Familienrecht

Vollstreckbarerklärung eines amerikanischen Unterhaltstitels

Aktenzeichen  12 UF 774/19

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13266
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUG § 35
HUÜ 2007 Art. 2 Abs. 2, Art. 19, Art. 20, Art. 22, Art. 23, Art. 25, Art. 62 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Für den nach Art. 25 Abs. 1 HUÜ 2007 erforderlichen Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland ist es nicht erforderlich, dass die bezeichneten Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelnen genau denen im Vollstreckungsstaat entsprechen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festlegung einer für deutsche Verhältnisse recht hohen monatlichen Unterhaltszahlung in einer ausländischen Entscheidung widerspricht nicht dem deutschen ordre public. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

568 F 1884/19 2019-05-03 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 03.05.2019 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Vollstreckbarerklärung eines Unterhaltstitels des Bezirksgerichts Pinellas / Florida / USA durch das Amtsgericht München mit Beschluss vom 03.05.2019 (Az. 568 F 1884/19).
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Sie hatten am 11.10.2008 in Florida, USA, geheiratet. Die Antragstellerin hat mittlerweile ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den USA. Der Antragsgegner lebt in Deutschland. Scheidungsverfahren sind auf Antrag der Antragstellerin in Florida, auf Antrag des Antragsgegners beim Amtsgericht in Starnberg anhängig. Die Unzulässigkeit des Scheidungsverfahrens in Deutschland wegen vorrangiger anderweitiger Rechtshängigkeit wurde von der Antragstellerin eingewendet.
Zusätzlich zum Scheidungsantrag hat die Antragstellerin beim o.g. Gericht in Florida u.a. einen Antrag auf vorläufige Unterhaltsregelung gestellt. Das Verfahren mit dem Az. 2017-7580-FD wurde am 04.01.2019 verhandelt. Der Antragsgegner war zur Verhandlung zwar nicht selbst anwesend, wurde aber anwaltlich vertreten. Beide Beteiligte gaben im Verfahren eidesstattliche Versicherungen zum Sachverhalt ab, ausweislich der Akten jedenfalls die Antragstellerin auch zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Im Verfahren wurden sowohl die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes wie auch die Vermögens- und Einkommenssituation der Antragstellerin ausführlich erörtert. Ergebnis des Verfahrens war der verfahrensgegenständliche Beschluss, mit dem der Antragsgegner unter Buchstabe e) verpflichtet wurde, an die Antragstellerin einen monatlichen, vorübergehenden Unterhalt in Höhe von 15.800,00 US$ zu bezahlen.
Ein Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Pinellas / Florida / USA vom 16.05.2019 unter dem zusätzlichen Az. 2D18-4733 zurückgewiesen. Mit einem weiteren Beschluss vom 15.08.2019 wurde der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens abgelehnt.
Der Originalunterhaltsbeschluss wie auch die vorgenannten Beschlüsse, mit denen die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt wurde, wurden von der Antragstellerseite vorgelegt.
Die Antragstellerin hatte beim Amtsgericht München – Familiengericht – beantragen lassen, die Entscheidung des Bezirksgerichts des sechsten Gerichtsbezirks im und für den Landkreis Pinellas, Florida, USA, Fall Nr. 2017-7580-FD, vom 10.01.2019 anzuerkennen, für vollstreckbar zu erklären und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit darin unter Buchstabe e) der Antragsgegner verpflichtet wurde, beginnend am 15.01.2019 und zahlbar am 15. eines jeden Monats an die Antragsgegnerin einen Betrag von 15.800,00 US$ als vorübergehenden Unterhalt zu bezahlen.
Der Antragsgegner widersetzte sich dem Antrag mit der Begründung, das Gericht in Florida sei nicht zuständig und die ausgesprochene Unterhaltsverpflichtung sei i.S.d. Art. 22 Buchstabe a) mit dem ordre publik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere dem Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG nicht vereinbar.
Das nach § 35 AUG zuständige Amtsgericht München hat dem Antrag der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss stattgegeben.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 03.06.2019, beim Amtsgericht München eingegangen am 07.06.2019.
II.
1. Entgegen der Begründung des Amtsgerichts im angegriffenen Beschluss vom 03.05.2019 beurteilt sich die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Bezirksgerichts des sechsten Gerichtsbezirks im und für den Landkreis Pinellas, Florida, USA, Fall Nr. 2017-7580-FD, vom 10.01.2019, nicht nach der VO EG Nr. 4/2009 (= EU Unterhaltsverordnung = EU-UntVO) i.V.m. den Vorschriften des Auslandsunterhaltsgesetzes (AUG) als deutschem Ausführungsgesetz sondern nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 (= Haager Unterhaltsübereinkommen 2007 = HUÜ 2007).
