Familienrecht

Zum Regressanspruch der Staatskasse gegen den Betreuten für verauslagte Betreuervergütung

Aktenzeichen  24 T 21/18

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42369
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1836c Nr. 2, § 1836e Abs. 1 S. 1, § 1908i
SGB XII § 60a, § 90

 

Leitsatz

1. Soweit die Staatskasse den Betreuer befriedigt, gehen Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Regressanspruch der Staatskasse gegen den Betreuten für verauslagte Betreuervergütung setzt jedoch voraus, dass der Betreute leistungsfähig ist, wobei seine Inanspruchnahme auf das nach § 1836 c BGB einzusetzende Einkommen und Vermögen begrenzt ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Einsatz des Vermögen des Betreuten verweist § 1836 c Nr. 2 BGB auf die Regelung des § 90 SGB XII. Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten, grundsätzlich zu schonenden, Teils des Vermögens einzusetzen, soweit dies keine Härte bedeutet.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine besondere Härte ist bei einer Leistung nach dem fünften bis neunten Kapitel insbesondere dann gegeben, soweit durch den Einsatz des Vermögens eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung für den Betroffenen wesentlich erschwert wurde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

XVII 155/17 2018-06-22 Bes AGKRONACH AG Kronach

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Kronach vom 22.06.2018 aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.650,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Für den Betroffenen war mit Beschluss des Amtsgerichts Kronach vom 04.09.2017 die Betreuung durch Frau … als Mitarbeiterin des Vereins … als Vereinsbetreuerin angeordnet worden ….
Der … beantragte für die Betreuung durch die Padagogin … im Zeitraum vom 05.09.2017 – 04.12.2017 einen Betrag von 924,00 € und im Zeitraum 05.12.2017-04.03.2018 einen Betrag von 726,00 € (Bl. 1 d Vergütungshefts) als Betreuervergütung zu erstatten Auf diesen Antrag hin erfolgte die Auszahlung von 1.650,00 € per Zahlungsanordnung im Verwaltungsverfahren (Bl. 2 d.Vergütungshefts).
Im Vermögensverzeichnis des Betroffenen zum Stichtag 04.09.2017 wurde ein Vermögen in Höhe von insgesamt 2.619,14 € ermittelt (Bl. 50 ff. d. Hauptakte) sowie auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich des Nachlasses seiner verstorbenen Mutter hingewiesen. Unter Rückgriff auf ein von der Schwester des Betroffenen vorgelegtes Nachlassverzeichnis vom 29.12.2017 (Bl. 61 d. Hauptakte) hat das Amtsgericht den Wert des Pflichtteils auf rund 17.500,00 € geschätzt.
Nach dem Bescheid des Bezirks Oberfranken vom 24.01.2018 übernimmt dieser für den Zeitraum 01.02.2018 bis 31.01.2019 die Kosten des Betreuten Wohnens des Betroffenen als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII (Bl. 81 ff. d. Hauptakte).
Mit weiterem Bescheid vom 12.04.2018 leitete der Bezirk Oberfranken u.a. den Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 BGB des Betroffenen gegen seine Schwester aus dem Nachlass der Mutter auf sich über (Bl. 106 ff. d. Hauptakte). In diesem Bescheid wird weiter ausgeführt, dass die ungedeckten Betreuungskosten des Betroffenen derzeit monatlich 558,23 € betragen.
Nach schriftlicher Anhörung des Betroffenen (Bl 5 d Vergütungshefts) und der Staatskasse setzte das Amtsgericht Kronach mit Beschluss vom 22.06.2018 die von dem Betroffenen aus seinem Vermögen zu erstattende Betreuervergutung auf 1.650,00 €, fällig am 01.09.2018, fest (Bl. 11 d Vergütungshefts). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass als Schonvermögen nur ein Betrag von 5.000,00 € anzusetzen sei Eine unzumutbare Härte durch den Einsatz des diesen Betrag übersteigenden Vermögens sei nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene, vertreten durch seine Betreuerin, mit Schreiben vom 05.07.2018, bei Gericht eingegangen am 10.07.2018, Beschwerde ein (Bl 17 d. Vergütungshefts).
Das Amtsgericht half der Beschwerde durch Beschluss vom 11.07.2018 nicht ab und legte sie dem Landgericht Coburg zur Entscheidung vor (Bl. 18 d Vergütungshefts).
Die Entscheidung über die Beschwerde wurde durch landgerichtlichen Beschluss vom 16.07.2018 auf den Einzelrichter übertragen (Bl 22 d Vergutungshefts)
II.
1. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, wobei insbesondere mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die Betreuerin die Beschwerde nicht in eigenem Namen, sondern im Namen des Betroffenen, ihres Betreuten, eingelegt hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 08.10.1997, Az 3Z BR 192/97)
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet Der Regressbeschluss des Amtsgerichts Kronach vom 22.06.2018 ist vollumfänglich aufzuheben.
a) Soweit die Staatskasse den Betreuer befriedigt, gehen Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über (§§ 1908 i, 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Regressanspruch der Staatskasse gegen den Betreuten für verauslagte Betreuervergütung setzt jedoch voraus, dass der Betreute leistungsfähig ist, wobei seine Inanspruchnahme auf das nach § 1836 c BGB einzusetzende Einkommen und Vermögen begrenzt ist. Hierbei sind ggf. auch zeitlich nach der Tätigkeit des Betreuers erworbene Mittel einzusetzen (Palandt/Götz, BGB, § 1836 e, Rn. 2).
b) Für den Einsatz des Vermögen des Betreuten verweist § 1836 c Nr. 2 BGB auf die Regelung des § 90 SGB XII Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten, grundsätzlich zu schonenden, Teils des Vermögens einzusetzen, soweit dies keine Härte bedeutet (§ 90 Abs. 3 S 1 SGB XII) Eine besondere Härte ist bei einer Leistung nach dem fünften bis neunten Kapitel insbesondere dann gegeben, soweit durch den Einsatz des Vermögens eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung für den Betroffenen wesentlich erschwert wurde (§ 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII).
aa) Richtig ist somit zunächst, dass gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII als Schonvermögen kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte in Höhe von 5.000,00 € anzusetzen sind.
bb) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist im vorliegenden Fall jedoch ein weiterer Betrag in Höhe von 25.000,00 € als Schonvermögen zu berücksichtigen.
Nach § 60 a Hs. 1 SGB XII gilt bis zum 31.12.2019 für Personen, die Leistungen nach diesem Kapitel, d h dem sechsten Kapitel des SGB XII „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“, erhalten, ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000,00 € für die Lebensführung und die Alterssicherung im Sinne von § 90 Abs. 3 S 2 SGB XII als angemessen Dies bedeutet, dass im Wege der Pauschalierung das Gesetz – ohne Einzelfallprüfung – einen (Vermögens-)Betrag von 25.000,00 € zu dem bereits (bislang) von § 90 Abs. 2 SGB XII geschützten Vermögen hinzunimmt, dessen Einsatz oder Verwertung ebenso pauschalierend stets eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII darstellt (vgl. BeckOK-Sozialrecht/Kaiser, SGB XII, § 60 a, Rn. 2). Mit dieser Regelung wird somit die Vorschrift des Altersvorsorgevermögens des § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII ausgestaltet (vgl. BeckOK-Sozialrecht/Siebel-Huffmann, SGB XII, § 90, Rn. 38 a). Nachdem der Betroffene derzeit für den Zeitraum 01.02.2018 bis 31.01.2019 Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII erhält, ist die Voraussetzung für den Ansatz dieses zusätzlich zu schonenden Vermögensbetrags erfüllt.
Soweit das Amtsgericht unter direkter Übernahme der Ausführungen des Bezirksrevisors ausführt, dass nach der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 03.01.2002, Az. 3Z BR 242/01, zu beachten sei, dass in anderen gesetzlichen Vorschriften anderweitig festgesetzte Schongrenzen im Bereich der Betreuervergütung ohne Belang seien und im Betreuervergütungsrecht für das einzusetzende Vermögen ausschließlich auf § 90 SGB XII und damit (!) die zu § 90 SGB XII Abs. 2 Nr. 9 erlassene Durchfuhrungsverordnung maßgebend sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Konkretisierung des § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII durch § 60 a SGB XII sich letztlich nicht von der Konkretisierung durch die zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ergangene Durchführungsverordnung unterscheidet. Letztlich gestalten beide Regelungen § 90 SGB XII inhaltlich aus, es handelt sich somit bei keiner dieser Regelungen um durch „andere gesetzliche Vorschriften“ anderweitig festgesetzte Schongrenzen. Gegenstand der zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts war – und dies ist entscheidend – die im dortigen Beschwerdeverfahren beanstandete Nichtberücksichtigung von Vermögensfreigrenzen aus dem Bundesversorgungsgesetz (dort § 25 f BVG) im Rahmen des Einsatzes des Vermögens des Betroffenen für die Vergütung des Betreuers.
Darüber hinaus nimmt § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII selbst bereits auf „Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel“ Bezug, wie auch § 60 a SGB XII auf § 90 Abs. 3 S 2 SGB XII Bezug nimmt. Im Ergebnis kann daraus und auch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit dieser Regelungen (vgl. LG Chemnitz, Beschluss vom 08.06.2017, Az. 3 T 231/17) nur folgen, dass der durch den Gesetzgeber in § 60 a SGB XII verortete weitere Schonbetrag neben dem in § 90 Abs. 2 SGB XII aufgeführten Schonvermögen im Rahmen der Prüfung eines etwaig einzusetzenden Vermögens des Betreuten gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII Anwendung findet.
c) Nachdem der Betroffene derzeit und unabhängig davon, in welcher Höhe der Bezirk Oberfranken den Pflichtteilsanspruch letztlich auf sich übergeleitet hat, maximal ein Vermögen besitzt, welches unterhalb der wie dargestellt anzuwendenden Schongrenze liegt, ist der angestrebte Regress der – Staatskasse nicht berechtigt. Der Beschluss des Amtsgerichts Kronach vom 22.06.2018 war daher aufzuheben.
3. Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG zuzulassen, weil die Frage der Anwendbarkeit der Regelung des § 60 a SGB XII im Rahmen des § 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 SGB XII – soweit ersichtlich – bislang obergerichtlich nicht geklärt ist
4. Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 2 Satz 1, 59, 36 Abs. 2 GNotKG. Sie basiert auf dem im Wege des Regresses zurückgeforderten Betrag und dient der Verfahrensverwaltung. Es handelt sich nicht um zu tragende Kosten.


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