Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Streitwert, Wiedereinsetzung, Frist, Berufungsverfahren, Rechtsmittel, verwerfen, Schriftsatz, Stellungnahme, Fachgruppe, Verschulden, Kostenentscheidung, Endurteil, Hinweis, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Gelegenheit zur Stellungnahme, von Amts wegen

Aktenzeichen  8 U 173/19

Datum:
20.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57057
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

8 U 173/19 2019-08-28 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 18.06.2019, Az.: 23 O 482/19, wird als unzulässig verworfen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.663,83 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Das Landgericht Würzburg hat mit Endurteil vom 18.06.2019 die Klage abgewiesen.
Diese Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24.06.2019 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 09.07.2019, bei dem Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin (fristgerecht) Berufung eingelegt.
Eine Berufungsbegründungsschrift ging bis Montag, 26.08.2019 nicht beim Oberlandesgericht Bamberg ein.
Daraufhin hat der Senat den Parteien mit Beschluss vom 28.08.2019 mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 18.06.2019, Az.: 23 O 482/19, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 19.663,83 Euro festzusetzen. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beschluss wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 04.09.2019.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben daraufhin mit Schriftsatz vom 16.09.2019 vorgebracht, sie hätten am 23.08.2019 die Berufungsbegründung, unterzeichnet von Rechtsanwalt P., über das elektronische Anwaltspostfach beA an das Oberlandesgericht übermittelt. Weiter teilten sie mit, dass dieser Schriftsatz erneut zur Gerichtsakte, „zusammen mit dem Sendeprotokoll des beA-Postfachs auf der Webseite der Bundesrechtsanwaltskammer“, überreicht werde.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 18.09.2019 wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass dem Schriftsatz vom 16.09.2019 die dort benannten Anlagen nicht beigefügt gewesen seien; über das „EAP“ seien nur der Berufungsschriftsatz vom 09.07.2019 und der Schriftsatz vom 16.09.2019 eingegangen.
Mit Schriftsatz vom 26.09.2019 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass auf die Verfügung vom 18.09.2019 „anliegend erneut die Berufungsbegründung vom 23.08.2019 nebst erfolgreichen Sendebericht zur Berufungsbegründung“ überreicht werde. Dem Schriftsatz beigefügt war eine durch Rechtsanwalt P. beglaubigte Abschrift der Berufungsbegründung vom 23.08.2019.
Mit Verfügung vom 02.10.2019 wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, bis 16.10.2019 das Nachrichtenkennzeichen für die dargelegte per beA erfolgte Übermittlung der Berufungsbegründung vom 23.08.2019 mitzuteilen. Ferner erfolgte der Hinweis, „dass bislang ein fristgerechter Eingang der Berufungsbegründungsschrift nicht erkennbar“ sei.
Mit Schriftsatz vom 09.10.2019 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Nachrichtenkennzeichen im Einzelnen mit. Ferner überreichten sie einen Screenshot der Nachrichtenanzeige aus dem Webportal der Bundesrechtsanwaltskammer zum beA als Anlage. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 09.10.2019 Bezug genommen.
Nach Kontaktaufnahme mit der Fachgruppe Justiz (IBS Justizprogramme) unter dem mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.10.2019 angegebenen Nachrichtenkennzeichen, teilte diese am 10.10.2019 folgendes mit:
„Die Nachricht ist eingegangen, hatte aber keinerlei Inhalt. Die Nachricht war somit nicht verarbeitbar. Der Absender, P., wurde per E-Mail vom 26.08.2019, 13:47 Uhr, davon in Kenntnis8 U 173/19 – Seite 3 – gesetzt und gebeten, die Nachricht erneut zu senden oder eine andere Versand-Art zu wählen. Da sich der RA nicht mehr gemeldet hat, wurde davon ausgegangen, dass die Angelegenheit erledigt ist und die Nachricht wurde fehlerhaft abgespeichert.“
Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde aufgrund Verfügung vom 15.10.2019 die vorgenannte Mitteilung der Fachgruppe Justiz (IBS Justizprogramme) mitgeteilt zur Stellungnahme bis 31.10.2019.
Hierauf teilte Rechtsanwalt P. mit Schriftsatz vom 31.10.2019 mit, dass der Eingang der von der Fachgruppe Justiz angesprochenen E-Mail vom 26.08.2019 nicht habe festgestellt werden können.
Eine in der Folgezeit nochmalige Rückfrage bei der Fachgruppe Justiz ergab, dass es bezüglich dieser E-Mail keine Unzustellbarkeitsmeldung gegeben habe.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 18.06.2019, Az.: 23 O 482/19, war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil das Rechtsmittel nicht in der gesetzlich bestimmten Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) begründet worden ist.
Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats und das Ergebnis der Ermittlungen zum angegebenen Nachrichtenkennzeichen der Berufungsbegründung Bezug genommen. Danach ist davon auszugehen, dass zwar noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, die am Montag, 26.08.2019 ablief, eine Nachricht eingegangen ist. Diese hatte aber keinerlei Inhalt. Damit lag innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vor. Die dem Schriftsatz vom 26.09.2019 beigefügte beglaubigte Abschrift der Berufungsbegründung vom 23.08.2019 war zwar von Rechtsanwalt P. unterzeichnet, ging aber erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Oberlandesgericht Bamberg ein. Die Berufung erweist sich damit als unzulässig.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kommt nicht in Betracht. Eine solche von Amts wegen wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung bei Nachholung der versäumten Handlung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO (hier Satz 2) für das Gericht offenkundig wäre (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 236 Rn. 5 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Insbesondere fehlen nähere Angaben dazu, dass ein anwaltliches Verschulden bei der Datenübertragung ausgeschlossen werden kann.
Das Rechtsmittel war mithin, wie bereits im Beschluss vom 28.08.2019 angekündigt, als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert entspricht dem Zahlbetrag des geltend gemachten Leistungsantrags, § 3 ZPO.


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