Die EU-UntVO ist nicht anwendbar, weil die USA und deren Bundesstaaten nicht Mitglied der europäischen Gemeinschaft sind.
Sowohl Deutschland wie die USA sind aber Vertragspartner des HUÜ 2007. Dieses ist für Deutschland am 01.08.2014 und für alle Staaten der USA am 01.01.2017 in Kraft getreten.
Die USA haben zwar gem. Art. 62 Abs. 1, 20 Abs. 2, Abs. 1 c HUÜ 2007 einen Vorbehalt für den Fall erklärt, dass die berechtigte Person zur Zeit der Einleitung des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ursprungsland hatte. Entgegen der Ansicht der Beschwerde führt dies aber aufgrund Art. 62 Abs. 4 HUÜ nicht dazu, dass wegen Gegenseitigkeit auch Deutschland die Vollstreckbarerklärung im vorliegenden Fall verweigert. Allein ein Vorbehalt nach Art. 2 Abs. 2 HUÜ (Beschränkung der Anerkennung und Vollstreckung auf Kindesunterhaltstitel) führt zur Gegenseitigkeit. Einen solchen Vorbehalt haben die USA aber nicht ausgesprochen.
Das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung des vorliegenden Unterhaltstitels folgt damit den Art. 19, 20 Abs. 1c, 20 Abs. 4 HUÜ 2007. Das Verfahren bestimmt sich nach Art. 23 ff HUÜ 2007 i.V.m. §§ 57, 36 ff AUG.
Bei dem HUÜ 2007 handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr.2 um einen völkerrechtlichen Vertrag i.S.d. § 57 AUG.
Auf die – im Übrigen im Hinblick auf den Staat Florida gem. Bekanntmachung vom 01.07.1988 ohnehin verbürgte – Gegenseitigkeit i.S.d. §§ 64 Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr.3 AUG (BGBl I, 1041) kommt es daher vorliegend nicht an.
2. Die Beschwerde ist nach Art. 23 Abs. 5 HUÜ 2007 i.V.m. §§ 57 AUG, 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben. (Art. 23 Abs. 6 HUÜ 2007, §§ 43 ff AUG).
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 45 Abs. 1 Satz 1 AUG, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), worauf die Beteiligten mit Verfügung vom 14.08.2018 auch hingewiesen wurden.
3. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
3.1 Die förmlichen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des o.g. Titels sind gegeben.
Das HUÜ 2007 findet gemäß Art. 2 Abs. 1 lit.c HUÜ 2007 sowohl in sachlicher wie personeller Hinsicht Anwendung. Die Antragstellerin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei Einleitung des Verfahrens in Florida / USA und damit in einem Vertragsstaat des HUÜ 2007 (Art. 20 Abs. 1c HUÜ 2007).
Auch der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens gem. Art. 56 Abs. 1 HUÜ 2007 ist gegeben.
Die nach Art. 25 HUÜ 2007 erforderlichen Schriftstücke (ein Original der zu vollstreckenden Entscheidung (Abs. 1 lit. a) sowie der Nachweis, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist (Abs. 1 lit. b) wurden dem Antrag beigefügt bzw. nach Anforderung durch die Vorsitzende des Senats vorgelegt. Die Antragsstellerin hat nachgewiesen, dass die Anträge des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Unterhaltsbeschlusses vom zuständigen Gericht abgelehnt wurden, und dass der Beschluss bis zu einer Abänderung durch eine weitere Entscheidung des angerufenen Gerichts oder eines Beschwerdegerichts vollstreckbar ist. Zu letzterem hat sie nach Aufforderung durch das Beschwerdegericht eine Erklärung des erstinstanzlichen Gerichts in Florida vom 08.01.2020 zur Vollstreckbarkeit seiner vorläufigen Unterhaltsentscheidung vorgelegt, der überschrieben ist „Bescheid zur Unterrichtung der deutschen Behörden über die Befugnis dieses Gerichts, die Einhaltung der einstweiligen Unterhaltsanordnung durchzusetzen“. In dem Bescheid, auf den wegen des Inhalts im Übrigen Bezug genommen wird, ist dargestellt, dass das Gericht zur Durchsetzung seiner einstweiligen Unterhaltsanordnung u.a. auch Vermögenswerte des Unterhaltsschuldners sicherstellen und/oder Sicherheiten zur Begleichung der einstweiligen Unterhaltszahlungen einfordern kann. Es ist nicht erforderlich, dass die Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelnen genau denen im Vollstreckungsstaat entsprechen. Nachzuweisen ist, dass die Unterhaltsentscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist. Das ist vorliegend der Fall. Die beschriebene Möglichkeit, auch Vermögenswerte des Schuldners sicherzustellen oder sogar einen Vermögensverwalter zur Durchsetzung der Forderungsbegleichung einzusetzen ist deutschen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zumindest vergleichbar. Im Übrigen ist dies auch für die Vollstreckbarerklärung gar nicht erforderlich. Dafür ausreichend ist die vorgelegte Bestätigung des USamerikanischen Gerichts aus Florida, dass seine Entscheidung in Florida (vorläufig) vollstreckbar ist.
Schließlich ist es für die Entscheidung, den Unterhaltstitel des Gerichts in Florida für vollstreckbar zu erklären, auch ohne Relevanz, ob bereits Vollstreckungsmaßnahmen in Florida vorgenommen wurden und wie die Vollstreckung dort im einzelnen abzulaufen hätte. Die Antragstellerin will den Titel eben nicht in Florida, sondern in Deutschland vollstrecken lassen.
Dass das Ausgangsgericht – wie vom Antragsgegner angeführt – seine Entscheidung selbst jederzeit abändern könnte, ändert an deren vorläufiger Vollstreckbarkeit auch nichts. Sollte das Gericht dies tun, kann eine etwa zu Gunsten des Antragsgegners abweichende neue Entscheidung der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsverfahren entgegengehalten werden (§ 767 ZPO).
Dasselbe gilt, sollte das Berufungsgericht in Florida die Entscheidung des dortigen Ausgangsgerichts aufheben oder abändern. Bis heute ist dies nach Kenntnis des Senats nicht der Fall.
Das Amtsgericht München als Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts München war auch nach § 35 AUG für die Vollstreckbarerklärung zuständig.
3.2 Es liegt kein Anerkennungshindernis nach Art. 22 HUÜ 2007 vor, das der Anerkennung und Vollstreckung des o.g. Titels entgegensteht.
a) Die anzuerkennende Entscheidung widerspricht – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – nicht dem deutschen „ordre public“, d.h. verstößt nicht gegen Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. Art. 22 lit.a HUÜ 2007, insbesondere auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Zwar ist die festgelegte monatliche Unterhaltszahlung für deutsche Verhältnisse recht hoch. Es gibt jedoch auch nach deutschem Unterhaltsrecht keinen absoluten Höchstbetrag für einen Trennungsunterhaltsanspruch. Dieser hängt von den ehelichen Lebensverhältnissen und den finanziellen Umständen der Beteiligten ab, die vom Beschwerdegericht nicht überprüft werden können und dürfen. Art. 28 HUÜ 2007 verbietet ausdrücklich die Nachprüfung der zu vollstreckenden Entscheidung in der Sache. Der Antragsgegner muss seine Einwände vor den zuständigen Gerichten in Florida geltend machen.
Dasselbe gilt auch für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unzuständigkeit des Gerichts in Florida. Gem. Art. 27 HUÜ 2007 ist das Beschwerdegericht an alle tatsächlichen Feststellungen des Gerichtes des Ursprungsstaates gebunden. Das Gericht in Florida hat sich ausführlich mit der Frage der Zuständigkeit auseinandergesetzt.
b) Soweit der Beschwerdeführer im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens behauptet hat, die anzuerkennende Entscheidung sei i.S.d. Art. 22 lit. b HUÜ 2007 das Ergebnis betrügerischer Machenschaften der Antragsstellerin wurde dies von der Antragsstellerin substantiiert bestritten und vom Beschwerdeführer nicht unter Beweis gestellt.
So hat die Antragsstellerin – vom Antragsgegner nicht substantiiert bestritten – vorgetragen, dass sie die Zeiten ihrer persönlichen Anwesenheiten in Florida wahrheitsgemäß im Verfahren angegeben habe und diese ausführlich Gegenstand der Erörterung waren. Außerdem hatte der anwaltlich im Verfahren vertretene Antragsgegner alle Möglichkeiten, seine Sichtweise zur Zuständigkeit des Gerichts geltend zu machen. Der zuständige Richter hat alle Argumente geprüft und ist gleichwohl zu seiner Entscheidung gelangt.
Die Antragsstellerin hat auch nicht über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse getäuscht, sondern diese – wie vom Antragsgegner selbst vorgetragen – offengelegt und eidesstattlich versichert. Wenn das Gericht in Florida gleichwohl zur ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung gekommen ist, war dies seine Sachentscheidung, die im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden kann (s.o.).
Da den deutschen Gerichten – und so auch dem Beschwerdegericht – bereits die Überprüfung der Sachentscheidung im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach Art. 28 HUÜ 2007 verboten ist, hat der Senat erst recht keine Zuständigkeit für die vom Beschwerdeführer beantragte Abänderung des anzuerkennenden Unterhaltsbeschluss.
c) Ein Fall des Art. 22 lit.d HUÜ 2007 ist nicht gegeben. Dem Senat ist keine der anzuerkennenden Entscheidung widersprechende Entscheidung des Ursprungsstaates, etwa des dortigen Berufungsgerichts, mitgeteilt worden.
d) Auch für andere Ablehnungsgründe nach Art. 22 HUÜ 2007 liegen keine Anhaltspunkte vor.
Da das Amtsgericht zwar mit unzutreffender Begründung, aber im Rechtsfolgenausspruch richtig entschieden hat, war die Beschwerde des Antragsgegners als unbegründet zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 AUG i.V.m. § 243 Satz 1 und 2 Nr.1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der mit seiner Beschwerde unterlegene Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen § 46 AUG ebenso entbehrlich wie wegen der Festgebühr der Nr. 1720 KV-FamGKG eine Festsetzung des Verfahrenswerts. Die Voraussetzungen für eine Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 33 RVG liegen nicht vor.


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