Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufungsbegründung nach mehrfach begründeter Klageabweisung

Aktenzeichen  20 U 1635/17

Datum:
8.11.2017
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 520 Abs. 3 S. 2, § 530

 

Leitsatz

1 Wird die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH BeckRS 2016, 14156).  (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit sich die Klagepartei auf die Möglichkeit beruft, weitere Berufungsgründe bzw. rechtliche Erwägungen unter den Voraussetzungen des § 530 ZPO nachschieben zu können, verkennt sie, dass dieser Grundsatz nur gilt, wenn eine zulässige Berufung vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

83 O 2388/16 2017-04-07 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 07.04.2017, Az. 83 O 2388/16, wird verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.635 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Maklerprovision in Höhe von 19.635 € geltend. Hinsichtlich des Sachverhalts und der Anträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 51/57 d.A.) Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen im Sachverhalt haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
Mit Endurteil vom 07.04.2017 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat dabei offen gelassen, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Maklervertrag über beide Objekte (ehemalige Hofstelle und zugehöriges Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung) zustande gekommen ist und ob die entfaltete Nachweistätigkeit der Klägerin wegen behaupteter Vorkenntnis der Beklagten von dem Objekt für den abgeschlossenen Hauptvertrag kausal geworden ist. Denn der Anspruch der Klägerin scheitere bereits aus anderen Gründen: So habe die Beklagte nämlich einen eventuell zustande gekommenen Maklervertrag jedenfalls mit Schreiben vom 30.06.2016 wirksam widerrufen, da ihr Widerrufsrecht mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht gemäß § 354 Abs. 4 Satz 1 BGB erloschen sei. Zudem bestehe ein Provisionsanspruch der Klägerin deswegen nicht, weil dieser nicht kongruent zum abgeschlossenen Hauptvertrag sei. Zu den Entscheidungsgründen im Einzelnen wird auf Bl. 57/62 d.A. verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ausweislich ihrer Berufungsbegründung vom 07.06.2017 (Bl. 75/80 d.A.) – abweichend vom dort genannten Antrag – ihren Anspruch wie in erster Instanz weiterverfolgt. Sie ist weiterhin der Ansicht, eine zu entlohnende Maklertätigkeit erbracht zu haben. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf Vorkenntnis berufen. Darüber hinaus fehle es am erforderlichen rechtzeitigen Widerruf des Vertrages.
Die Klägerin beantragt daher,
das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.635 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz heraus seit dem 15.05.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Hilfsweise stellt sie Antrag auf Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Berufung bereits unzulässig sei. Es fehle ein konkreter Berufungsantrag der Klägerin, mit dem das Begehren aus erster Instanz weiterverfolgt werde. Zudem habe das Erstgericht im Rahmen seiner Urteilsbegründung zwei tragende Gründe herangezogen, die zur Klageabweisung geführt hätten und zwar den wirksamen Widerruf und die fehlende Kongruenz. Diese Gründe, insbesondere die fehlende Kongruenz, würden jedoch im Rahmen der Berufungsbegründung nicht angegriffen.
Darüber hinaus wiederholt und vertieft die Beklagte in inhaltlicher Hinsicht ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die Hinweise des Senats in der Ladungsverfügung vom 04.09.2017 (Bl. 89/95) und in der Verfügung vom 02.10.2017 (Bl. 108 d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017 (Bl. 134/137 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist unzulässig und daher zu verwerfen.
1. Zwar ist der widersprüchliche Berufungsantrag vom 07.06.2017 (Bl. 75 d.A.), der auf Urteilsaufhebung und Klageabweisung lautet, aus Sicht des Senats noch der Auslegung dahingehend zugänglich, dass der Klageantrag aus erster Instanz weiter verfolgt wird. Denn bei Auslegung einer Prozesserklärung darf eine Partei nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, sondern es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlungen das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstanden Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2009, Az. XI ZB 15/09, juris Rn. 9 m.w.N.).
2. Jedoch greift die Berufungsbegründung vom 07.06.2017 (Bl. 75/80 d.A.) nicht alle das Urteil selbständig tragenden Gründe an.
Unzweifelhaft hat das Landgericht hier seine klageabweisende Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige Gründe gestützt, nämlich zum einen auf den wirksamen Widerruf des Vertrages und zum anderen auf die fehlende Kongruenz. Dies ergibt sich aus der insoweit eindeutigen Formulierung in den Gründen des Urteils und wird noch dadurch unterstrichen, dass die Ablehnungsgründe unter verschiedenen Ziffern aufgeführt sind. Von diesen beiden Gründen wurde in der Berufungsbegründung nur der wirksame Widerruf, nicht aber die fehlende Kongruenz angegriffen.
Wird die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 21.07.2016, IX ZB 88/15, juris Rn. 9 m.w.N.). Dabei kann nicht, wie die Klagepartei vorträgt, zwischen tatsächlichen und rechtlichen Gründen unterschieden werden. Vielmehr muss die Berufungsbegründung erkennen lassen, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe der Berufungskläger dem Urteil im Einzelnen entgegensetzt (BGH a.a.O., juris Rn. 5 und 13).
Soweit sich die Klagepartei auf die Möglichkeit beruft, weitere Berufungsgründe bzw. rechtliche Erwägungen unter den Voraussetzungen des § 530 ZPO nachschieben zu können, verkennt sie, dass dieser Grundsatz nur gilt, wenn eine zulässige Berufung vorliegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bundestagsdrucksache 14/4722, S. 95. Richtig ist, dass im Hinblick auf jedes einzelne Begründungselement im Urteil jeweils nur einer der in § 520 Abs. 3 Nr. 2 – 4 ZPO genannten Gründe ordnungsgemäß dargelegt sein muss und weitere Berufungsgründe dann auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und damit verspätet vorgebracht werden können, wenn dem nicht § 530 ZPO entgegensteht. Dies setzt aber voraus, dass jeder einzelne tragende Urteilsgrund in der Berufungsbegründung zuvor angegriffen wurde. Vorliegend ist dies erst mit Schriftsatz vom 24.10.2017 (Bl. 111/122 d.A.) geschehen, mit dem zugleich auch der Berufungsantrag richtig gestellt wurde. Dies war allerdings nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und konnte somit der Berufung nicht mehr zur Zulässigkeit verhelfen.
Nachdem die Berufung bereits unzulässig ist, war eine materiell-rechtliche Prüfung nicht mehr veranlasst.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 GKG, § 3 ZPO.


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