Handels- und Gesellschaftsrecht

Beweiswürdigung hinsichtlich des Zustandekommen eines Kaufvertrages

Aktenzeichen  20 U 4960/19

Datum:
22.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6452
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB §§ 145 ff., § 433 Abs. 2
ZPO § 286

 

Leitsatz

Einzelfallentscheidung zur Frage, ob die Klägerin, die den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Erblasser und Rechtsvorgänger des Beklagten behauptet, eine entsprechende Einigung zwischen ihrem Sohn als Vertreter und dem Erblasser bewiesen hat (verneint). (Rn. 13 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

72 O 4182/18 2019-08-08 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 08.08.2019, Az. 72 O 4182/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 74.900,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen der Klägerin – vertreten durch ihren Sohn Franz W. – und dem inzwischen verstorbenen Anton W., dessen Rechtsnachfolger der Beklagte ist, ein Kaufvertrag über einen gebrauchten Porsche und eine Hebebühne zustande gekommen ist.
Unstreitig hatte sich Herr Anton W. (im Folgenden: der Erblasser) im Juni 2017 nach Dresden begeben, um dort Verhandlungen über den Kauf eines von der Klägerin zum Preis von 74.900,- € angebotenen gebrauchten Porsche 964 (Umbau auf 993 GT 2) zu führen. Von Seiten der Verkäuferin wurden die Verhandlungen von ihrem Sohn, dem Zeugen Franz W., geführt. Die weiteren Einzelheiten des Geschehens sind streitig, insbesondere ob es zu einem Kaufvertragsschluss kam.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 74.900,00 €, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie einer Hebebühne.
Die Klägerin behauptet, dass der Kaufvertrag nach einer Probefahrt mündlich während eines Abendessens am 11.06.2017 geschlossen worden sei, bei dem Herr W. und die Zeugen We., K. und C. anwesend gewesen seien.
Der Beklagte behauptet, dass es nicht zu einem Kaufvertragsschluss gekommen sei.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr.1 ZPO.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen We., K., C. sowie gegenbeweislich der Zeuginnen W. und M.) wies das Erstgericht die Klage mit Endurteil vom 08.08.2019 ab. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass es zu dem behaupteten Abschluss des Kaufvertrags gekommen sei.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Sie ist insbesondere der Meinung, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme die Klageabweisung nicht trägt. Außerdem habe es das Erstgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Zeugen Harro J. und Dirk S. zu vernehmen. Diese hätten bekundet, dass der Erblasser nach dem 11.06.2017 mehrfach erwähnt habe, er habe das Auto käuflich erworben. Die Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung des Erstgerichts seien fehlerhaft. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 27.09.2019 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 74.900,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszins seit dem 01.08.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Porsche 964 Turbo 3.6 S (Umbau auf 993GT 2) mit der Fahrzeug ID-Nummer …84, Farbe Silber metallic, sowie einer Hebebühne mit einer Tragkraft von 2.000 Kg.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit dem 01.08.2017 in Verzug mit der Annahme der unter 1. bezeichneten Gegenleistung befindet.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.196.34 € € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Kaufvertragsschluss sei nicht nachgewiesen worden. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderung vom 21.01.2020 Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Harro J. und Dirk S. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2020 (Bd II Bl. 31/39 d.A.) wird Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugen J. und S. gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Nachweis für den von ihr behaupteten Kaufvertragsschluss nicht hat führen können.
1. Die Angaben der Zeugen J. und S. bei ihrer Vernehmung vor dem Senat beseitigen nicht die erheblichen Zweifel daran, dass zwischen der Klägerin – vertreten durch den Zeugen We. – und Herrn W. ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug und die Hebebühne abgeschlossen worden ist.
a) Der Zeuge Harro J. gab zwar an, dass er – auf dem Weg nach Tschechien – an dem Geschäft des Zeugen We. angehalten habe, weil dort ein Porsche gestanden sei; ein Herr habe ihm gesagt, er habe das Auto gekauft. Allerdings ist es nach Überzeugung des Senats auffällig, dass der Zeuge sich ansonsten nicht mehr an Einzelheiten erinnern konnte. Der Zeuge konnte das Geschehen zeitlich nicht näher einordnen. So wusste er nicht einmal mehr das Jahr, in dem sich dies ereignet haben soll. Lediglich, dass es warm genug zum Motorradfahren gewesen sei, wusste er noch. Auch um welchen Fahrzeugtyp es sich handelte, wusste er nicht mehr; die von ihm als möglich genannten Modelle (Porsche 911, 924, 944) unterscheiden sich dabei erheblich voneinander. Auch an die Person des Käufers hatte er keine nähere Erinnerung; allerdings glaubte er sich zu erinnern, dass der aus Oberbayern stammende Erblasser den gleichen Dialekt wie der aus Mannheim stammende Zeuge gesprochen habe. Unzutreffend ist (wie aber die Klägerin meint, vgl. Schriftsatz vom 09.04.2020, Seite 1), dass der Zeuge angab, der Mann habe einen bayerischen Dialekt gesprochen.
