in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung liegt und sich der Eingriff unmittelbar gegen das Vermögen als Ganzes richtet, liegt der Ort, an dem in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde, nach herrschender Meinung regelmäßig am (Wohn-)Sitz des Geschädigten (BayObLG, a. a. O. Rn. 24; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Mai 2018, 9 AR 3/18, BeckRS 2018, 10638 Rn. 8 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2017, I-5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 dort Rn. 23 a. E.). Dass das Landgericht München II auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27. März 2003 (1Z AR 28/03, MDR 2003, 893 [juris Rn. 7]) abstellt, nach der – bei einer Schadensersatzklage wegen Anlagebetrugs – an dem Ort, an dem die Bank des Geschädigten dessen vermögensschädigende Anweisung zum Geldtransfer erhalten und zu Lasten seines dort geführten Kontos ausgeführt hat, der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung besteht, weil sich dort die Beschädigung des Vermögens des Klägers verwirklicht hat, war dagegen ohne vorherigen Hinweis des Gerichts überraschend.


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