Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Fristverlängerung wegen “akuter Arbeitsüberlastung”

Aktenzeichen  19 U 4246/18

Datum:
5.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43194
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 224 Abs. 2, § 520 Abs. 3 Nr. 2, § 522

 

Leitsatz

1. Erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung sind mit einem Verweis auf einen generellen, „erhöhten Arbeitsanfall“ wegen „weiterer Fristsachen“ nicht hinreichend dargetan. Sie kommen nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe in Betracht. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO orientiert sich bei § 522 Abs. 1 ZPO und 2 ZPO an deren Regelungszweck. Dieser dient der Verfahrensbeschleunigung und soll Rechtsmitteln allein in der Absicht, Verfahren und Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Berufungsbegründung genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, wenn sie sich mit dem Ersturteil und den tragenden Gründen nicht auseinandersetzt, sondern mit Bausteinen argumentiert, die auf das hier angegriffene Urteil überhaupt nicht zutreffen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 O 336/18 2018-10-23 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin vom 02.08.2019, die Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis des Senats vom 08.07.2019 um 2 Wochen, bis zum 16.08.2019 zu verlängern, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23.10.2018, Aktenzeichen 14 O 336/18, wird verworfen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.245,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre vermeintlichen Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws der Marke Seat Ibiza im Jahre 2013 bei der Fa. Auto-Import Agentur F. gegen die Beklagte als Herstellerin des Dieselmotors der Baureihe EA 189 weiter. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 23.10.2018 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Das Landgericht München II hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Berufungsverfahren beantragt,
1.Unter Abänderung des am 23.10.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 14 O 336/18, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Berufungsklägerin 15.245,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.11.2017 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Seat Ibiza mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …01 zu zahlen.
2.Unter Abänderung des am 23.10.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 14 O 336/18, wird festgestellt, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Annahme des Seat Ibiza mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …01 seit spätestens 02.11.2017 in Annahmeverzug befindet.
3.Unter Abänderung des am 23.10.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 14 O 336/18, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Berufungsklägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.570, 80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.11.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 08.07.2019 (Bl. 601/604 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 02.08.2019 (Bl. 605 d.A.), eingegangen ebenfalls am 02.08.2019, beantragte die Klägervertreterin, die Frist zur Stellungnahme auf die Verfügung vom 08.07.2019 um 2 Wochen, also bis zum 16.08.2019 zu verlängern. Wegen akuter Arbeitsüberlastung infolge krankheitsbedingter Abwesenheit der Unterzeichnerin, die alleinige Sachbearbeiterin dieser Angelegenheit sei, könne die Stellungnahme nicht fristwahrend bei Gericht eingereicht werden.
Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der 19 U 4246/18 – Seite 3 – Parteien Bezug genommen.
II.
Der am letzten Tag der Frist eingegangene Antrag der Klägervertreterin vom 02.08.2019, die Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis des Senats vom 08.07.2019, um 2 Wochen, also bis 16.08.2019 zu verlängern, ist zurückzuweisen, da erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung nicht hinreichend dargetan werden (§ 224 ZPO).
Die Klägervertreter wurden bereits in den Allgemeinen Verfahrenshinweisen des Senats darauf aufmerksam gemacht, dass Fristverlängerungen vom Senat nicht „automatisch“ sondern nur in konkret begründeten Einzelfällen gewährt werden und dass der Verweis auf einen generellen, „erhöhten Arbeitsanfall“ wegen „weiterer Fristsachen“ hierfür nicht genügt. Auch in der Hinweisverfügung vom 02.08.2019 wurde unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verlängerung der Stellungnahmefrist nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe in Betracht kommt.
Zu beurteilen sind die erheblichen Gründe vor dem Hintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks sowohl des Verfahrens zur Fristverlängerung (§ 224 f. ZPO) als auch des Verfahrens zur Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der antragstellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit zu orientieren (vgl. auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 61. Aufl., § 224 ZPO Rn. 2). Dieser Regelungszweck trifft sich mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen eines Verwerfungsbeschlusses nach § 522 Abs. 1 ZPO bzw. eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO. Er dient zum einen der Verfahrensbeschleunigung und soll der Einlegung von Rechtsmitteln allein in der Absicht, das Verfahren und den Eintritt der Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 62, 64).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigt die von der Klägervertreterin gleichwohl nur formelhaft und pauschal vorgetragene Begründung „akute Arbeitsüberlastung infolge krankheitsbedingter Abwesenheit der Unterzeichnerin“ die beantragte Fristverlängerung nicht. Die Klägerin trägt schon nicht vor, wann sie krankheitsbedingt abwesend war, geschweige denn macht sie dies glaubhaft. Angesicht dessen konnte die Klägervertreterin auch nicht darauf vertrauen, dass der Senat ihrem am letzten Tag der Frist nur formelhaft begründeten Fristverlängerungsgesuch stattgeben würde (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. 7. 2008 – 3 B 69/08).
III.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23.10.2018, Aktenzeichen 14 O 336/18, ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.
Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, da sie sich mit dem Ersturteil und den tragenden Gründen überhaupt nicht auseinandersetzt, sondern mit Bausteinen argumentiert, die auf das hier angegriffene Urteil überhaupt nicht zutreffen. Wie in der Hinweisverfügung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (Bl. 601/604 d. A.), im Einzelnen dargelegt, gelingt es der Klägerin an keiner Stelle der Berufungsbegründung, die Umstände darzulegen, aus denen sich nach ihrer Ansicht die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Sie scheint vielmehr offensichtlich ein gänzlich anderes Urteil anzugreifen. Dies genügt aber nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, so dass die Berufung bereits unzulässig ist. Da eine fristgemäße, sich mit den Argumenten des Senats inhaltlich auseinandersetzende Stellungnahme nicht eingegangen ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 43, 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben