Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bei Verkauf eines Porsche mit Dieselmotor

Aktenzeichen  27 U 1998/20

Datum:
2.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 44389
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123, § 826, § 831
EG-FG § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei einem unterstellten Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV ist die Rechtsfolge nicht die Nichtigkeit des vorliegenden Vertrages gemäß § 134 BGB. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ansprüche gegen den Verkäufer eines gebrauchten Porsche mit Dieselmotor aus einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund einer behaupteten Abschalteinrichtung kommen nicht in Betracht. (Rn. 29 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Behauptung, es sei ein sogenanntes “Thermofenster” bei einem Dieselmotor vorhanden, genügt für den Vortrag, es liege eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor, nicht. (Rn. 51 – 61) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

043 O 511/19 2020-02-28 Endurteil LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28.02.2020, Az. 043 O 511/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.10.2020.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs wegen einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.
Die Klägerin erwarb am 23.01.2017 von der Beklagten zu 1) einen Pkw der Marke Porsche Macan als Gebrauchtfahrzeug. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der … AG vom Typ 3,0 I V6 ausgestattet.
In dem Kaufvertrag befindet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Regelung (Anlage zum Schriftsatz vom 31.08.2020, Bl. 605 d.A.):
„…
VI. Haftung für Sachmängel
1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden. Ist der Käufer eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen oder ein Unternehmer, der bei Abschluss des Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, erfolgt der Verkauf unter Ausschluss jeglicher Sachmängelansprüche
2. Die Verjährungsverkürzung in Ziffer 1. Satz 1 dieses Abschnitts sowie der Haftungsausschluss in Ziffer 1. Satz 2 dieses Abschnitts gilt nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers, seines gesetzlichen Vertreters oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.
…“
Mit Bescheid vom … hat das Kraftfahrtbundesamt festgestellt, dass das streitgegenständliche Kraftfahrzeug überprüft und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt werden konnten (Anlage B 9).
Die Klägerin ist mit Schreiben vom 09.01.2019 gegenuber der Beklagten zu 1) vom streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten und hat gleichzeitig die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt (Anlage K 31).
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Augsburg vom 28.02.2020 verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) jedenfalls verjährt seien.
Im Hinblick auf die Beklagte zu 2) sei ein Schadensersatzanspruch nicht erkennbar. Die Klägerin hätte ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) nicht darlegen können.
Gegen diese, ihr am 02.03.2020 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 02.04.2020.
Sie beantragt im Berufungsverfahren:

Die Beklagte zu 1) hat im Berufungsverfahren beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, dass ein Mangel des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs nicht vorliege und etwaige Gewährleistungsansprüche jedenfalls verjährt wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten zu 1) im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderung vom 13.07.2020 verwiesen.
Die Beklagte zu 2) hat im Berufungsverfahren beantragt.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, dass sie den streitgegenständlichen Motor einschließlich Motorsteuerung weder entwickelt noch hergestellt hätte. Sie hätte den Motor bei der … AG zugekauft. Letztere hätte im Herbst 2015 bis in den Juni 2017 hinein wiederholt schriftlich bestätigt, dass der Motor frei von unzulässigen Abschalteinrichtungen sei.
Daneben hätte die Beklagte zu 2) mit Aufkommen des Dieselthematik im Herbst 2015 umfangreiche eigene technische Prüfungen durchgeführt, bei denen ebenfalls keine unzulässigen Abschalteinrichtungen hätten festgestellt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderung vom 15.07.2020 verwiesen.
II.
Das Urteil des Landgerichts Augsburg entspricht der Sach- und Rechtslage.
Die angefochtene Entscheidung weist weder entscheidungserhebliche Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin stehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die von ihr geltend gemachte Ansprüche gegen die Beklagten zu.
A. Beklagte zu 1):
a) Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht gegeben, da weder ein Anfechtungsrecht der Klägerin besteht noch der streitgegenständliche Kaufvertrag wegen eines etwaigen Verstoßes gegen EU-Normen nichtig ist.
aa) Letzteres scheitert bereits daran, dass selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) die Rechtsfolge nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, nicht die Nichtigkeit des vorliegenden Vertrages gemäß § 134 BGB wäre (OLG Karlsruhe WM 2019, 1510 m.w.N.; KG, Urteil vom 18.11.2019 – 24 O 129/18 -, BeckRS 2019, 29883 m.w.N.).
Denn zum einen richtet sich das Gebot des § 27 Abs. 1 EG-FGV, vorschriftsmäßige Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, in allen Handlungsalternativen nur an den Verkäufer und zum anderen ist dem Schutzzweck der Norm bereits durch andere Sanktionen, wie z.B. einem möglichen Ordnungswidrigkeitsverfahren, ausreichend Rechnung getragen, so dass es daneben nicht noch einer zusätzlichen zivilrechtlichen Folge bedarf. Darüber hinaus würde die Nichtigkeit des Vertrages dem Verkäufer seine vertraglichen Gewährleistungsrechte nehmen, was dem Schutzzweck des § 27 Abs. 1 EG-FGV zuwider laufe (OLG Karlsruhe a.a.O.).
bb) Auch eine Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 142 Abs. 1 BGB wegen einer Anfechtung der Klägerin gemäß § 123 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht
Hier fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag der Klägerin zu einer Täuschung durch die Beklagte zu 1).
Eine von Klägerseite geforderte Zurechnung der Handlungen der Beklagten zu 2) kommt nicht in Betracht, da diese insoweit „Dritte“ im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB ist (BGH, Beschluss vom 09.06.2020 – VIII ZR 315/19 -, juris; OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.; KG, a.a.O. m.w.N.).
b) Ein etwaiger Anspruch der Klägerin aus einer vorvertraglichen Pflichtverletzung gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB scheitert zum einen an einer Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) und zum anderen an der Vorgreiflichkeit des Gewährleistungsrechts.
aa) Die §§ 434 BGB stellen, soweit Pflichtverletzungen des Verkäufers im Hinblick auf Informationen über die Beschaffenheit der Kaufsache in Rede stehen, abschließende Sonderregelungen dar (Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Auflage, § 437 Rn. 51 a).
bb) Daneben fehlt es auch einem substantiierten Vortrag der Klägerin zu einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten zu 1). Die Zurechnung eines etwaigen pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten zu 2) gemäß § 278 BGB kommt nicht in Betracht.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers (BGH, Beschluss vom 09.06.2020 – VIII ZR 315/19 -, juris).
Etwas anderes ergibt sich entgegen dem Berufungsvortrag auch nicht aus der Stellung der Beklagten zu 1) als Vertragshändlerin der Beklagten zu 2).
Denn die Beklagte zu 1) bleibt im Rahmen des Vertriebssystems weiterhin eigenständige Händlerin und trägt insoweit auch das wirtschaftliche Risiko. Das im Automobilhandel übliche Auftreten unter dem Logo der Fahrzeugmarke und die Verwendung von einheitlichen Werbeprospekten entspricht den im Wirtschaftsleben üblichen Vermarktungsstrategien, vermag aber im Hinblick auf insbesondere die Firmierung der Beklagten zu 1) nicht im Ansatz den Anschein zu erwecken, es handle sich um ein und dieselbe juristische Person (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2018 – 12 U 127/17 -, juris; OLG Koblenz, NJW-RR 2018, 54).
cc) Eine Haftung der Beklagten zu 1) aus „Prospekthaftung“ im Hinblick auf das dem Kauf zugrunde liegende Verkaufsprospekt kommt nicht in Betracht.
Die von der Klägerin dargestellte Haftung hat ihre Grundlage in dem seinerzeit gesetzlich nicht regulierten sogenannten „grauen Kapitalmarkt“. Sie basiert maßgeblich auf dem Umstand, dass der Emissionsprospekt meist die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Anders als bei Kapitalanlagen stehen für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2018 – 12 U 127/17 -, juris Rn. 37).
c) Wie zutreffend vom Landgericht festgestellt, scheitert ein etwaiger Gewährleistungsanspruch der Klägerin aus §§ 434, 437, 440 BGB an der von der Beklagten zu 1) erhobenen Einrede der Verjährung.
aa) Die Übergabe des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs fand unstreitig am 23.01.2017 statt, so dass ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung zum Zeitpunkt ihres Rücktritts im Januar 2019 gemäß Ziffer VI der vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verjährt war
Die vorgenannte Klausel ist unter Berücksichtigung der §§ 307, 309 Nr. 7 a) und b) BGB wirksam. Sie genügt insbesondere den Anforderungen an das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Die Haftungsverkürzung gilt nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers beruhen sowie bei einer Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit und entspricht damit den Wertungen der Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB.
Ausgehend von den Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders ist der genannten Klausel mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, dass die angeordnete Verjährungsverkürzung nur für Gewährleistungsansprüche und nicht die in der weiteren Ziffer dargestellten Schadensersatzansprüche gilt (vgl. BGH, NJW 2015, 2244).
bb) Soweit die Berufungsführerin dem unter Hinweis auf eine etwaige Arglist der Beklagten zu 2) entgegentritt, geht dies ins Leere
Die Zurechnung eines etwaigen arglistigen Verhaltens des Fahrzeugherstellers gemäß § 278 BGB oder § 166 BGB kommt angesichts der Stellung der Beklagten zu 2) als „Dritter“ im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht in Betracht (BGH Beschluss vom 09.06.2020 – VIII ZR 315/19 -, juris Rn. 12 ff.; OLG Karlsruhe WM 2019, 1510; OLG München, Urteil vom 03.07.2019 – 3 U 429/18 -, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2018 – 12 U 127/17 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 06.06.2019 – 24 U 5/19 -, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 06.06.2019 – 1 U 1522/18 -, juris; OLG Celle, NJW-RR 2018, 54; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.05.2017 – 22 U 52/17 -, juris).
B. Beklagte zu 2):
1. Bezüglich eines Anspruchs aus § 826 BGB fehlt es sowohl an der schlüssigen Darlegung eines Schädigungsvorsatzes wie auch eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten zu 2). Für beide Tatbestandsvoraussetzungen ist die Klägerin in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 22.02.2019 – V ZR 244/17 Rn. 37, juris).
a) Unstreitig wurde der streitgegenständliche Motor nicht von der Beklagten zu 2) entwickelt und hergestellt, sondern von der … AG.
Damit kann der Beklagten zu 2) aber eine unerlaubte Handlung weder durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs noch durch das Inverkehrbringen des Motors angelastet werden.
Die Beklagte zu 2) ist der von der Klägerin behaupteten Kenntnis von einer unzulässigen Software substantiiert entgegengetreten und hat detailliert und unter Vorlage von Unterlagen vorgetragen, dass sie mehrfach die Herstellerin des Motors, die … AG, hinsichtlich des streitgegenständlichen Motors nach unzulässigen Abschalteinrichtungen gefragt und von dieser stets die Vorschriftsmäßigkeit des Motors bestätigt worden sei.
Soweit die Klägerin eine Haftung wegen Organisationsverschuldens anführt, vermag dies, selbst dessen Vorhandensein unterstellt, noch kein vorsätzliches Handeln, sondern allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf gegen die zuständigen Organe der Beklagten zu 2) zu begründen.
Entsprechend fehlt es aber auch an einer Grundlage für die klägerseits vorgetragene sekundäre Darlegungslast.
b) Aus dem Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom … (Anlage B9) ergibt sich, dass der streitgegenständliche Motor überprüft und keine Erkenntnisse im Hinblick auf eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegen.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das unstreitig im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandene sogenannte Thermofenster verweist, kann dem nicht gefolgt werden.
a) Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO(EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, zwar grundsätzlich unzulässig.
Dies ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) der VO(EG) Nr. 715/2007 nicht der Fall, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Kraftfahrzeugs zu gewährleisten.
Ob letzteres bei einem Thermofenster der Fall ist, ist umstritten. Es fehlt insoweit an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (OLG München, Beschluss vom 10.02.2020 – 3 U 7524/19 -, juris m.w.N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19 -, juris; OLG Dresden, Urteil vom 09.07.2019 – 9 U 567/19 -, juris).
Ein Verhalten, das aber auf einer noch vertretbaren, wenn auch möglicherweise falschen Auslegung des Gesetzes fußt, kann nicht als besonders verwerflich angesehen werden (OLG München a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.).
b) Daneben fehlt es jedenfalls an einem ausreichenden Vortrag im Hinblick auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand.
Anders als bei einer Software, welche die Situation auf dem Prüfstand erkennt, deshalb in einen anderen Modus schaltet und deren Unzulässigkeit deshalb ebenso wie die Gefahr eines Widerrufs der erschlichenen Betriebszulassung auf der Hand liegt, ist dies beim sogenannten „Thermofenster“ gerade nicht offensichtlich.
Entsprechend muss aber angesichts des allgemein bekannten Expertenstreits – auch zur zulässigen Größe des Thermofensters – und der Tatsache, dass Gesichtspunkte des Motors respektive des Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft angeführt werden können, auch eine möglicherweise falsche, aber jedenfalls vertretbare Gesetzesauslegung durch die Organe der Beklagten zu 2) zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Kraftfahrzeugs in Betracht gezogen werden (OLG Dresden a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.08.2019 – 8 U 178/19; OLG Köln, Beschluss vom 07.07.2019 – 3 U 148/18 -, juris, Rn. 6).
Letzteres würde jedoch allenfalls, sollte sich die originare Annahme einer Zulässigkeit der streitgegenständlichen Motorsteuerung als verfehlt herausstellen, einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.
Ein hinreichend konkreter, diesen Wertungen entgegenstehender Vortrag der Berufungsführerin ist auch ansatzweise nicht vorhanden. Anhaltspunkte für einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß werden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
Damit geht auch der Hinweis der Klägerin auf eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) ins Leere. Einer sekundären Darlegungslast fehlt es vorliegend an der erforderlichen Grundlage. Denn diese kommt erst dann zum Tragen, wenn die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei Anknupfungstatsachen schlüssig vorgetragen hat und sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihres Vortrags ergibt (BGH NJW 2015, 947; OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 61).
2. Entsprechend den Ausführungen unter 1. sind auch die Voraussetzungen für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht erfüllt, da es sowohl an der substantiierten Darlegung einer Täuschungshandlung wie auch eines entsprechenden Vorsatzes fehlt. Gleiches gilt für § 831 BGB.
3. Gleichfalls besteht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Dieser scheitert neben der fehlenden schlüssigen Darlegung eines Verstoßes einschließlich des erforderlichen subjektiven Tatbestands bereits am Schutzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 73 ff; OLG Celle, Urteil vom 29.01.2020 – 7 U 575/18 -, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 23.01.2020 – 13 U 244/18 -, juris; OLG Braunschweig, Urteil vom 20.06.2019 – 7 U 185/18 -, juris; OLG München, Urteil vom 04.12.2019 – 3 U 4570/19 -, juris).
III.
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg.
Der Senat rät daher – auch aus Kostengründen – zur Rücknahme der Berufung.
Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des KV zum GKG).


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