Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Annahmeverzug, Rechtsmittel, Sittenwidrigkeit, Gebrauchtwagen, Darlegungslast, Sicherung, Bedeutung, Voraussetzungen, Stellungnahme, Annahme, Rechtssache, Bewertung, Verhandlung, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  2 U 355/21

Datum:
9.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54509
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 U 355/21 2021-04-19 Hinweisbeschluss OLGNUERNBERG OLG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 12.01.2021, Aktenzeichen 12 O 428/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Amberg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.323,64 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 12.01.2021, Aktenzeichen 12 O 428/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.4.2021 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, das am 12.1.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Amberg, Az.: 12 O 428/20 wie folgt neu zu fassen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 17.323,54 Euro sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.5.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Tourer mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …00
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1. genannten Fahrzeugs seit dem 15.4.2020 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsschutz GmbH zur Schadensnummer 0000-0000000 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,16 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Streitstandes im Berufungsverfahren nimmt der Senat ergänzend auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 26.3.2021 (Bl. 288) und 29.4.2021 (Bl. 332) sowie den der Beklagtenpartei vom 1.6.2021 (Bl. 347) Bezug.
Die Stellungnahme vom 29.4.2021 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Sie wendet sich im Wesentlichen gegen die Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 522 ZPO, wiederholt ihren Vortrag zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie zu einer Täuschung des Kraftfahrbundesamtes und geht nur am Rande auf die vorliegend entscheidende Frage ein, ob das Verhalten der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin im Lichte deren Verhaltens in der Zeit vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger noch als besonders verwerflich angesehen werden kann.
1. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 522 ZPO sind gegeben.
Der Sache kommt entgegen der Berufungsbegründung keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen Fragen wurden durch die zitierte Rechtsprechung des BGH bereits geklärt. Die vorliegende Entscheidung steht zudem im Einklang mit den von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (I-28U 111/20 vom 15.4.2021) und des Oberlandesgerichts Köln (3 U 123/20 vom 5.3.2021). Die von der Berufungsbegründung hervorgehobene Frage, ob eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Es kann für die vorliegende Entscheidung als wahr unterstellt werden, dass objektiv eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und die Beklagte hierüber das Kraftfahrbundesamt getäuscht hat, weil diesen Umständen unter Berücksichtigung des nachfolgenden Verhaltens der Beklagten kein ausreichendes Gewicht zukommt.
Einer Erholung der hierzu angebotenen Beweise bedarf es daher ebenso wenig wie eines Eingehens auf die Meinung, dass die Beklagte mit ihrem Vortrag hierzu nicht ausreichend ihrer Darlegungslast nachgekommen sein könnte.
2. Der Einwand der Berufungsbegründung, dass das Nachtatverhalten der Beklagten nicht das erforderliche Schuldeingeständnis beinhalte, ist unbegründet.
a) Der in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des BGH (VI ZR 889/20 v. 9.3.2021) lässt sich dieses Erfordernis nicht entnehmen. Maßgeblich war nach der genannten Entscheidung, dass die Mitteilung der damaligen Beklagten objektiv geeignet war, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren des Typs EA189 in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, eine diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen.
Dementsprechend wird in der Pressemitteilung vom 29.3.2016 davon gesprochen, dass Vertrauen zurückgewonnen werden müsse, sowie Unterschiede zwischen den „offiziellen Verbrauchs- und CO₂-Werten“ und denen nach „Real Driving Emissions-Standard“ thematisiert werden. In der Mitteilung vom 25.4.2016 wird ein Software-Update in Abstimmung mit dem Kraftfahrbundesamt für das streitgegenständliche Model angekündigt.
Soweit im o.g. vom BGH entschiedenen Fall die Firma VW „Unregelmäßigkeiten“ eingeräumt hat, mag das deutlicher gewesen sein, kann aber auch nur schwerlich als Schuldeingeständnis einer Täuschungshandlung interpretiert werden.
b) Vielmehr hat der BGH in einer weiteren Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2021 – VI ZR 1180/20) ausdrücklich ausgeführt:
Dass die Beklagte die Abschalteinrichtung nicht selbst als illegal gebrandmarkt hat, sondern im Gegenteil dieser (zutreffenden) Bewertung in der Folgezeit entgegengetreten ist, dass sie eine bewusste Manipulation geleugnet hat und dass sie möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber späteren Käufern nicht aus. Insbesondere war ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potentiellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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