Handels- und Gesellschaftsrecht

AGB: Vereinbarte Anpassungsrelevanz bei Änderungen der Wohnfläche

Aktenzeichen  6 U 1568/16

Datum:
7.3.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140563
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich können auch unwesentliche Änderungen beurkundungsbedürftiger Verträge beurkundungsbedürftig sein; ein Ausnahmefall liegt bei einer Behebung von Abwicklungsschwierigkeiten vor. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Haben die Parteien eine den Festpreis betreffende Anpassungsrelevanz nicht geringfügiger Änderungen der Wohnfläche nicht inividuell vereinbart, kann es sich um AGB handeln, die überraschend und daher unwirksam sein können. Die bloße Verlesung der Urkunde durch den Notar beseitigt den Überraschungseffekt nicht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 O 9162/13 2016-06-29 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Juni 2016, Az. 17 O 9162/13, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.274,39 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat auf den Hinweis vom 17. Januar 2017 Bezug (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO), der sich mit dem Berufungsvorbringen der Beklagten eingehend befasst hat (vgl. Bl. 293 ff. d.A.).
Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 2. März 2017 (Bl. 333 ff. d.A.), in dem diese zum Hinweis vom 17. Januar 2017 Stellung genommen hat, veranlassen keine hiervon abweichende Einschätzung.
Im Einzelnen:
1. Bei der Stellplatzvereinbarung handelte es sich um eine Konkretisierung der vertraglichen Vereinbarung im Bauträgervertrag (vgl. B. I. 1. a. im Hinweis vom 17. Januar 2017). Aus der für die Parteien relevanten „Vereinbarung“ vom 12./13. August 2008 (vgl. Anlage B 2) ergibt sich, dass die Vergrößerung der mit einer Circa-Vereinbarung versehenen Stellplatzgröße lediglich das Resultat einer im Vertrag bereits vorgesehenen und daher dessen Inhalt konkretisierenden Vermessung war (vgl. Seite 13 des Bauträgervertrags: „Flächenänderung nach Vermessung“).
2. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 2. März 2017 erneut die Auffassung vertritt, die Zusatzvereinbarung vom 25. November 2008 sei beurkundungsbedürftig gewesen, hat sie sich nicht mit den hierauf bezogenen Ausführungen im Hinweis vom 17. Januar 2017 auseinandergesetzt. Dort hat der Senat dargelegt, dass zwar grundsätzlich auch unwesentliche Änderungen beurkundungsbedürftiger Verträge beurkundungsbedürftig sein können. Im vorliegenden Fall hat der Senat aber einem im Einzelnen begründeten Ausnahmefall wegen der vereinbarten Behebung von Abwicklungsschwierigkeiten angenommen (vgl. B. I. 1. b. im Hinweis vom 17. Januar 2017).
3. Soweit die Sonderwunschvereinbarung (Ablage B 3) betroffen ist, hat der Senat im Hinweis vom 17. Januar 2017 erläutert, dass die Parteien aus dieser keine Ansprüche geltend gemacht haben (vgl. B. I. 1. c. im Hinweis vom 17. Januar 2017). Zudem hat der Senat im Einzelnen ausgeführt, dass auch eine etwaige Beurkundungsbedürftigkeit der nachträglichen Vereinbarungen die Formwirksamkeit des Bauträgervertrags nicht in Frage stellen würde (vgl. B. I. 2. im Hinweis vom 17. Januar 2017).
4. Der Senat hat im Hinweis vom 17. Januar 2017 (vgl. B. I. 3. b.) unter Berücksichtigung des von der Beklagten in Bezug genommenen Wortlauts der Anlage K 8 erläutert, dass ein Vorschussanspruch gerade nicht ausdrücklich zur Aufrechnung gestellt worden ist. Die Beklagte befasst sich im Schriftsatz vom 2. März 2017 auch nicht mit dem Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten nicht bestrittene Rechtstatsache vorgetragen hat, bezogen auf den hier relevanten Betrag (5.500,00 €) einen Schadensersatzanspruch gerichtet auf Erstattung der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen geltend gemacht zu haben.
5. Die für die Widerklage erhebliche Vertragsklausel, die „geringfügige Änderungen“ der Wohnfläche betrifft, ist unabhängig von der dort enthaltenen und das konkrete Objekt betreffenden „Brutto-Wohnfläche“ eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Beklagte hat in der ersten Instanz nicht vorgetragen, dass die Parteien die den Festpreis (Seite 13 des Bauträgervertrags) betreffende Anpassungsrelevanz nicht geringfügiger Änderungen der Wohnfläche individuell ausgehandelt haben (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Auflage, § 305 b Rn. 2). Die Beklagte hat vielmehr in der ersten Instanz den auf das Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bezogenen Sachvortrag des Klägers nicht bestritten (vgl. II. 1. a. im Hinweis vom 17. Januar 2017).
6. Entgegen der Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 2. März 2017 ist die entscheidungserhebliche Mehrflächenklausel auch überraschend und daher wegen eines Verstoßes gegen § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam. Der Kläger hätte insbesondere mit Blick auf die an anderer Stelle enthaltene Festpreisvereinbarung erwarten dürfen, dass unter der Überschrift „Kaufpreis“ alles zu diesem Thema Wesentliche zu finden ist. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass bei der notariellen Beurkundung eine spezielle Erläuterung der konkreten Preisrelevanz der Klausel vorgenommen worden ist. Die bloße Verlesung der Urkunde durch den Notar beseitigt im vorliegenden Fall den Überraschungseffekt jedenfalls nicht (vgl. II. 1. b. im Hinweis vom 17. Januar 2017; zum Verstoß gegen das Transparenzverbot vgl. II. 1. c. cc. im Hinweis vom 17. Januar 2017).
II.
Die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben. Die Entscheidung erfolgte einstimmig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es war keine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach mündlicher Verhandlung. Es handelt sich vorliegend um einen besonders gelagerten Einzelfall, der keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 543 Rn. 12 m.w.N.).
III.
1. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihre Berufung ohne Erfolg bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 42) und des angefochtenen Urteils ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.
3. Den Streitwert hat der Senat unter Berücksichtigung des Interesses der Beklagten am Erfolg ihrer Berufung festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).


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