Familienrecht

Volljährigenadoption eines mit den Annehmenden Verwandten, Bemessung des Verfahrenswertes

Aktenzeichen  001 F 162/18

Datum:
14.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22310
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Dachau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1767 Abs. 1
FamGKG § 42 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Volljährigenadoption kann nur ausgesprochen werden, wenn aufgrund aller erheblichen Umstände des Einzelfalles anzunehmen ist, dass sich die Freundschaft und die innere Verbundenheit im Sinne einer seelisch-geistigen Bindung zwischen Angehörigen verschiedener Generationen in einem Maße verdichtet hat, dass von einer Eltern-Kindähnlichen Beziehung gesprochen werden kann. Bleiben begründete Zweifel bestehen, ist die Annahme abzulehnen. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ist nicht allein der Autonomie und der eigenverantwortlichen Entscheidung der Beteiligten überlassen. Das Gesetz verlangt ein objektivierbares, nachprüfbares Motiv und klare Indizien, aus denen sich ergibt, dass in der Tat eine dauerhafte, seelisch-geistige Bindung zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden entstanden ist, wobei das Bestehen einer Lebens- und Haushaltsgemeinschaft, die Mitarbeit in Betrieb oder Gewerbe des Annehmenden oder die Einflussnahme des Annehmenden auf wichtige, lebensprägende Entscheidungen des Anzunehmenden für die Volljährigenadoption keine Rolle spielen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gegen die sittliche Rechtfertigung einer Volljährigenadoption spricht, wenn der Anzunehmende ein unproblematisches und intaktes Verhältnis zu seinen leiblichen Eltern hat. Es bedarf einer besonderen Begründung, weshalb eine vollständige und intakte Familie mittels Adoption ergänzt werden muss. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Verfahrenswert für das Adoptionsverfahren ist gem. § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei der Wertbemessung kann das Gericht sich an dem Wert für die Beurkundung des Annahmeantrages orientieren. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag der Annehmenden und des Anzunehmenden vom 23.02.2018 auf Annahme des Anzunehmenden S… O… als gemeinsames Kind der Eheleute O. wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten des Verfahrens haben die Annehmenden und der Angenommene je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 450.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antrag auf Annahme ist zulässig.
Das Amtsgericht D…ist zum Ausspruch der Annahme als Kind sachlich und örtlich zuständig, da die Annehmenden im Bezirk des Gerichts ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Die Adoption unterliegt gemäß Artikel 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB deutschem Recht, da die Annehmenden deutsche Staatsangehörige sind.
Der Antrag auf Annahme des Kindes wurde formgerecht gestellt (§ 1767 Abs. 2, § 1768 Abs. 1, § 1752 Abs. 2 BGB).
Der Antrag ist bei Gericht eingegangen am 27.02.2018.
Das Alterserfordernis der § 1767 Abs. 2, § 1768 Abs. 1, § 1743 BGB ist gewahrt.
Mit notarieller Erklärung vom 04.02.2016 haben die Annehmenden und der Anzunehmende bereits einmal den Ausspruch der Annahme von Herrn S… O… als Kind der Eheleute M…und G…O… beantragt. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Amtsgerichts D…vom 25.04.2016 (Az. 1 F 109/16) zurückgewiesen.
Die ablehnende Entscheidung vom 25.04.2016 steht dem Antrag nicht entgegen, weil wegen der möglichen Veränderung der familiären Verhältnisse nach zutreffender Auffassung der Literatur (vgl. Berenthin, Handbuch Adoptionsrecht, 1. Auflage 2017) die Ablehnung der Annahme nicht in materieller Rechtskraft erwächst.
II.
Der Antrag auf Annahme erweist sich als nicht begründet.
1) Die Annehmenden haben am 08.06.1973 in A… die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts D…vom 28.05.2009, Az. XVI 7/09, haben die Annehmenden Herrn A… M… – O…, geboren am …, als Kind angenommen. Die Mutter von Herrn A… M…-O… ist die Schwester von Herrn G…O… Den notariell beurkundeten Antrag vom 05.03.2009 auf Annahme von Herrn M…- O…als Kind begründeten die damaligen Antragsteller Eheleute O… damit, dass aufgrund der engen menschlichen Beziehung zwischen ihnen ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden und der Anzunehmende als Nachfolger des vorhandenen Vermögens vorgesehen sei.
Der Anzunehmende ist ledig. Er ist Vater des Kindes J… O…, geboren am … Die Mutter des Anzunehmenden ist Frau U… O… . Der Vater des Anzunehmenden ist Herr A… O… Die Kindeseltern sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen.
Der Vater des Annehmenden G… O… und der Großvater des Anzunehmenden S… O… waren Brüder.
Die Annehmenden und der Anzunehmende wurden persönlich gehört.
Ebenfalls persönlich gehört wurden die leiblichen Eltern des Anzunehmenden, seine Lebensgefährtin Frau C… P…, der Adoptivsohn der Annehmenden Herr A… M… – O… sowie dessen Lebensgefährtin Frau R… U… .
2) Die Annahme eines Volljährigen als Kind kann gem. § 1767 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere dann der Fall, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.
Wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis nicht bereits besteht, muss bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen zwischen den Beteiligten und den diesbezüglichen Entwicklungsmöglichkeiten jedenfalls für die Zukunft die Entstehung eines solchen Verhältnisses mindestens zu erwarten sein (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.02.1999, Az. 20 W 347/98), wobei die Absicht zu seiner Begründung auf beiden Seiten vorhanden sein muss.
Es gibt keine Vermutung für die sittliche Rechtfertigung aufgrund bestimmter Bekundungen der Beteiligten. Die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses mittels Volljährigenadoption soll vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers Ausnahmefällen vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drs. 3/530, 21).
Die Merkmale eines sogenannten Eltern-Kind-Verhältnisses sind nicht gesetzlich definiert. Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit für die Auslegung dieses Begriffs bestimmte Kriterien entwickelt. Im Wesentlichen gilt, dass das Verhältnis durch ein soziales Familienband geprägt sein soll, welches seinem ganzen Inhalt nach dem durch eine natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt. Reine Begegnungsgemeinschaften oder rein freundschaftliche Verhältnisse sollen dafür nicht genügen (BayObLG, Beschluss vom 18.05.2004, Az. 1 Z BR 30/04).
Eine Volljährigenadoption kann danach nur ausgesprochen werden, wenn aufgrund aller erheblichen Umstände des Einzelfalles anzunehmen ist, dass sich die Freundschaft und die innere Verbundenheit im Sinne einer seelisch-geistigen Bindung zwischen Angehörigen verschiedener Generationen in einem Maße verdichtet hat, dass von einer Eltern-Kindähnlichen Beziehung gesprochen werden kann, die es dann auch rechtfertigt, dass sie durch den Ausspruch der Annahme zu einer rechtlich bindenden Wahlverwandtschaft verfestigt wird (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 24. Oktober 1996 – Aktenzeichen 20 W 355/96; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1767 Rn. 4).
Die erforderlichen Feststellungen müssen anhand von Indizien und Ausschlusskriterien getroffen werden. Bleiben begründete Zweifel bestehen, geht dies zu Lasten der Antragsteller und die Annahme ist abzulehnen (vgl. ua OLG München, Beschluss vom 19.12.2008, Az. 31 Wx 49/08).
Die Beteiligten haben nie in einem gemeinsamen Haushalt zusammengewohnt. Sie pflegen sogar erst seit etwa vier Jahren einen engeren sozialen Kontakt. Der Anzunehmende ist im September 2015 in ein Haus der Annehmenden auf deren Anwesen in S… eingezogen, nachdem sich der Antragsteller zu 1) an die Eltern des Anzunehmenden gewandt hatte mit der Frage, ob der S… nicht Interesse habe, ihm zu helfen. Davor bestand nach den Bekundungen der Beteiligten trotz der verwandtschaftlichen Beziehung lediglich ein sporadischer Kontakt mit wenigen, eher zufälligen Begegnungen im Jahr.
Der Antragsteller zu 1) hat in seiner Anhörung angegeben, nach dem Vorfall mit seinem Adoptivsohn sei man die Familienmitglieder nochmals durchgegangen und sei dann auf den S… gekommen.
Der Anzunehmende berichtete, seine Eltern hätten ihm erzählt, der Sch… sei bei ihnen gewesen, weil er einen Nachfolger für seinen Hof brauche.
Beides zeigt deutlich, dass der Auslöser für den Antrag nicht auf einer engen, gewachsene Bindung zwischen den Eheleuten O… und dem Anzunehmenden beruht, sondern auf der enttäuschten Erwartung der Annehmenden gegenüber dem vorhandenen Adoptivsohn.
In der kurzen Zeitspanne seit dem Einzug ist auch noch kein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entstanden. Anders als bei der Ehe bleibt die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht allein der Autonomie und der eigenverantwortlichen Entscheidung der Beteiligten überlassen. Das Gesetz verlangt ein objektivierbares, nachprüfbares Motiv und klare Indizien, aus denen sich ergibt, dass in der Tat eine dauerhafte, seelisch-geistige Bindung zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden entstanden ist (vgl. Münchner Kommentar zum BGB, Maurer, 6. Aufl. 2012, § 1767 Rn. 14). Zwar spielen die für eine Minderjährigenadoption maßgeblichen Gesichtspunkte wie beispielsweise eine Lebens- und Haushaltsgemeinschaft, die Mitarbeit in Betrieb oder Gewerbe des Annehmenden oder die Einflussnahme des Annehmenden auf wichtige, lebensprägende Entscheidungen des Anzunehmenden für die Volljährigenadoption keine Rolle, weil die Beteiligten bei dieser Adoptionsform von vornherein selbstständig sind und das verbindende, familiäre Band zwischen einem erwachsenen Kind und seinen natürlichen Eltern naturgemäß anders geartet ist als zwischen einem minderjährigen Kind und dessen biologischen Eltern (vgl. Münchner Kommentar zum BGB, Maurer, 6. Aufl. 2012, § 1767 Rn. 7). Daraus folgt aber gerade nicht, dass das Merkmal der sittlichen Rechtfertigung ausschließlich der eigenen Erklärung und dem Dafürhalten der Beteiligten überantwortet wäre.
Zwar ist nicht in Zweifel zu ziehen, dass zwischen den Eheleuten O… und dem Anzunehmenden mittlerweile eine engere soziale Beziehung entstanden ist als dies früher der Fall war. Diese entspricht jedoch mehr einem freundschaftlichen oder allgemein gut verwandtschaftlichem Verhältnis als einer Eltern-Kind-Beziehung. Das Füreinander da sein erschöpft sich in erster Linie in einem zur Hand gehen und dem Austausch von Alltagserlebnissen. Der tägliche Plausch des Antragstellers zu 1) mit dem Anzunehmenden unterscheidet sich auch nicht gegenüber dem freundschaftlichen Austausch von G… O… mit dem früheren Mieter des zwischenzeitlich von S… O… bezogenen Hauses der Eheleute O… .
Der Tausch der Wohnhäuser erscheint als reine Zweckentscheidung, damit der Anzunehmende aufgrund des Familienzuwachses mehr Platz zur Verfügung hat. Ein Eltern-Kind-Verhältnis kann daraus nicht hergeleitet werden.
Dafür, dass in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit bereits ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten entstanden ist, die ihre Beziehung klar von einer guten Bekanntschaft oder engen Freundschaft abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind bringt, gibt es außer den Bekundungen, man könne sich auf ihn verlassen, man vertraue ihm, man komme gut miteinander aus uä keine konkreten Anhaltspunkte, erst recht keine ausreichende Gewissheit für das Gericht, zumal die Annehmenden betonen, ihr Adoptivsohn A… M… – O…, den sie von klein auf kannten und zu dem sie nach eigenem Bekunden im damaligen Adoptionsverfahren dauerhaften Kontakt hatten, kümmere sich nicht mehr um sie und komme auch nicht mehr zu ihnen.
In dem notariell beurkundeten Annahmeantrag und in der persönlichen Anhörung bekunden die Annehmenden denn auch lediglich, dass der Kontakt zum Anzunehmenden super sei, dass man oft zusammensitze und sich austausche. Die näheren Umstände, weshalb sich zum Anzunehmenden eine Zuneigung wie bei einer Eltern-Kind-Beziehung entwickelt haben soll, bleiben letztlich völlig im Dunkeln. Allein die Tatsache, dass die Beteiligten sehr oft zusammen sind und gemeinsam etwas unternehmen reicht hierfür genauso wenig aus wie, dass der Anzunehmende als „sehr zuverlässig“ wahrgenommen würde.
Die von den Annehmenden angeführten Merkmale sind vielmehr für eine Freundschaft oder Bekanntschaft charakterisierend. Eine Eltern-Kind-Beziehung geht hierüber in Intensität und Umfang jedoch deutlich hinaus. Diese ist nicht nur durch eine Begegnungsgemeinschaft gekennzeichnet, in der man wechselseitige Besuch-, Brief- und Telefonkontakte unterhält oder sich Aufmerksamkeiten, möglicherweise auch Zuwendungen zukommen lässt, sondern insbesondere auch dadurch, dass eine Integration in das familiäre Beziehungsgeflecht, also die Teilnahme an den „üblichen“ Familienfeiern, das gemeinsame Begehen von Feiertagen wie Weihnachten, Silvester etc., Geburtstagen oder Jubiläen erfolgt sowie weiter, dass ein gewachsenes, gegenseitiges Grundvertrauen besteht, in dem Elternteil und Kind sich wechselseitig aussprechen oder in die Entscheidungsfindung in wichtigen Angelegenheiten in angemessener Weise einbeziehen. Weiterer, wichtiger Gesichtspunkt ist schließlich auch der gegenseitige Beistand, der in prinzipiell allen Wechselfällen des Lebens dauerhaft und grundsätzlich unbedingt gewährt wird.
Dass zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits eine Beziehung dieser Qualität bestehen würde, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der gemeinte gegenseitige Beistand erschöpft sich nämlich nicht in der gegenseitigen Unterstützung in Alltagstätigkeiten wie hier im vorliegenden Fall.
Die Erklärungen der Beteiligten deuten eher darauf hin, dass zwischen ihnen eine gute Freundschaft besteht, die sich rasch entwickelt hat und in deren Rahmen eine gegenseitige Sympathie gewachsen ist, die dann auch Anlass für vielfältige Begegnungen gegeben hat, die aber bislang auch nicht über dieses Niveau hinausreicht.
In der Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass eine Volljährigenadoption nicht ausgesprochen werden darf, wenn zwischen Annehmenden und Anzunehmenden kein angemessener Altersabstand besteht (vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 – Aktenzeichen 1 Z BR 136/97). Ein wenn auch nur geringes Indiz gegen die Annahme liegt deshalb auch darin, dass zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein deutlicher Altersabstand besteht. Bei Antragstellung war der Antragsteller zu 1) 75 Jahre alt, die Antragstellerin zu 2) 68 Jahre, der Anzunehmende dagegen gerade erst 32. Dieser Altersabstand überschreitet den der natürlichen Generationenfolge entsprechenden ein gutes Stück, während der Altersunterschied zu A… M… – O… den natürlichen Altersunterschied zwischen Eltern und Kindern genau widerspiegelt.
Ein weiterer, klar gegen die beabsichtigte Adoption sprechender Gesichtspunkt ist, dass die Annehmenden im Jahre 2009 bereits ein Kind adoptiert haben und damit ihre Kinderlosigkeit durch Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses beendet haben. Nach dem Eindruck des Gerichts geht die Entfremdung der Eheleute O… zu ihrem Adoptivsohn jedenfalls nicht von Herrn A… M… – O… aus. Sie scheint eher an der Erwartungshaltung der Eheleute O… zu liegen, dass ihr Sohn jederzeit und rund um die Uhr für sie da zu sein hat, ein Umstand, den Herr M… – O… nicht zu erfüllen bereit ist. Doch die enttäuschte Erwartung rechtfertigt nicht, den Sohn sozusagen auszutauschen gegen eine dritte Person. Auch in der Beziehung zu leiblichen Kindern kann es zu Schwierigkeiten, Streit und Zerwürfnissen kommen. Das Gericht hat aufgrund der Bekundungen des Herrn M… – O… keine Zweifel, dass dieser ernsthaft gewillt ist, das Eltern-Kind-Verhältnis zu seinen Adoptiveltern wieder so zu leben, wie es von ihm von Anfang an beabsichtigt war.
Letztlich ist der Anzunehmende seinerseits in seiner Ursprungsfamilie eng verbunden und hat eine ungestörte, intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern, wie sowohl er als auch seine Eltern in ihrer Anhörung versichert haben.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 22.12.1981 ausgeführt, dass gegen die sittliche Rechtfertigung einer Volljährigenadoption spricht, wenn der Anzunehmende ein unproblematisches und intaktes Verhältnis zu seinen leiblichen Eltern hat. Es bedarf einer besonderen Begründung, weshalb eine vollständige und intakte Familie mittels Adoption ergänzt werden muss. Das OLG Stuttgart führt in seinem Beschluss vom 26.06.2014, Az. 11 UF 316/13, aus, der Respekt vor einer langen natürlichen Eltern-Kind-Beziehung fordere, diese nicht im Nachhinein durch „Wegadoption“ zu zerstören oder ihr zumindest ihren angemessenen Rang zu nehmen. Auch wenn rechtlich gesehen bei einer Volljährigenadoption dem Anzunehmenden seine leiblichen Eltern erhalten blieben, sei das Hinzutreten eines weiteren Elternteils in der persönlichen Beziehungsebene nicht unproblematisch, zumindest aber angesichts der langen natürlichen Eltern-Kind-Beziehung nicht angemessen. Das Gericht hält dies für zutreffend, weil es dem Ausnahmecharakter der Erwachsenenadoption entspricht und es gerade nicht selbstverständlich ist, dass ein Kind mehrere gleichrangige Eltern hat. Besondere Gründe, warum dies im vorliegenden Fall gerechtfertigt sein soll, sind die Beteiligten schuldig geblieben.
Das Gericht sieht sich deshalb darin bestätigt, dass es sich um eine reine Zweckentscheidung der Beteiligten handelt, weil die Eheleute O… mit der Entwicklung ihres bisherigen Adoptionsverhältnisses zu Herrn A… M… – O… unzufrieden sind und sich deshalb einen anderen Rechtsnachfolger wünschen.
Dafür, dass die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung zwischen der Annehmenden und dem Anzunehmenden künftig erwartet werden kann, ist letztlich ebenfalls nichts ersichtlich. Allein die Tatsache, dass die Annehmenden bereits eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung errichtet haben, in der der Anzunehmende als Bevollmächtigter benannt ist, reicht ebenfalls nicht aus, um eine solche Prognose zu rechtfertigen. Grundsätzlich ist zwar richtig, dass die Benennung einer Person als Bevollmächtigter bzw. nahe stehende Person in einer Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Verfügenden/Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten indiziert. Es ist auch zutreffend, dass die mit der Bevollmächtigung verbundenen Aufgaben bzw. Verantwortung üblicherweise einem Kind übertragen werden bzw. dass derartige (einseitige) Rechtsgeschäft üblicherweise innerhalb einer Eltern-Kind-Beziehung vorgenommen werden. Dass eine derartige Bevollmächtigung bzw. Aufgabenübertragung auch im Verhältnis zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden erfolgt ist, bedeutet aber nicht, dass deren Verhältnis als eine Eltern-Kind-Beziehung zu qualifizieren wäre, zumal dies bereits 2015 erfolgt ist, als der Kontakt gerade erst angebahnt wurde. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass im Rahmen einer Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht schon aus Sachgründen nicht eine Person der gleichen Generation oder des gleichen Alters, sondern in aller Regel ein Angehöriger der nachfolgenden Generation, mindestens aber eine vom Lebensalter deutlich jüngere Person bevollmächtigt wird. Deshalb ist es in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Annehmenden den Eindruck erwecken, vor allem ihren Adoptivsohn von jeglichem Einfluss auszuschließen, sehr nahe liegend, dass der Anzunehmende mit dieser Aufgabe betraut wird. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich – und von den Annehmenden wird das auch nicht behauptet -, dass es andere Personen in ihrem Umfeld geben würde, die sie mit den im Rahmen einer Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht anstehenden Aufgaben betreuen könnten. Dieser Umstand kann deshalb nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses erwartet werden kann. Eine solche Annahme könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Beziehung zwischen den Beteiligten schon lange Jahre gewachsen wäre und auch schon „schlechte Tage“ oder Krisen gesehen und überwunden hätte. Derartiges ist hier aber nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Beteiligten gerade einmal seit 4 Jahren näheren Kontakt pflegen, lässt dies eher fernliegend erscheinen.
Nach all dem ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden mittlerweile eine gute freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehung entstanden ist, der aber nicht die Qualität eines Eltern-Kind-Verhältnisses zugesprochen werden kann, auch wenn nahezu tägliche Kontakte zwischen den Beteiligten bestehen und der Anzunehmende die Annehmenden bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten unterstützt. Die sittliche Rechtfertigung der Annahme als Kind ergibt sich daraus nicht.
Der Antrag ist deshalb zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 2 und 3 FamGkG.
Bei der Adoption eines Volljährigen handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die das FamGKG keine besonderen Vorschriften enthält. Der Verfahrenswert ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500.000,– Euro (§ 42 Abs. 2 FamGKG). Das Gericht hat sich bei der Festsetzung der Höhe an dem Wert für die Beurkundung des Annahmeantrages orientiert.


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