Familienrecht

VerfGH Weimar: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der überlangen Dauer eines Zivilprozesses (13 Jahre) – Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber einer Entschädigungsklage gem § 198 GVG – verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Verfahrensdauer im Ausgangsverfahren

Aktenzeichen  7/21

Datum:
6.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Verfassungsgerichtshof
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
§ 198 Abs 1 GVG
§ 201 GVG
Art 3 Abs 2 Verf TH
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Spruchkörper:
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Leitsatz

Einzelfall einer unzulässigen Verfassungsbeschwerde (Rüge überlange Verfahrensdauer)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

I.
1. Die Beschwerdeführenden rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Dauer eines seit mehr als 13 Jahren beim Landgericht Mühlhausen anhängigen Zivilprozesses, an dem sie als Beklagte beteiligt sind, als Verletzung ihres Justizgewährleistungsanspruchs.
2. Die Beschwerdeführenden beauftragten im Juli 2004 die E… GmbH & Co. KG mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Sie sollten hierfür einen Betrag in Höhe von EUR 146.330,49 einschließlich Mehrwertsteuer bezahlen. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde im August 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Insolvenzverwalter erhob mit Antragsschrift vom 21. Februar 2008 Klage aus Werkvertrag gegen die Beschwerdeführenden und verlangte aus der nachträglich zur Schlussrechnung erklärten Rechnung vom 31. Januar 2005 sowie aus der Rechnung vom 13. September 2004 die Zahlung eines Betrags in Höhe von EUR 76.259,87 an sich.
Die Klageschrift ging am 25. Februar 2008 beim Landgericht Mühlhausen ein. Mit Verfügung vom 19. März 2008 verfügte das Gericht die Zustellung. Nach Erledigung der Verfügung durch die Geschäftsstelle am 7. April 2008 erfolgte die Zustellung bei den Beschwerdeführenden am 8. April 2008. Gegen die geltend gemachte Werklohnforderung erhoben die Beschwerdeführenden den Einwand der fehlenden Prüfbarkeit der Schlussrechnung sowie den Einwand der Mangelhaftigkeit des Einfamilienhauses.
Nach Zustellung weiterer Schriftsätze, aber auch nach Fristverlängerungsanträgen des Klägers und der Beschwerdeführenden sowie nach einem Antrag der Beschwerdeführenden auf Verlegung des zunächst für den 25. März 2009 bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung fand eine erste Verhandlung am 29. April 2009 statt. Am 27. Mai 2009 erließ das Gericht einen Beweisbeschluss, wonach ein Sachverständigengutachten zu den behaupteten Baumängeln in Auftrag gegeben werden sollte. Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 beauftragte das Gericht den Sachverständigen. Nach Ortsterminen am 8. und 28. September 2009 erstellte der Sachverständige das Gutachten am 23. November 2009. Das Gutachten ging am 30. November 2009 bei Gericht ein.
Am 21. Januar 2010 wurde das Gutachten den Beschwerdeführenden zugestellt. Im Anschreiben hierzu vom 20. Januar 2010 erhielten die Beschwerdeführenden Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Februar 2010. Im März 2010 nahmen sowohl der Kläger als auch die Beschwerdeführenden zum Gutachten Stellung. Nach Eingang des Schriftsatzes des Klägers vom 24. März 2010 verfügte die zuständige Richterin die Wiedervorlage nach Rückkehr aus dem Urlaub. Die Beschwerdeführenden baten das Gericht mit Schriftsatz vom 13. Juli 2010 um Förderung des Verfahrens. Der Kläger bat mit Schriftsätzen vom 26. Juli 2010 und 13. September 2010 um Sachstandsmitteilung. Die Beschwerdeführenden wiederum baten mit Schriftsatz vom 14. September 2010 und der Kläger mit Schriftsatz vom 21. September 2010 um Förderung des Verfahrens. Das Gericht erließ am 13. Oktober 2010 einen weiteren Beweisbeschluss. Danach sollte der Sachverständige ein Ergänzungsgutachten erstellen und auf die Fragen des Klägers und der Beschwerdeführenden aus den Schriftsätzen vom 9. Februar 2010 und 2. März 2010 eingehen. Die Beschwerdeführenden baten mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2010 um Sachstandsmitteilung, worauf das Gericht am 27. Dezember 2010 antwortete, dass sich die Akte beim Sachverständigen befinde.
Mit Schriftsatz vom 7. März 2011 baten die Beschwerdeführenden das Gericht, den Sachverständigen an die Erledigung des Gutachtenauftrags zu erinnern. Der Sachverständige erstellte das Ergänzungsgutachten am 18. März 2011; das Gutachten ging am 28. März 2011 beim Gericht ein und wurde den Beschwerdeführenden mit Schreiben vom 7. April 2011 am 14. April 2011 zugestellt. Das Gericht teilte mit Schreiben vom 23. März 2011 mit, bereits am 31. Januar 2011 eine eigene Sachstandsanfrage an den Sachverständigen gerichtet zu haben. Mit Schriftsätzen vom 5. und 26. Mai 2011 nahmen der Kläger und die Beschwerdeführenden zum Ergänzungsgutachten Stellung, nachdem sie jeweils Fristverlängerung beantragt hatten. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2011 baten die Beschwerdeführenden das Gericht um Förderung des Verfahrens. Das Gericht teilte darauf mit Schreiben vom 29. Juli 2011 mit, dass sich der nach Richterwechsel zuständige Einzelrichter im Jahresurlaub befinde und nach Rückkehr auf die Sache zukommen werde. Mit Verfügung vom 1. November 2011 bestimmte das Gericht als zweiten Verhandlungstermin den 7. März 2012.
Das Gericht verlegte den Termin jeweils kurzfristig zunächst auf den 23. Mai 2012 und den 22. August 2012, wobei es dies bei der ersten Verlegung mit der Gewährung rechtlichen Gehörs auf den Schriftsatz der Beschwerdeführenden vom 16. Februar 2012 und bei der zweiten Verlegung mit der „noch ausstehenden Übermittelung der Unterlagen des Sachverständigen“ begründete. Den Termin am 22. August 2012 hob das Gericht wegen Erkrankung auf. Mit Schreiben vom 7. November 2012 teilte das Gericht mit, dass wegen längerfristiger Erkrankung ein erneuter Richterwechsel erfolgt sei, und schlug als Verhandlungstermin der eingerichteten Hilfszivilkammer den 17. Dezember 2012 vor. Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführenden war die Wahrnehmung des Termins nicht möglich. Mit Verfügung vom 6. Dezember 2012 bestimmte das Gericht als zweiten Verhandlungstermin nun den 1. Februar 2013. Einen zugleich unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Gerichts lehnten der Kläger und die Beschwerdeführenden ab.
Nach dem zweiten Verhandlungstermin am 1. Februar 2013, dem sich am 7. Februar 2013 ein gerichtlicher Hinweis anschloss, fand am 21. Juni 2013 ein dritter Verhandlungstermin statt. Ein Termin am 19. April 2013 hatte nicht stattfinden können, weil eine Stellungnahmefrist an diesem Tag noch nicht abgelaufen war. Der Kläger erhielt am 12. Juli 2013 Gelegenheit, zum Schriftsatz der Beschwerdeführenden vom 4. Juli 2013 binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. Danach sollte ein Termin bestimmt oder Beweisbeschluss verkündet werden. Sowohl beim Kläger als auch bei den Beschwerdeführenden fand in der Folge ein Wechsel des anwaltlichen Bevollmächtigten statt. Nach Akteneinsicht gab der neue Bevollmächtigte der Beschwerdeführenden die Akte am 6. November 2013 zurück. Zugleich bat er mit Schriftsatz vom 15. November 2013 um Fortgang des Verfahrens. Der Kläger bat mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2014 um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zum Schriftsatz der Beschwerdeführenden vom 26. September 2013, der am 22. November 2013 zugestellt worden war, bis zum 14. Februar 2014.
Nach weiterer Bitte um Verlängerung der Frist zeigte am 24. Februar 2014 ein neuer Bevollmächtigter des Klägers die Vertretung an und nahm Stellung. Wie bereits in der Verhandlung am 21. Juni 2013 angekündigt, erließ das Gericht am 31. März 2014 einen Beweisbeschluss zur Schlussrechnung und den darin genannten Bauleistungen sowie zu Fragen des Klägers und der Beschwerdeführenden. Mit Schreiben vom 21. Juli 2014 wandte sich der Sachverständige mit Fragen und mit der Bitte um Übermittlung von Unterlagen an das Gericht. Die Fragen beantworteten die Beschwerdeführenden mit Schriftsatz vom 18. September 2014. Das Gericht stellte mit Schreiben vom 24. September 2014 die weitere Vorgehensweise bei der Erstellung des Gutachtens klar. Ein Ortstermin am 9. Dezember 2014 konnte nicht stattfinden. Zuvor hatten der Kläger und die Beschwerdeführenden weitere Schriftsätze an das Gericht geschickt.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2015 zeigte ein neuer Bevollmächtigter die Vertretung des Klägers an. Am 11. und 20. Februar 2015 fanden weitere Ortstermine statt. Einen mündlichen Vergleichsvorschlag des Klägers lehnten die Beschwerdeführenden ab. Zudem lehnten sie ursprünglich die Durchführung des Ortstermins am 20. Februar 2015 ab, worauf das Gericht unter Hinweis auf § 371 Abs. 3 der Zivilprozessordnung um Stellungnahme bat. Mit Beschluss vom 11. März 2015 gab das Gericht dem Sachverständigen auf, auch die im Schriftsatz der Beschwerdeführenden vom 26. März 2014 aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Mit Schriftsatz vom 10. April 2015 baten die Beschwerdeführenden das Gericht, dem Sachverständigen eine Frist zur Erledigung des Gutachtens zu setzen. Daraufhin kündigte der Sachverständige, den das Gericht am 20. April 2015 angeschrieben hatte, mit Schreiben vom 28. April 2015 an, das Gutachten bis zum 30. Juni 2015 fertigzustellen, was er auch einhielt. Mit Verfügung vom 24. Juli 2015 gab das Gericht dem Kläger und den Beschwerdeführenden Gelegenheit, Einwendungen bis zum 14. August 2015 mitzuteilen. Bis Mitte Oktober 2015 wurden die Stellungnahmen abgegeben. Mit Hinweisschreiben vom 29. Oktober 2015 thematisierte das Gericht die Problematik eines Mitverschuldens der Beschwerdeführenden an den Baumängeln durch Pflicht zur Bauüberwachung. Hierzu nahmen diese mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 Stellung.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2016 bat das Gericht die Beschwerdeführenden, zu prüfen und mitzuteilen, ob sie über weitere Abrechnungsunterlagen verfügten, was es auf Nachfrage mit Schreiben vom 1. Februar 2016 präzisierte. Am 10. Mai 2016 wies das Gericht darauf hin, dass die Beschwerdeführenden zahlreiche Einwendungen zur Schlussrechnung erhoben hätten.
Bis Anfang Januar 2017 tauschten der Kläger und die Beschwerdeführenden weitere Schriftsätze aus, die u.a. Anträge auf Verlängerung von Fristen zur Stellungnahme beinhalteten. Nach Austausch weiterer Schriftsätze und letztem Schriftsatz der Beschwerdeführenden vom 5. Januar 2017 fragten diese mit Schriftsatz vom 6. April 2017 beim Gericht an, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Das Gericht antwortete hierauf nicht, sondern verfügte am 13. April 2017 die Wiedervorlage mit weiterem Posteingang. Am 5. Juni 2017 erließ das Gericht einen weiteren Beweisbeschluss. Danach sollte eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu den zuletzt schriftsätzlich aufgeworfenen Fragen eingeholt werden. Die Frage der Höhe der Vergütungsforderung und die Frage der Mängel sollten voneinander getrennt behandelt werden. Der Sachverständige wandte sich daraufhin anderthalb Monate später zunächst mit Rückfragen an das Gericht und wies mit Schreiben vom 28. August 2017 auf die Erforderlichkeit eines neuen Ortstermins hin. Mit Schriftsatz vom 1. November 2017 zeigte ein neuer Bevollmächtigter die Vertretung des Klägers an. Die Beschwerdeführenden wandten sich mit persönlichem Schreiben vom 1. Dezember 2017 an das Gericht und wiesen auf die aus ihrer Sicht überlange Verfahrensdauer von zehn Jahren und dabei unter anderem auf ihr hohes Lebensalter und den aus ihrer Sicht fehlenden Verfahrensfortgang in den vorangegangenen Jahren hin.
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 rügten die Beschwerdeführenden die überlange Verfahrensdauer. Am 3. April 2018 und 14. Mai 2018 wandten sie sich persönlich an den Präsidenten des Gerichts sowie am 13. Juni 2018 und am 15. August 2018 an den Vizepräsidenten, der mit der zuständigen Richterin sprach. Der Sachverständige schickte die Akte am 19. Februar 2018 an das Gericht zurück. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018 bat auch der Kläger um verfahrensleitende Maßnahmen. Die Beschwerdeführenden rügten mit Schriftsatz vom 26. September 2018 erneut die überlange Verfahrensdauer. Am 5. September 2018 erließ das Gericht einen längeren Beschluss zur Fortsetzung der Beweiserhebung durch Erstellung eines weiteren Ergänzungsgutachtens und erteilte auch rechtliche Hinweise. Der Sachverständige sollte sich dabei auf die Begründetheit der Schlussrechnung beschränken. In der Folge gab es Schriftverkehr zur Vorlage weiterer Unterlagen, welche der Kläger nicht vorlegen konnte und welche daher die Beschwerdeführenden vorlegen sollten. Dabei erteilte das Gericht am 4. und 9. Oktober 2018 Hinweise. Am 13. November 2018 fand ein weiterer Ortstermin statt. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018 baten die Beschwerdeführenden das Gericht, dem Sachverständigen kurzfristig aufzugeben, innerhalb einer zu setzenden Frist eine ergänzende Stellungnahme zu den bisherigen Feststellungen abzugeben. Zudem baten sie, dem Verfahren Vorrang einzuräumen. Am selben Tag erstellte der Sachverständige sein Ergänzungsgutachten.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 antwortete der neue Präsident des Gerichts auf das Schreiben der Beschwerdeführenden vom 3. April 2018. Am 11. März 2019 schrieben die Beschwerdeführenden erneut an den Präsidenten, der hierauf am selben Tag antwortete und die Weiterleitung des Schreibens an die zuständige Richterin mitteilte. Mit Verfügung vom 31. März 2019 bestimmte das Gericht als weiteren Verhandlungstermin den 24. Mai 2019. Weil der Kläger um Verlegung des Termins bat, wurde der Termin aufgehoben und als neuer Termin der 16. August 2019 bestimmt, der mit Zeugenvernehmungen auch stattfand. Ein weiterer Termin mit Zeugenvernehmung sollte am 25. Oktober 2019 stattfinden, wurde aber auf den 29. November 2019 verlegt. Der Termin fand zwar statt, jedoch erschien der geladene Zeuge nicht. Deshalb fand ein weiterer Termin am 28. Januar 2020 statt. Dabei überreichte der Zeuge auch Unterlagen. Hierzu nahmen der Kläger mit Schriftsatz vom 30. April 2020 und die Beschwerdeführenden mit Schriftsatz vom 13. März 2020 Stellung.
Am 1. Juli 2020 schrieben die Beschwerdeführenden erneut an den Präsidenten des Gerichts, an den sie einen „verzweifelten Hilferuf in Anbetracht der nur noch kurzen Lebenszeit“ richteten, sowie am 10. August 2020 an den Justizminister. Am 24. August 2020 erließ das Gericht einen neuen Beweisbeschluss, der unter anderem zum Inhalt hatte, dass der Sachverständige die vom am 28. Januar 2020 gehörten Zeugen übergebenen Unterlagen ergänzend auswerten und seine Feststellungen ergänzen sollte. Der Kläger und die Beschwerdeführenden nahmen zum Beschluss Stellung. Der Präsident des Gerichts wandte sich am 27. August 2020 an die Beschwerdeführenden. Es folgte bis zum Jahresende weitere Korrespondenz mit dem Präsidenten und dem Justizministerium. Der Sachverständige wies mit Schreiben vom 28. September 2020 unter anderem auf die hohen Kosten der weiteren Begutachtung hin. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2020, auf weitere Feststellungen zur Höhe der Vergütungsforderung in Anbetracht der Kosten zu verzichten, wohingegen die Beschwerdeführenden mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 die überlange Dauer des Verfahrens erneut rügten und ein weiteres Mal wie während des gesamten Prozesses auf die fehlende Prüffähigkeit der streitgegenständlichen Rechnung hinwiesen. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2020 informierte das Gericht den Kläger und die Beschwerdeführenden über einen weiteren Richterwechsel. Zugleich bat das Gericht den Sachverständigen um Rückgabe der Akte und darum, zunächst keine weiteren Arbeiten zur Ergänzung des Gutachtens durchzuführen.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2021 lehnten die Beschwerdeführenden die vom Gericht angefragte Entscheidung im schriftlichen Verfahren ab, waren aber mit der Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden. Mit Schriftsatz vom 23. April 2021 baten die Beschwerdeführenden um Mitteilung des Sachstands und Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung mit dem neuen Richter. Mit Verfügung vom 23. April 2021 bestimmte das Gericht nach erneutem Richterwechsel als Verhandlungstermin den 22. Juni 2021. In diesem siebten Termin legte das Gericht dem Kläger und den Beschwerdeführenden erneut den Abschluss eines Vergleichs nahe. Dem Kläger wurden Abschriften der Schriftsätze der Beschwerdeführenden vom 10. Dezember 2018, 14. Januar 2019 und 15. September 2020 übergeben. Am 29. Juni 2021 erließ das Gericht einen umfangreichen Hinweisbeschluss und machte einen begründeten Vergleichsvorschlag. Die Beschwerdeführenden erklärten mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021, den Vorschlag nicht nähertreten zu wollen, und nahmen am 11. August 2021 unter anderem zum gerichtlichen Hinweis Stellung.
3. Mit Beschwerdeschrift vom 8. März 2021, eingegangen beim Thüringer Verfassungsgerichtshof am 17. März 2021, haben die Beschwerdeführenden Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügen unter detaillierter Nachzeichnung des bisherigen Verfahrensgangs die Verletzung ihres Justizgewährleistungsanspruchs durch die aus ihrer Sicht überlange Dauer des immer noch nicht abgeschlossenen Verfahrens beim Landgericht Mühlhausen. Sie äußern die Befürchtung, der Beschwerdeführende zu 1. könnte das Ende der 1. Instanz nicht mehr erleben. Beide Beschwerdeführende befänden sich in einem hohen Lebensalter und der Prozess belaste sie. Der Beschwerdeführende zu. 1 sei bereits 84 Jahre alt. Mit Schriftsatz vom 20. März 2021 beantragten die Beschwerdeführenden zudem Auslagenerstattung nach § 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz – ThürVerfGHG) sowie die Feststellung, dass den Beschwerdeführenden eine Entschädigung nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) zustünde. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 übergaben sie außerdem eine Darstellung, aus der sich eine Verzögerung von mindestens 90 Monaten bis zu 124 Monaten aus Sicht der Beschwerdeführenden ergab. Mit Schriftsatz vom 17. August 2021 teilten sie den aktuellen Stand des Verfahrens mit. Die Beschwerdeführende zu 2. sei nun fast 80 Jahre alt. Die Verzögerung von Mai 2009 bis Juli 2021 betrage nun insgesamt 147 Monate.
4. Der Anhörungsberechtigte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat Einsicht in die Akten des Landgerichts Mühlhausen genommen.
II.
Das Mitglied Prof. Dr. Baldus ist erkrankt. Da auch das stellvertretende MitgliedReiser-Uhlenbruch verhindert ist, wird das Mitglied Prof. Dr. Baldus durch das weitere stellvertretende Mitglied Dr. Weißkopf vertreten.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist aus Gründen der materiellen Subsidiarität unzulässig. Zwar haben die Beschwerdeführenden die aus Gründen der Subsidiarität erforderliche Verzögerungsrüge – sogar mehrfach – erhoben.
Allerdings haben die Beschwerdeführenden es versäumt, beim zuständigen Oberlandesgericht eine Klage auf angemessene Entschädigung für infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens erlittene Nachteile gemäß § 198 Abs. 1, § 201 GVG zu erheben. Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das diese Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen hat, ist zwar erst am 3. Dezember 2011 – und damit nachdem die Beschwerdeführenden ihren Antrag bei dem Landgericht anhängig gemacht hatten – in Kraft getreten. Allerdings findet das Gesetz nach seinem Art. 23 Satz 1 auch auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits anhängige Verfahren Anwendung (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – 2 BvR 437/12 -, juris Rn. 15 m. w. N.).
2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich gleichwohl veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:
Die Behandlung des zivilgerichtlichen Klageverfahrens durch das Landgericht Mühlhausen dürfte den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Justizgewährung nicht gerecht werden.
Das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf i. V. m. den Grundrechten und insbesondere Art. 3 Abs. 2 ThürVerf enthält eine mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG inhaltsgleiche Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (ThürVerfGH, Beschluss vom 30. Januar 2010 – VerfGH 28/06 -, juris Rn. 50 f.; vgl. auch: ThürVerfGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 – VerfGH 40/16 -, juris Rn. 58; BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08 -, juris Rn. 21 f.; BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 -, BVerfGE 107, 395 (401) = juris Rn. 16 m. w. N.).
Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen. Es gibt keine allgemeingültigen Zeitvorgaben. Die Verfahrensgestaltung obliegt in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind insbesondere die Art des Verfahrens und die Wichtigkeit der Sache für die Parteien, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Materie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen. Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Länge nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (ThürVerfGH, Beschluss vom 30. Januar 2010 – VerfGH 28/06 -, juris Rn. 50 f.). Gegebenenfalls kann auch das zuständige Ministerium gehalten sein, durch geeignete personelle und organisatorische Maßnahmen die Voraussetzungen für die zügige Erledigung von Verfahren sicherzustellen.
Hieran gemessen dürfte die inzwischen erreichte Dauer des zivilgerichtlichen Verfahrens den Justizgewährungsanspruch der Beschwerdeführenden verletzen und damit gegen die Thüringer Verfassung verstoßen. Es dürfte nach Abwägung aller Umstände verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar sein, dass das zivilgerichtliche Verfahren auch nach über 13 Jahren noch nicht abgeschlossen ist.
Zwar mag der Rechtsstreit zumindest tatsächliche Schwierigkeiten aufweisen, die in der Ermittlung der Prüfbarkeit der Schlussrechnung sowie der Mangelhaftigkeit des Einfamilienhauses bestehen. So wird beispielsweise als klärungsbedürftig angesehen, welche Materialien wie verbaut wurden. Außerdem beantragten die Beschwerdeführenden selbst mehrfach die Verlegung von Terminen und die Verlängerung von Fristen. Schließlich gab es sowohl beim Kläger als bei den Beschwerdeführenden Wechsel der anwaltlichen Bevollmächtigten, was sich verfahrensverlängernd auswirkte.
All dies berücksichtigend dürften hier dennoch angesichts der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer die Grenzen des für einen Prozessbeteiligten unter dem Gesichtspunkt des Justizgewährungsanspruchs noch Hinnehmbaren überschritten sein. Die Bemühungen des Landgerichts um eine Beschleunigung des Verfahrens – ggf. auch durch geeignete organisatorische Maßnahmen – dürften angesichts der Gesamtdauer des Verfahrens auch in Ansehung aller Schwierigkeiten nicht ausgereicht haben.
Das Landgericht war im Hinblick auf die zunehmende Beschleunigungsbedürftigkeit des Verfahrens verpflichtet, sämtliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung zu nutzen. Es durfte sich angesichts der zunehmenden und schließlich außergewöhnlich langen Verfahrensdauer nicht darauf beschränken, das Verfahren wie einen gewöhnlichen, wenn auch komplizierten Rechtsstreit zu führen.
Gleichwohl ist es nicht Aufgabe des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, den Fachgerichten bestimmte Beschleunigungsmaßnahmen vorzuschreiben. Die Entscheidung über Beschleunigungsmaßnahmen obliegt den Fachgerichten. Sie lässt sich nicht abstrakt, sondern nur anhand des konkreten Falles und unter Berücksichtigung der Gründe für die lange Verfahrensdauer bestimmen. Allerdings indiziert bereits die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer von über 13 Jahren, dass die Beschleunigungsmaßnahmen unzureichend waren. Je länger das Verfahren dauert, umso mehr verdichten sich die Beschleunigungspflichten (ThürVerfGH, Beschluss vom 30. Januar 2010 – VerfGH 28/06 -, juris Rn. 61).
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass das Gericht hinreichende Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens ergriffen hätte. Es lassen sich im Gegenteil Beispiele für ungenutzte Beschleunigungsmöglichkeiten feststellen.
So fällt insbesondere die verzögerte Weiterleitung von Schriftsätzen oder Gutachten auf. So wurde beispielsweise das am 23. November 2009 erstellte und am 30. November 2009 bei Gericht eingegangene Gutachten den Beschwerdeführenden erst am 21. Januar 2010 zugestellt. Auch erging erst am 13. Oktober 2010 ein weiterer Beweisbeschluss, wonach der Sachverständige auf die Fragen des Klägers und der Beschwerdeführenden in den ein halbes Jahr zuvor ausgetauschten Schriftsätzen eingehen sollte. Dass das Gericht am 31. Januar 2011 eine eigene Sachstandsanfrage an den Sachverständigen richtete, ist andererseits als Beschleunigungsmaßnahme zu würdigen. Demgegenüber bestimmte das Gericht erst mit Verfügung vom 1. November 2011 einen zweiten Verhandlungstermin, nachdem es zuvor mit Schreiben vom 29. Juli 2011 mitgeteilt hatte, dass sich der nach Richterwechsel zuständige Einzelrichter im Jahresurlaub befinde, und ansonsten nicht tätig wurde.
Im Termin am 21. Juni 2013 gab das Gericht zwar bekannt, die Schlussrechnung von einem Sachverständigen prüfen zu lassen. Erst mit Beschluss vom 31. März 2014 beauftragte das Gericht aber den Sachverständigen mit der Prüfung der Schlussrechnung, der auch zu Mängeln Stellung nehmen sollte. Es ist nicht erkennbar, dass diese Verzögerung durch nachfolgende Schriftsätze des Klägers und der Beschwerdeführenden bedingt war. Im ersten Halbjahr 2017 wurde das Gericht beinahe überhaupt nicht tätig und erließ erst am 5. Juni 2017 einen weiteren Beweisbeschluss. Dieser hatte die über ein Jahr zuvor erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführenden zur Rechnung zum Gegenstand. Dass die Beschwerdeführenden diese Einwendungen erhoben hatten, hatte das Gericht bereits am 10. Mai 2016 festgestellt. Ähnliches gilt für das erste Halbjahr 2018. Der Sachverständige schickte die Akte am 19. Februar 2018 an das Gericht zurück. Erst am 5. September 2018 erließ das Gericht den nächsten Beweisbeschluss. Nachdem der Sachverständige am 10. Dezember 2018 das Gutachten erstellt hatte, wurde das Gericht erst am 31. März 2019 wieder tätig und bestimmte den 24. Mai 2019 als weiteren Verhandlungstermin. Auch nach dem Schriftsatz des Klägers vom 30. April 2020 wurde das Gericht erst am 24. August 2020 und zwar mit Erlass eines weiteren Beweisbeschlusses tätig.
Der mit jedem Jahr gesteigerten Beschleunigungspflicht wurde das Gericht nicht gerecht, auch wenn es etwa selbst beim Sachverständigen anfragte, wann dieser seine gutachtliche Tätigkeit abschließe, und eine Hilfszivilkammer einrichtete. Beschleunigungsmöglichkeiten bestanden vor allem in unmissverständlichen Hinweisen auf die Dringlichkeit an den Sachverständigen, in der deutlich zügigeren Verkündung von Beweisbeschlüssen und Zustellung von Dokumenten.
IV.
Für eine etwaige Feststellung nach § 198 Abs. 1 GVG ist der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. auch § 201 GVG).
Das Verfahren ist nach § 28 Abs. 1 ThürVerfGHG kostenfrei. Gegen die Entscheidung ist nach § 25 Abs. 1 ThürVerfGHG kein Rechtsmittel zulässig.


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