Familienrecht

Statthaftes Rechtsmittel im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 29a OWiG bei einer Entscheidung ohne Hauptverhandlung

Aktenzeichen  201 ObOWi 1065/20

Datum:
11.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41273
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 29a, § 46 Abs. 1, Abs. 7, § 71 Abs. 1, § 72, § 79 Abs. 2, § 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 5
StPO § 348, § 434 Abs. 2, § 436 Abs. 2

 

Leitsatz

Entscheidet das Amtsgericht im selbständigen Einziehungsverfahren nach 29a OWiG gegen einen Einziehungsbeteiligten außerhalb einer Hauptverhandlung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren, ist das statthafte Rechtsmittel gegen die Entscheidung die sofortige Beschwerde zum Landgericht – Kammer für Bußgeldsachen – (Anschl. an BGH, Beschluss vom 18.06.2020 – 1 StR 95/20 = NStZ-RR 2020, 322 = wistra 2020, 472 = ZfSch 2021, 50). (Rn. 4)

Tenor

I. Die Entscheidung über die gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 04.06.2020 eingelegte „Rechtsbeschwerde“ der Einziehungsbeteiligten, welche als sofortige Beschwerde zu behandeln ist, obliegt dem als Beschwerdegericht zuständigen Landgericht.
II. Die Sache wird deshalb an das für eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten zuständige Landgericht – Kammer für Bußgeldsachen – abgegeben.

Gründe

I.
Gegen die Einziehungsbeteiligte erging am 03.05.2019 eine Anordnung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 29a OWiG der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, die wegen Nichtbefolgung einer vollziehbaren Auflage einer Ausnahmegenehmigung oder Erlaubnis bei einer LKW-Fahrt am 08.02.2019 die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form eines Geldbetrages in Höhe von 19.900 Euro vorsah. Die Einziehungsbeteiligte legte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.05.2019, eingegangen am selben Tag, gegen die Anordnung Einspruch ein. Das Amtsgericht ordnete im schriftlichen Verfahren mit Beschluss vom 04.06.2020 den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 600 Euro gemäß § 29a OWiG an. Mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten „Rechtsbeschwerde“ rügt die Einziehungsbeteiligte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Mit Antragsschrift vom 07.08.2020 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, auf die Rechtsbeschwerde den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
II.
Der Senat ist vorliegend nicht zur Entscheidung berufen. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde statthaft, über die das zuständige Landgericht zu entscheiden hat.
Da das Amtsgericht außerhalb einer Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 18.06.2020 – 1 StR 95/20 = NStZ-RR 2020, 322 = wistra 2020, 472 = ZfSch 2021, 50 m.w.N.; vgl. auch BGHSt 31, 361 zum selbständigen Rückerstattungsverfahren des WiStG a.F. und BGHSt 39, 162, 164), die von vielen Obergerichten geteilt wird (OLG Köln wistra 1993, 39; OLG Zweibrücken VRS 86, 359; OLG Düsseldorf NVwZ 1996, 934, 935; OLG Hamburg StraFo 2011, 57, 58 bei einem Vorgehen nach § 82 Abs. 2, § 47 Abs. 2 OWiG; im Umkehrschluss wohl auch BayObLG NStZ 1994, 442 und NStZ-RR 1998, 23), das statthafte Rechtsmittel gegen einen amtsgerichtlichen Beschluss im selbständigen Einziehungsverfahren nach dem OWiG im ersten Rechtsgang die sofortige Beschwerde, über die das Landgericht (Kammer für Bußgeldsachen, § 46 Abs. 7 OWiG) zu befinden hat, und nicht die Rechtsbeschwerde.
Dies ergibt sich aus §§ 87 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5, 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 2 StPO. Der selbständige Einziehungsbescheid steht nur hinsichtlich seiner Form und der Anfechtungsmöglichkeit einem Bußgeldbescheid gleich, wohingegen §§ 71 ff. OWiG für das Hauptverfahren und daher auch §§ 79 ff. OWiG zum Rechtsbeschwerdeverfahren unanwendbar sind. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. V/1269, S. 113 und 10/318, S. 38) ist auf die Regelungen der StPO zum selbständigen Einziehungsverfahren zurückzugreifen, wonach das Tatgericht durch einen gemäß § 434 Abs. 2 StPO der sofortigen Beschwerde unterliegenden Beschluss entscheidet, durch Urteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung nur dann, wenn dies beantragt oder gerichtlich angeordnet wurde. Für die Durchführung der mündlichen Verhandlung sind nach § 434 Abs. 3 Satz 1, zweiter Halbsatz StPO, § 46 Abs. 1 OWiG die in §§ 71 ff. OWiG enthaltenen Vorschriften über die Hauptverhandlung sinngemäß heranzuziehen. Deshalb ist gegen ein ergangenes Urteil die Rechtsbeschwerde statthaft (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Koblenz ZfSch 2007, 108; OLG Düsseldorf NVwZ 1996, 934, 935; KK/Schmidt StPO 8. Aufl. § 434 Rn. 12), nicht aber gegen einen Beschluss im schriftlichen Verfahren.
III.
Die Entscheidung über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde obliegt dem Landgericht. Entsprechend § 348 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG erklärt sich der Senat deshalb für unzuständig und gibt die Sache an das zuständige Landgericht – Kammer für Bußgeldsachen gemäß § 46 Abs. 7 OWiG – ab.


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