Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines mit einem Thermofenster ausgestatteten Daimler-Diesel-Fahrzeugs (hier: Mercedes Benz C 220d T-Modell)

Aktenzeichen  27 U 495/21

Datum:
7.5.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34455
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Vgl. auch zur Thematik des “Thermofensters” bei Daimler-Fällen grundlegend BGH BeckRS 2021, 847; BeckRS 2021, 30607 sowie BeckRS 2021, 33847; BGH BeckRS 2021, 33038; BeckRS 2021, 31797 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in dortigem Leitsatz 1. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sind nicht bereits deshalb gegeben, weil die Herstellerin Fahrzeugtypen aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems („Thermofenster“) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat, selbst wenn sie mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat. (redaktioneller Leitsatz)
3. Anders als bei einer Software, die die Situation auf dem Prüfstand erkennt, deswegen in einen anderen Modus schaltet und deren Unzulässigkeit deshalb ebenso wie die Gefahr eines Widerrufs der erschlichenen Betriebszulassung auf der Hand liegt, ist dies beim sog. „Thermofenster“ nicht der Fall, so dass ein Schädigungsvorsatz der Herstellerin bzw. ihrer verfassungsmäßigen Vertreter oder Verrichtungsgehilfen nicht angenommen werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein sittenwidriges Handeln der Herstellerin kann nicht daraus hergeleitet werden, dass die Einspritzung von „AdBlue“ gedrosselt wird und die Abgasreinigung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt funktioniert, sobald die Füllmenge des Tanks sich langsam dem Ende zuneigt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 495/21 2021-03-24 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.12.2020, Aktenzeichen 093 O 1237/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.077,14 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines gebrauchten Diesel-Pkws.
Die Beklagte ist eine Auto- und Motorenherstellerin in S. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 27.04.2018 bei der A. GmbH, … D. einen gebrauchten Pkw Mercedes-Benz C 220d T-Modell, Fahrgestellnummer …48, mit einem Dieselmotor OM 651, Abgasnorm Euro 6, zum Preis von 26.990,00 € mit einem Kilometerstand von 72.441 km und einer Erstzulassung am 18.04.2016 (Anlage K1). Der Pkw ist mit einem Abgasrückführungssystem ausgestattet, bei dem zur Reduzierung umweltschädlicher Stickoxid-(NOx-)Emissionen ein Teil der beim Verbrennungsvorgang entstehende Gase zur erneuten Verbrennung in das Ansaugsystem des Motors zurückgeleitet wird. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs bzw. Motors bislang nicht eingeschritten. Ein von der Beklagten im September 2019 im Rahmen einer freiwilligen Servicemaßnahme (Verrechnungsnummer/Aktionscode 54 993 06) angebotenes Software-Update (Anlage K2) ließ der Kläger in seinem Fahrzeug nicht aufspielen.
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.12.2020 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt es im Wesentlichen aus, es seien keine Anhaltspunkte für eine konkrete Schädigungshandlung der Beklagten bzw. einen Schaden des Klägers erkennbar gewesen. Außerdem habe der Kläger keinen schlüssigen Vortrag zu einem auch in subjektiver Hinsicht als verwerflich zu qualifizierenden Verhalten der Beklagten vorgebracht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz unter Abänderung des am 16.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.077,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des 27 U 495/21 – Seite 3 – PKW Mercedes-Benz C 220 d T-Modell, Fahrgestellnummer …48,
1.Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Pkws in Annahmeverzug befindet,
2.der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB zu Unrecht verneint.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 22.03.2021 (Bl. 140 – 152 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die Berufungsbegründung des Klägers hat die Beklagte nicht erwidert.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.12.2020, Aktenzeichen 093 O 1237/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 24.03.2021 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird. Da binnen gesetzter Frist eine Stellungnahme des Klägers hierzu nicht erfolgt ist, sind weitere Ausführungen nicht angezeigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt. Der gestellte Feststellungsantrag erhöht den Streitwert nicht.


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