Handels- und Gesellschaftsrecht

Gesamtbetrachtung

Aktenzeichen  1 IN 175/12

Datum:
9.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56670
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 6 Abs. 1
InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 IN 175/12 2019-05-24 Bes AGMEMMINGEN AG Memmingen

Tenor

Der sofortigen Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss vom 24.05.2019 (Bl. 409/414 d. A.) wird nicht abgeholfen, §§ 6 Abs. 1 InsO, 572 Abs. 1 ZPO.

Gründe

Zunächst sei auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Ergänzend ist auf das umfängliche Beschwerdevorbringen wie folgt einzugehen:
1. Wie bereits bei Festsetzung der Vergütung für den vorläufigen Verwalter und der entsprechenden Nichtabhilfeentscheidung ist dem Verwalter die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegenzuhalten:
Das Insolvenzgericht braucht nicht für jeden in Frage kommenden Zuschlags- oder Abschlagstatbestand zunächst isoliert zu entscheiden, ob er eine Erhöhung oder Ermäßigung des Regelsatzes rechtfertigt; es darf den Zuschlag für einen an sich erfüllten Erhöhungstatbestand auch dann versagen, wenn die für ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz sprechenden Gründe bei einer Gesamtbetrachtung gleichwertig erscheinen (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 – IX ZB 607/02 -, juris). Deshalb ist vorliegend gerade nicht auf die Höhe der einzelnen Zu- und Abschläge eingegangen worden, sondern es ist ein Zuschlag auf die Regelvergütung von 40% im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gewährt worden.
Zur Frage in welcher Höhe sich die einzelnen im angefochtenen Beschluss genannten Erleichterungen auf die Verwaltervergütung auswirken, möchte der Beschwerdeführer auf „in Literatur und Rechtsprechung“ gefundene Abschlaghöhen zurückgreifen. Dies ist vom BGH unter Hinweis auf die notwendige Einzelfallentscheidung bereits mehrfach abgelehnt worden, z.B. BGH, Beschluss vom 01. März 2007 – IX ZB 277/05 -, juris sowie Beschluss vom 13. November 2008 – IX ZB 141/07 -, juris.
2. Anders als die Beschwerdebegründung meint, erfolgt durch den Vergütungsfestsetzungsbeschluss kein Abzug, da der Verwalter eigene Tätigkeitsbereiche auf Externe verlagert hat. Vielmehr hat das Gericht in Anwendung der Rechtsprechung, BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – IX ZB 48/04 -, juris, festgestellt, dass durch den externen Rechtsrat eine Erleichterung der Geschäftsführung des Verwalters eingetreten ist bzw. die Erschwernis durch Zuschlagstatbeständen geringer war. Die Zulässigkeit der Einschaltung eines Prozessanwaltes stand nie im Zweifel. Auch die Beauftragung eines Spezialanwaltes, der zu höheren Kosten als die gesetzliche Vergütung abrechnete, wurde nicht beanstandet. Das zeigt sich schon daran, dass sonst die festzusetzende Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag zu kürzen gewesen wäre, vgl. BGH v. 11.11.2004 aaO. Gleiches gilt für die Einschaltung eines M& A Beraters.
3. Unter 2. (Seite 8 der Beschwerdebegründung) setzt sich der Beschwerdeführer mit der Kommentierung von Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl., § 11 Rn. 106 f auseinander und hält dieser die ihm genehmere Meinung des Online Kommentars von Gräber entgegen. Dabei übersieht er, dass der angegriffene Teil des Beschlusses ein wörtliches Zitat aus einer Entscheidung des BGH ist. Das Zitat aus BGH, Beschluss vom 21. September 2017 – IX ZB 28/14 -, Rn. 24, juris lautet:
In einem größeren Insolvenzverfahren wird der regelmäßig anfallende Mehraufwand des Verwalters im Grundsatz bereits dadurch abgegolten, dass die größere Vermögensmasse zu einer höheren Vergütung führt (vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl., § 11 Rn. 106 f).
4. Das Problem, welchen Einfluss eine aus Grundstücksverwertung gewährte hohe Sondervergütung auf die Zuschlagshöhe und damit auf die Gesamtvergütung hat ist, soweit erkennbar, obergerichtlich nicht geklärt. Geklärt ist, dass dem Insolvenzverwalter die Sondervergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV nur zugebilligt werden kann, wenn der zur Masse vereinnahmte Kostenbetrag nicht schon bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt wurde, BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – IX ZB 169/11 -, juris. Vorliegend hat der Verwalter die Sondervergütung nicht nochmals in der Berechungsmasse berücksichtigt.
Aus der bisherigen Rechtsprechung ist ohne Zweifel erkennbar, dass eine Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu erfolgen hat. Es kann nicht ohne Einfluss auf die Gesamtvergütungshöhe bleiben, wenn der Verwalter zusätzlich zur Regelvergütung z.B. eine Sondervergütung in gleicher Höhe erhielte.
Eine Lösung des Problems wäre, die Veräußerung von Grundbesitz, der wertausschöpfend belastet ist, nicht nach § 1 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2 InsVV zu behandeln, da auf den geleisteten Massebeitrag der Absonderungsgläubigerin kein gesetzlicher Anspruch besteht. Die Veräußerung des Grundbesitzes wäre dann durch einen Zuschlag zu würdigen.
Die angefochtene Entscheidung ist mit der im Beschluss zitierten Literaturauffassung einen anderen Weg gegangen. Diese Lösung hat den Vorteil, dass die im Gesetz vorgesehen Sondervergütung in die Vergütungsfestsetzung integriert wird. Weiter wird der Insolvenzverwalter stärker belohnt, der einen hohen Anteil am Veräußerungserlös von Grundbesitz generiert. Allerdings kann das nicht dazu führen, dass es für die nicht gesicherten Insolvenzgläubiger günstiger wäre, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück freigibt. Deshalb ist die Deckelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV zu beachten, BGH, vom 10. Oktober 2013 aaO, Rn. 2.
Vorliegend wurde dem Verwalter eine Sondervergütung von EUR 161.854,46 gewährt. Auf diesen Betrag ist zusätzlich der gefundene Zuschlag von 40% hinzurechnen.
Die Gewährung des beantragten Zuschlags von 140% würde nun dazu führen, dass die Veräußerung des Grundbesitzes die Insolvenzmasse mit EUR 64.741,78 belastet. Der Betrag errechnet sich folgendermaßen:
161.854,46 Sondervergütung 50% Feststellungskostenbeitrag
226.596,24 Zuschlag von 140%
388.450,69 zusammen
323.708,91 tatsächlich zur Masse geflossen für Grundstück
64.741,78 Betrag um den die Vergütung höher ist als der zur Masse geflossene Betrag
Das bedeutet im Ergebnis, dass bei Zubilligung des beantragten Zuschlages es für die Insolvenzmasse aus Vergütungssicht günstiger gewesen wäre, hätte der Verwalter die Grundstücke aus dem Insolvenzbeschlag ohne weiteres freigegeben.


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