Handels- und Gesellschaftsrecht

Kaufpreis, Berufung, Annahmeverzug, Vertragsschluss, Kaufvertrag, Rechtsmittel, Zustimmung, Bestellung, Pkw, Widerspruch, Berufungsverfahren, Rechnung, Anlage, Angebot, Zug um Zug, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  24 U 1254/21

Datum:
29.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53806
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

25 O 1327/20 2021-02-08 Endurteil LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2021, Aktenzeichen 25 O 1327/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.328,94 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Ansprüche auf Schadensersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus dem Kauf eines Neuwagens VW Tiguan 4MOTION 2.0 l TDI mit Dieselmotor EA 189, EU 5, Erstzulassung 22.10.2010, bei der Fa. Autohaus S. KG, die im Namen der Beklagten handelte, zu einem Preis von 33.022,52 €.
Der Vater der Klägerin, J. M., erwarb mit verbindlicher Bestellung vom 19.05.2010 (Anlage K 7) das streitgegenständliche Neufahrzeug. Nach Lieferung des Fahrzeugs stellte die Beklagte am 21.10.2010 diesem den Kaufpreis in Rechnung, der ausschließlich auf das in der Rechnung angegebene Konto der Beklagten zahlbar war (Anlage K 4). Die Klägerin übernahm den Pkw, überwies am 02.11.2010 den Kaufpreis an ihren Vater (Anlage K 5), der diesen an die Beklagte zahlte.
Die am 21.09.2020 erhobene Klage hat das Landgericht Memmingen wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen richtet sich die Klägerin mit der Berufung vom 08.03.2021.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2021 Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Klägerin die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Hinsichtlich des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung sowie die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2021, Az.: 25 O 1327/20, wird das Versäumnisurteil vom 16.11.2020 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.328,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan „TEAM“ 4MOTION 2.0 l TDI, Fahrzeugidentnummer: …37, zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der R. Rechtsschutz-Schadensregulierungs GmbH, …, außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 617,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung sowie die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2021, Aktenzeichen 25 O 1327/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 21.06.2021 (Bl. 192/197 d. A.) Bezug genommen.
Die Gegenerklärung der Klägerin vom 27.07.2021 (Bl. 200/202 d. A.) rechtfertigt keine andere Beurteilung als im Hinweis dargelegt. Im Einzelnen wird zur Gegenerklärung Folgendes ausgeführt:
Der Senat bleibt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgebrachten Argumente bei seiner Rechtsauffassung, dass der Vertragsschluss nicht erst mit Lieferung oder Rechnungsstellung vom 21.10.2010 zustande kam, mit der Folge, dass die 10-jährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 2 BGB erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen würde. Vielmehr war der Anspruch bei Klageerhebung am 21.09.2020 bereits verjährt.
Die Klägerin führt aus, dass der Vertragsschluss durch die Beklagte erst mit Rechnung vom 21.10.2010 bestätigt wurde, da der Vater der Klägerin bzw. die Klägerin selbst auf die verbindliche Bestellung vom 19.05.2010 hin keine weitere Annahmebestätigung oder Auftragsbestätigung erhalten haben. Die Tatsache, dass der Vater der Klägerin als Unterzeichner der verbindlichen Bestellung bis zur Auslieferung des Fahrzeugs bzw. Erhalt der Rechnung nichts von der Beklagten bzw. vom Autohaus S. gehört hat, führt jedoch nicht dazu, dass erst zu diesem Zeitpunkt sein Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags angenommen wurde. Vielmehr ist bei Zustandekommen eines Kaufvertrags durch Angebot und Annahme die Verkehrsanschauung und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen. Zwar ist Stillschweigen auf ein Vertragsangebot in der Regel nicht als Zustimmung zu werten. Es muss aber dann als Zustimmung angesehen werden, wenn nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre (BGH, Urt. v. 14.02.1995 – XI ZR 65/94, NJW 1995, 1281, beckonline).
Das ist hier der Fall. Unter dem Aspekt der Erledigung des Geschäftsverkehrs bei einer Neuwagenbestellung in einem Autohaus handelt es sich bei der Annahme des klägerischen Angebots, das in der verbindlichen Bestellung vom 19.05.2010 liegt, um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Nach § 151 S. 1 BGB kommt der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zugang der Annahmeerklärung ist damit entbehrlich (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 151 Rn. 17). Die Beklagte war also nicht gehalten, nach Eingang und Prüfung der verbindlichen Bestellung dem Vater der Klägerin in irgendeiner Weise eine ausdrückliche Annahme des Angebots zu übermitteln, um den Kaufvertragsabschluss herbeizuführen. Vielmehr reicht als nach außen hervortretende eindeutige Betätigung des Annahmewillens auch eine schlüssige Handlung aus, die auch in einer betriebsinternen Handlung liegen kann (Palandt-Ellenberger, BGB-Kommentar, 80. Auflage 2021, § 151 Rn. 2). Diese liegt hier in der Weiterbearbeitung der klägerischen Bestellung und Beginn der Produktion des bestellten Neufahrzeugs.
Die von der Klägerin vorgetragene Argumentation würde dazu führen, dass ein Käufer, der eine solche verbindliche Bestellung wie im vorliegenden Fall tätigt, unangemessen lange Zeit an sein Angebot gebunden bliebe, während sich dieses bis zur endgültigen Lieferung in der Schwebe befinden würde. Es würde allein von der Beklagten abhängen, wann und ob überhaupt sie das Angebot annimmt. Es kann nicht der Interessenlage eines Käufers entsprechen, dass sich der Verkäufer, also die Beklagte, bis zur Lieferung oder Rechnungsstellung nach mehreren Wochen oder Monaten (wie hier) Zeit lassen könnte, ob sie das Angebot des Bestellers ablehnt oder auch unter Änderungen annimmt. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen kann sich die Beklagte als Verkäuferin keine unangemessen lange Frist für die Annahme des Angebots vorbehalten.
Nicht erst die Lieferung kann daher die Annahme des klägerischen Angebots darstellen, vielmehr handelt es sich dabei um die Erfüllung des zuvor abgeschlossenen Kaufvertrags. Dies wird zudem durch die Formulierung „Liefertermin: Monat 09.2010 unverbindlich“ deutlich. Soweit es zu den von der Klägerin erwähnten Lieferschwierigkeiten kommen sollte, ist davon ebenfalls das Erfüllungsgeschäft, nicht aber das Verpflichtungsgeschäft betroffen.
Auch wenn man auf den objektiven Empfängerhorizont abstellt, konnte der Vater der Klägerin nach der Verkehrsanschauung nicht davon ausgehen, dass er noch eine weitere Mitteilung seitens der Beklagten oder des Autohauses erhalten würde, wenn die von ihm getätigte Bestellung so wie vereinbart durchgeführt wird. Vielmehr hätte es in seinem Interesse gelegen, nach wenigen Tagen Nachricht zu erhalten, falls der Kaufvertrag nicht mit dem vom ihm gewünschten Inhalt zustande kommt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben