Familienrecht

Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen Verweisung an den Güterichter und Anordnung des Ruhens des Verfahrens

Aktenzeichen  L 2 P 30/16 B

Datum:
5.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 172 Abs. 2, § 202 S. 1
ZPO ZPO § 250, § 278 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass gegen den Beschluss, die Parteien vor den Güterichter zu verweisen, keine Beschwerde statthaft ist. Es handelt sich um eine prozessleitende Verfügung. (amtlicher Leitsatz)
Der Verweisung an den Güterichter steht nicht entgegen, dass einer der Parteien einer solchen Verweisung nicht zugestimmt hat. Das Erfordernis einer übereinstimmenden Zustimmung lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO noch aus der Begründung des Mediationsgesetzes ableiten. (amtlicher Leitsatz)
Der Beschwerde gegen die Anordnung des Ruhens des Verfahrens fehlt es regelmäßig am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses, da ein Antrag auf Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens möglich ist. (amtlicher Leitsatz)
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Verweisung an den Güterichter ist bereits unzulässig. Auch bei einer Verweisung an den Güterichter bleibt die Hauptsache bei dem gesetzlichen Richter anhängig und wird nicht vollumfänglich auf den Güterichter übertragen. (redaktioneller Leitsatz)
Die Beschwerde gegen den Ruhensbeschluss ist unzulässig, weil auf einfacherem Weg das angestrebte Ergebnis der Fortführung des Verfahrens erreicht werden kann, indem dessen Fortführung beantragt wird. Ein dann gegebenenfalls ablehnender Beschluss über die Fortführung des Verfahrens wäre dann beschwerdefähig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 2 P 61/16 2016-06-02 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München, mit dem zum einen die Parteien vor den Güterichter verwiesen wurden, zum anderen das Ruhen des Verfahrens angeordnet wurde.
In dem Klageverfahren wendet sich die Bf. gegen den Maßnahmenbescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerinnen (im Folgenden: Bg) vom 14. Januar 2016. Mit Schreiben vom 20. April 2016 hat das Sozialgericht die Beteiligten auf die Möglichkeit, ein Güterichterverfahren durchzuführen, hingewiesen und eine Frist zur Äußerung bis 4. Mai 2016 gesetzt. Die Bf. hat sich mit Schriftsatz vom 20. April 2016 gegen die Durchführung eines Güterichterverfahrens ausgesprochen. Für die Bg. zu 1-3 und 5-6 wurde ausdrücklich eine Zustimmung zu einer Verweisung erteilt.
Mit Beschluss vom 2. Juni 2016 hat das Sozialgericht die Parteien gemäß § 202 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 278 Abs. 5 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vor den Güterichter verwiesen und gemäß § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Sozialgericht hat auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses nach § 172 Abs. 2 SGG hingewiesen.
Gegen beide Verfügungssätze hat sich die Bf. in der Beschwerde vom 21. Juni 2016 gewandt und die Aufhebung des Beschlusses beantragt. Bei beiden Verfügungen handele es sich nicht um eine prozessleitende Verfügung im Sinne des § 172 SGG. Die Verweisung an den Güterichter stelle einen gesonderten, einem anderen Richter übertragenen Verfahrensabschnitt dar und habe somit eine andere Bedeutung als die in § 172 Abs. 2 SGG genannten richterlichen Maßnahmen. Eine Zustimmung zur Verweisung liege nicht vor. Die Beschwerde sei somit zulässig und begründet. Im Vordergrund stehe die Klärung von Rechtsfragen im Rahmen des § 115 Abs. 2 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch(SGB XI). Die Bf. könne sich keine irgendwie geartete vergleichsweise Regelung des Klagebegehrens vorstellen. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens sei – ohne Zweifel – rechtswidrig, da die Bf. diese nicht beantragt habe (§ 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 251 S. 1 ZPO).
Auf die gerichtlichen Hinweise vom 14. Juli 2016 zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, mit Fristsetzung bis 30. Juli 2016, hat die Bf. mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016 mitgeteilt, dass inzwischen in dem Güterichterverfahren (Az.: S 57 SF 236/16) von der Durchführung einer Güteverhandlung Abstand genommen worden sei und das Güteverfahren damit abgeschlossen sei. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei mit klägerischem Schriftsatz vom 21. Juni 2016 beantragt worden. Eine Wiederaufnahmemitteilung des Vorsitzenden der 2. Kammer stehe noch aus; nach deren Eingang werde die Beschwerde zurückgenommen. Dies ist bislang nicht erfolgt.
II. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist zum einen die Anordnung der Verweisung der Beteiligten vor den Güterichter (Nr. I. des Tenors des Beschlusses vom 2. Juni 2016), zum anderen die Anordnung des Ruhens des Verfahrens (Nr. II. des Tenors des Beschlusses).
Die Beschwerde ist jeweils unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Der Senat hält an seiner bereits mit Beschluss vom 27. September 2013 geäußerten Auffassung (Az.: L 2 P 45/13 B) fest, dass gegen den Beschluss, die Parteien vor den Güterichter zu verweisen, keine Beschwerde statthaft ist, da es sich um eine prozessleitende Verfügung im Sinne des § 172 Abs. 2 SGG handelt. Prozessleitende Verfügungen sind Entscheidungen des Gerichts, die der Förderung des Verfahrens in Bezug auf den äußeren Fortgang dienen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 172 Rn. 6 m. w. N.). Hierzu zählt auch die Verweisung vor den Güterichter nach § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO (so auch z. B. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 6 a). Auch bei einer Verweisung an den nichtentscheidungsbefugten Güterichter bleibt die Hauptsache beim streitigen Richter als dem gesetzlichen Richter anhängig und wird nicht vollumfänglich auf den Güterichter übertragen.
Der Verweisung steht im Übrigen nicht entgegen, dass einer der Parteien einer solchen Verweisung nicht zugestimmt hat. Die Verweisung an den Güterichter bedarf weder übereinstimmender Anträge der Parteien noch eines übereinstimmend erklärten Einverständnisses (so auch Sächs. Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 28. Januar 2014, Az.: 1 A 257/10). Das Erfordernis einer übereinstimmenden Zustimmung lässt sich insbesondere weder aus dem Wortlaut des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO noch aus der Begründung des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (BT-Drs. 17/8058, S. 21; sog. Mediationsgesetz) ableiten (so z. B. auch Röthemeyer, Mediation – Grundlagen, Recht, Markt, Rn. 430) und fand – entgegen der gegenteiligen Einschätzung im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 1. April 2011 (BT-Drs. 17/5335, S. 20) – keinen Eingang in die abschließende Gesetzesbegründung.
Darüber hinaus ist vorliegend ein ggf. bestehendes Rechtsschutzbedürfnis entfallen, da das Güterichterverfahren vor dem Sozialgericht inzwischen abgeschlossen wurde und es nicht zu einem Termin vor dem Güterichter gekommen ist. Als allgemeine Prozess- bzw. Antragsvoraussetzung ist das Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen; es muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung vorliegen (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 51 Rn. 20.
Auch die Beschwerde gegen die Anordnung des Ruhens ist unzulässig. Auch wenn eine gegen einen Ruhensbeschluss gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG gerichtete Beschwerde für statthaft erachtet wird und nicht gemäß § 172 Abs. 2 SGG als ausgeschlossen angesehen wird (so z. B. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 114, Rn. 5), fehlt es am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses an der begehrten Aufhebung. Daran fehlt es u. a. dann, wenn das angestrebte Ereignis auf einfachere Weise erreicht werden kann (BSG NZS 1999, 346). Dies ist der Bf. als Prozesspartei durch den Antrag auf Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens nach § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 250 ZPO möglich (so auch Bayer. LSG, Beschl. v. 18. Februar 2010, L 13 R 998/09 B m. w. N.; a.A. Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. August 2005, Az.: L 1 B 74/05 KR unter der Voraussetzung der damals noch gemäß § 174 SGG notwendigen Abhilfeentscheidung des Sozialgerichts bei Einlegung einer Beschwerde). Ein ggf. ergehender Beschluss über die Ablehnung der Fortführung ist beschwerdefähig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O.; LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. November 2009, Az.: L 19 B 335/09 AS). Vorliegend hat die Bf. auch bereits die Wiederaufnahme des Verfahrens vor der 2. Kammer des Sozialgerichts beantragt.
Die Beschwerde war daher auch insoweit als unzulässig zu verwerfen. Es ist deshalb vom Senat nicht zu prüfen, ob das Ruhen des Verfahrens zu Recht angeordnet wurde.
Eine Kostenentscheidung ist im Hauptsacheverfahren zu treffen, da es sich um eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem noch anhängigen Rechtsstreit handelt. Insoweit gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 10; Bayer. LSG, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.


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