Der Senat hält die Aussage im Hinblick auf den behaupteten Kaufvertragsschluss für wenig aussagekräftig und belastbar. Die mehr oder weniger vage Erinnerung an eine eher beiläufige Aussage eines Herrn, er habe einen Porsche gekauft, reicht dem Senat nicht aus, darauf seine Überzeugung auf den von der Klägerin behaupteten Abschluss eines Kaufvertrags zu stützen.
b) Der Zeuge Dirk S. konnte aus eigener Erinnerung nichts zu einem Kaufvertragsschluss sagen. Zwar sei ihm der Erblasser vom Zeugen We. als „Käufer“ des Porsche vorgestellt worden, er selber sei aber bei einem Kaufvertragsschluss nicht dabei gewesen.
Der Zeuge gab zudem an, der Erblasser sei über einen Zeitraum von ca. 14 Tagen immer wieder über Stunden im Geschäft gewesen und habe ihn vom Arbeiten abgehalten. Näheres zum behaupteten Abschluss des Kaufvertrags konnte er trotzdem nicht sagen. Vielmehr sei es so gewesen, dass er den Zeugen We. gedrängt habe, dass die Sache „zu einem Abschluss“ kommt. Ob damit der Abschluss des Kaufvertrags oder dessen Vollzug (und die Verbringung des Fahrzeugs an den Wohnort des Käufers) gemeint war, lässt sich anhand der Aussage des Zeugen letztlich nicht beurteilen.
2. Die Aussagen der beiden Zeugen wecken weder Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung durch das Erstgericht noch sieht der Senat nach Vernehmung der beiden Zeugen eine Notwendigkeit, auch die übrigen, bereits erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen. Auf Grundlage der protokollierten Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen sowie der persönlich angehörten Zeugen J. und S. konnte sich der Senat keine Überzeugung davon bilden, dass es zu dem in der Klageschrift behaupteten Abschluss des Kaufvertrags kam.
a) Die Zeugen We., K. und C. haben bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht zwar übereinstimmend angegeben, dass am Abend des 11.06.2017 bei einem gemeinsamen Essen in einem Restaurant der Kaufvertrag mündlich „per Handschlag“ geschlossen worden sei. Der Senat ist jedoch wie das Landgericht der Auffassung, dass aus ihren Aussagen nicht die Überzeugung gewonnen werden kann, dass an diesem Abend tatsächlich ein Vertrag mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt geschlossen worden ist. Wie das Landgericht ausgeführt hat, haben die Zeugen zwar jeweils den Vertragsschluss als solchen geschildert, zu weiteren Einzelheiten aber nur teils vage, teils widersprüchliche Angaben gemacht. So hat der Zeuge We. – der für die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt hat – geschildert, man habe zuerst gegessen und dann verhandelt. Seine Lebensgefährtin, die Zeugin K., hat demgegenüber zunächst spontan erklärt, der Vertrag sei vor dem Essen geschlossen worden, der Zeuge C. sei erst nach dem Essen gekommen. Auf den Vorhalt, ob der Zeuge C. erst nach dem Vertragsschluss gekommen sei, hat sie geäußert, es seien ja Verhandlungen gewesen, und schließlich angegeben, sie wisse nicht mehr, ob Herr W. vor oder nach dem Essen gesagt habe, „ja, das machen wir so“. Der Zeuge C. hat zwar bekundet, es sei „schwer über den Preis verhandelt“ worden, konnte sich aber nicht an den Preis erinnern.
b) Die erheblichen Zweifel des Senats daran, dass der behauptete Kaufvertrag so geschlossen wurde wie in der Klage behauptet – nach einer Probefahrt am Abend des 11.06.2017 in Gegenwart der Zeugen We., K. und C. -, werden dadurch noch verstärkt, dass vorprozessual mit Anwaltsschreiben vom 20.07.2017 (Anlage K 5) ein anderer Geschehensablauf behauptet wurde, nämlich ein Kaufvertragsschluss nach Durchführung mehrerer Probefahrten erst am 19.06.2017, und zwar in Gegenwart des Zeugen S.
Das gilt auch unter Berücksichtigung der Erklärung des Klägervertreters (vgl. Seite 2 des Protokolls vom 11.03.2020) zur Entstehung dieses Schreibens: Er habe das Schreiben als eine Art Gefälligkeit gegenüber dem Zeugen We. gesehen, der ihm zunächst nur die Information gegeben habe, um welches Fahrzeug es sich handelte. Bei einem Anruf in der Werkstatt des Zeugen We. habe er nur den Zeugen S. erreicht, der ihm den Sachverhalt geschildert habe. Später habe sich herausgestellt, dass „die Reihenfolge nicht zutreffend“ gewesen sei.
Die Darstellung in dem vorgerichtlichen Schreiben weicht jedoch nicht nur hinsichtlich der Reihenfolge – welche Fahrten vor und welche nach Vertragsschluss durchgeführt wurden – von der Darstellung in der Klageschrift ab, sondern auch hinsichtlich der Umstände des Vertragsschlusses. Ausweislich des vorgerichtlichen Schreibens soll der Vertragsschluss in Gegenwart des Zeugen S. erfolgt sein, nach der Darstellung im gerichtlichen Verfahren bei einem Abendessen am 11.06.2017, bei dem – neben dem Zeugen We.- die Zeugen K. und Cruse zugegen waren, nicht aber der Zeuge S.
Der Zeuge S. konnte sich bei seiner Vernehmung nicht konkret an ein Telefonat mit dem Klägervertreter erinnern. Zu einem Vertragsabschluss konnte er nichts sagen, weder aus eigener Kenntnis noch aus Gesprächen mit Herrn W.; er hat vielmehr angegeben, er habe sich mit Herrn W. nicht „über den Kauf als solches“ unterhalten.
c) Hinzu kommen die weiteren vom Landgericht dargestellten Ungereimtheiten, die zwar für sich betrachtet nicht zwingend gegen den Abschluss eines Kaufvertrages sprechen mögen, aber geeignet sind, Zweifel zu bestärken.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.
IV.
Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 1 Nr.1 ZPO zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S.1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben