Familienrecht

Verwaltungsrechtsweg, Grundschule, Kind, Anordnung, Strafe, Folter, Schulleitung, Verfahren, Antragsteller, Behandlung, Schule, Familiensachen, Zuweisung, FamFG, erniedrigende Behandlung, von Amts wegen

Aktenzeichen  002 F 366/21

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40940
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Straubing
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Vater trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 08.05.2021 wandte sich der sorgeberechtigte Vater des neun Jahre alten Kindes … an das Amtsgericht Straubing, mit der „Anregung“, ein Verfahren „von Amts wegen“ gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB gegen die Grundschule … in … wegen Gefährdung des Wohls des Kindes (und aller weiteren Schulkinder) aufgrund der schulinternen Anordnung zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts, zur Wahrung räumlicher Distanz zu anderen Personen und/oder Zulassung von gesundheitlichen Testverfahren an Schülern auf dem Gelände der Schule ohne vorherige schriftliche ausdrückliche Genehmigung der Sorgeberechtigten besteht, zu eröffnen und darin auch die Rechtmäßigkeit der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) zu überprüfen und das Infektionsschutzgesetz zur Feststellung von dessen Unwirksamkeit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Antragsteller ist der Meinung, sein Kind und alle weiteren die dortige Schule besuchenden Schüler seien in ihrem körperlichen, seelischen und geistigen Wohl sowie in ihren Menschen- und Grundrechten durch die schulintern verordnete Pflicht zum Maskentragen und zum Abstandhalten verletzt. Die schulinternen bzw. staatlichen Anordnungen verletzen Art. 1, 2 und 6 GG und verstießen u.a. gegen die UN-Kinderrechtskonvention, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 8) und gegen das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984. Der Antragsteller beruft sich auf angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse.
Er verweist zudem darauf, die körperliche wie seelische Gesundheit seines Kindes und der Mitschülerinnen sei konkret verletzt und drohe weiter gefährdet zu sein. Zur Begründung nehme er Bezug auf einen Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 08.04.2021 (Az: 9 F 148/21), des Amtsgerichts Weilheim i.OB vom 13.04.2021 (Az: 2 F 192/21) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14.04.2021 (Az: 20 WF 70/21), sowie diverser Internetveröffentlichungen.
II.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und damit die sachliche Entscheidungsbefugnis des Familiengerichts ist nicht eröffnet.
Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte u.a. Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Gem. § 40 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Vorliegend handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
Der Vater … behauptet pauschal – und zwar offensichtlich unter Verwendung einer vorgefertigten, nicht hinreichend individualisierten Antragsschrift – sein Kind sei durch die schulinternen Anordnungen nachhaltig in seinem Wohl gefährdet, es bestehe sogar eine „konkrete Verletzung“ und „drohende weitere Gefährdung. Er erklärt, die pandemiebedingten Maßnahmen schränkten die Grundrechte und Menschenrechte seines Kindes unverhältnismäßig ein. Dasselbe gelte für alle, namentlich nicht benannten Schüler der Grundschule …. Konkret angegriffen werden soll mit der Anregung die Anordnung der Schulleitung der Grundschule … und damit die zugrundeliegenden Bestimmungen der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, insbesondere §§ 1, 18 BayIfSMV an, des Weiteren das Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2020, hier § 28 a IfSG mit dem Ziel, diese Vorschriften aufzuheben und die schulinternen Anordnungen betreffend Maskenpflicht, Abstandsgebot und Testpflicht zu unterlassen.
Diese Streitigkeit ist rein öffentlich-rechtlicher Natur, sie betrifft das Verhältnis zwischen Eltern/Erziehungsberechtigten bzw. dem/den Kindern als Bürger und dem Staat, hier in Gestalt der Schulverwaltung und der dieser übergeordneten Behörden.
Wie schon das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 26.04.2021, Az: 9 WF 342/21 ausführte obliegt die Überprüfung der diesem konkreten Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Rechtsvorschriften – hier: Gesetz, Verordnung, Allgemeinverfügung, behördliche Anordnung – einzig den Verwaltungsgerichten, § 40 Abs. 1 HS 1 VwGO. Die Ausnahme einer spezialgesetzlichen Zuweisung zu einem anderen Gericht (§ 40 Abs. 1 HS 2 VwGO) liegt nicht vor. Es existiert kein Bundesgesetz, das die Streitigkeit des Kindsvaters gegen die schulinternen Anordnungen ausdrücklich den Familiengerichten oder überhaupt den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuweist (so auch AG Waldshut-Tiengen, 306 AR 6/21, Beschluss vom 13.04.2021, juris; VG Weimar 8 E 416/21, Beschluss vom 20.04.2021, openJur). Insbesondere enthält das FamFG eine solche Zuständigkeitsregelung nicht.
Auch § 1666 Abs. 4 BGB ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. „Dritter“, gegen den im Bereich der Personensorge Schutzmaßnahmen für ein Kind erlassen werden können, können nur natürliche Personen und andere private Rechtsträger, nicht aber Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt (Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 236 ff; BeckOK BGB/Veit § 1666 Rn. 12; VG Weimar 8 E 416/21, a.a.O.) sein.
Des weiteren gilt nach zutreffender Auffassung des OLG Nürnberg (a.a.O.), dem sich das erkennende Gericht anschließt, dass nach der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24.03.2014 1 BvR 160/14 Tz 50) behördliche Entscheidungen gerichtlich nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbar sind.
Somit ist allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Verwaltungsgerichte sind zuständig.
Eine Rechtswegverweisung kommt jedoch nicht in Betracht, da das Verfahren nicht antragsabhängig ist, sondern es sich um ein nur von Amts wegen einzuleitendes Verfahren handelt (BTDrs 16/6308, 318; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., § 17 a GVG, Rn. 21).
Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist daher, weil unzulässig, von Amts wegen einzustellen (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., 2021, § 17 Rn. 62).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Diese Regelung gilt hier zwar nicht unmittelbar, weil es sich beim Verfahren nach § 1666 BGB nicht um ein Antrags-, sondern um ein Amtsverfahren handelt, sie bietet aber Orientierung für die Billigkeitsentscheidung. Der Kindsvater hat durch seine formularmäßige Anregung das vorliegende Verfahren veranlasst, obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat. Auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis hat er dennoch weiter an seiner Anregung festgehalten.
Der Verfahrenswert ergibt sich aus § 45 Abs. 1 und 2 FamGKG.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben