Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Fahrzeug, Grenzwerte, Haftung, Klage, Hinweisbeschluss, Verzug, Darlegungslast, Annahme, Sicherung, Bedeutung, Manipulation, Berufungsinstanz, Hinweis, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  33 U 1026/21

Datum:
4.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52029
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

33 U 1026/21 2021-08-18 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.02.2021, Aktenzeichen 4 O 11090/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klagepartei begehrt im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal von der Beklagten Schadensersatz nunmehr in Höhe von 28.439,18 € Zug um Zug gegen Rückgabe ihres von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs BMW X4, den sie am 13.03.2019 bei der B. AG, Niederlassung M. Zentrum Gebrauchte Automobile gebraucht für 29.000 € mit einem km-Stand von 66.415 km erworben hatte. Der PKW ist mit dem Motor Typ B47 EU6, ausgestattet und verfügt unstreitig (S. 28/29 der Klageerwiderung und S. 8 der Urteilsgründe) nicht über ein sog. SCR-System (“Ad Blue“). Für das Fahrzeug gibt es hinsichtlich der Abgasreinigung keinen amtlichen Rückruf, auch ein Software-Update wurde weder angeordnet noch durchgeführt (S. 2 und 8 des Ersturteils). Gegen die Verantwortlichen der Beklagten wurde bezüglich des streitgegenständlichen Motortyps auch kein Ermittlungsverfahren wegen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingeleitet.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts behauptet die Klagepartei, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, die Schadstoffausstöße unter Testbedingungen derart optimiere, dass nur unter diesen die Grenzwerte eingehalten würden. Aufgrund von Softwareupdates sei es zu Folgemängeln am Fahrzeug gekommen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 11.02.2021 Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Klagepartei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, auch nicht nach § 826 BGB, Ansprüche zustünden. Schon hinreichend substantiierter Vortrag zu der behaupteten Manipulation der Motorsteuerungssoftware an dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei nicht erfolgt.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klagepartei, die ihre erstinstanzlichen Anträge weitgehend wiederholt.
Die Klagepartei beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 327/328),
I. die Beklagte unter Abänderung des am 11.02.2021 verkündeten Urteils 4 O 11090/20 zu verurteilen, an die Klagepartei Euro 28.439,18 nebst Zinsen aus Euro 26.862,85 hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zugum-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs BMW X4, FIN: …406;
II. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag I genannten Fahrzeugs seit dem 20.07.2020 in Verzug befindet;
III. die Beklagte unter Abänderung des am 11.02.2021 verkündeten Urteils 4 O 11090/20 zu verurteilen, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 1.564,26 freizustellen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 326):
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Mit Hinweisbeschluss vom 18.08.2021 (Bl. 642/651), auf den Bezug genommen wird, wurde die Klagepartei darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 17.09.2021 (Bl. 655/681) hat die Klagepartei inhaltlich zum Hinweisbeschluss Stellung genommen.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsrechtszug Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klagepartei ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil für offensichtlich zutreffend. Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des Erstgerichts sowie auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.08.2021 Bezug, der auch bei erneuter Überprüfung als nach wie vor zutreffend erscheint. Der hierauf erwidernde Schriftsatz der Klagepartei vom 17.09.2021 ergab keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.
1. Vorauszuschicken ist, dass die der Klagepartei auf einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO eingeräumte Frist zur Stellungnahme nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht, denn die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO ist abgelaufen. Soweit die Klagepartei in diesem Schriftsatz nunmehr im Berufungsverfahren neu zu einer weiteren Abschalteinrichtung vorträgt und dabei auch neue Beweismittel vorlegt bzw. anbietet, ist dieses Vorbringen gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO verspätet und mithin zwingend zurückzuweisen, da die Zulassungsvoraussetzungen nach § 296 Abs. 1 und 4 ZPO weder dargelegt noch glaubhaft gemacht sind (Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 530 Rn. 4; Münchener Kommentar/ Rimmelspacher, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 522 Rn. 30). Darauf hatte der Senat als nobile officium auch bereits in seinen „Allgemeinen Verfahrenshinweisen“ ausdrücklich aufmerksam gemacht (nach Bl. 140/141).
2. Auch das verspätete Vorbringen hätte aber keine andere Entscheidung gerechtfertigt. Denn es bleibt dabei: Eine vorliegend mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien allein in Betracht kommende deliktische Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB wegen des behaupteten Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung scheidet aus.
Die angebliche Höhe der Grenzwertüberschreitung des NOx-Ausstoßes (Schriftsatz vom 17.09.2021, S. 2/8, Bl. 656/662) liefert vorliegend keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Der Senat verweist insoweit auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.08.2021 (S. 6), insbesondere die dort zitierte Entscheidung des BGH vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20.
Der Beklagten obliegt zur Frage, ob Abschalteinrichtungen vorliegen, auch keine sekundäre Darlegungslast (Schriftsatz vom 17.09.2021, S. 2, Bl. 656). Denn unschlüssiger Vortrag bzw. Vortrag ins Blaue hinein löst keine sekundäre Darlegungslast aus (Hinweisbeschluss, S. 5).
Soweit die Klagepartei neu und verspätet zu einer weiteren Abschalteinrichtung in Form einer Motorsteuerung mittels eines sog. „Kaltstartheizens“ offensichtlich völlig ins Blaue hinein vorträgt, sind schon hinreichende Anhaltspunkte für eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte, für die die Klagepartei darlegungs – und beweispflichtig ist, nicht ersichtlich. Da die Klagepartei schon ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, ist auch eine Beweisaufnahme zu den von ihr behaupteten Abschalteinrichtungen nicht geboten. Streitgegenständlich ist hier ein BMW X4 mit einem Motor Typ B 47 EU6. Der Hinweis auf andere BMW-Modelle ist offensichtlich nicht entscheidungserheblich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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