Handels- und Gesellschaftsrecht

Kostenentscheidung nach Erledigterklärung bei Vorschusszahlung unter – im Laufe des Prozesses aufgegebenem – Vorbehalt

Aktenzeichen  33 O 437/17

Datum:
29.5.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40967
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 362, § 366

 

Leitsatz

Zahlt der für einen Verkehrsunfall Verantwortliche an den Geschädigten einen Vorschuss “ohne Anerkennung einer Haftung oder Rechtspflicht, unter dem Vorbehalt einer Verrechnung oder einer Rückforderung sowie ohne Verzicht auf Anspruchsabwehr dem Grunde und der Höhe nach“, tritt  eine Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 BGB nicht bereits (rückwirkend) mit der Zahlung unter Vorbehalt ein, sondern erst mit Ausübung des vorbehaltenen Tilgungsbestimmungsrechts. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses vom 30.04.2018 wie folgt festgesetzt:
Der Streitwert beträgt bis zum 05.03.2018 9.963,42 €, ab dem 06.03.2018 bis zum 09.05.2018 1.963,42 € und ab dem 10.05.2018 512,39 €.

Gründe

A.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Parteien haben den Rechtsstreit zunächst über 8.000,00 € mit Erledigterklärungen vom 05.03.2018 und 03.04.2018 sowie anschließend über einen Betrag in Höhe von 1.451,03 € mit Erledigterklärungen vom 09.05.2018 und 16.05.2018 übereinstimmend für erledigt erklärt. Hinsichtlich des restlichen streitgegenständlichen Betrages (ohne Nebenforderung) in Höhe von 512,39 € haben sich die Parteien im Termin der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2018 verglichen; die Beklagten haben sich hierin zu einer weiteren Zahlung (ohne Nebenforderung) in Höhe von 357,39 € verpflichtet. Weiter haben sich die Beklagten gesamtschuldnerisch auch zur Zahlung der geforderten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € verpflichtet; die Kostenentscheidung wurde gemäß § 91 a ZPO dem Gericht überlassen.
Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung bzw. ohne Vergleich zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
I.
Die Klägerin machte mit der Klage Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfall gegen die Beklagten geltend. Der Unfallhergang sowie die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Klägerin führt aus, dass bis auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 200,00 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 13,26 € bis Klageerhebung vom 28.11.2017 durch die Beklagten trotz unstreitiger Haftung dem Grunde nach in Höhe von 100 % und Aufforderung zur Zahlung (Anlage K1/K2) der – nun klageweise – geltend gemachten Betrag nicht ausgeglichen worden sei.
Bei den geltend gemachten Forderungen handelt es sich um folgende:
Reparaturkosten brutto:
8.637,21 €
Nutzungsausfallschaden (9 Tage á 50,00 €):
450,00 €
Gutachterkosten brutto:
840,14 €
Auslagenpauschale:
30,00 €
Gesamt:
9.957,35 €
Daneben werden außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,1 € geltend gemacht.
Der Sachverständige …, welcher der Klägerin Gutachterkosten in Höhe von 840,14 € in Rechnung stellte, habe den Reparaturkostenbetrag zunächst auf 8.335,89 € festgestellt (Anlage K3). Tatsächlich habe für die Instandsetzung des Pkw erforderliche Reparaturkostenaufwand aber 8.637,21 € betragen (Anlage K4). Der Pkw der Klägerin sei beim Autohaus … repariert worden; die Reparatur habe vom 19.06.2017 bis 27.6.2017 und damit tatsächlich 9 Tage gedauert (Anlage K4). Als Auslagenpauschale seien 30,00 € anzusetzen.
Die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 € ergäbe sich anhand eines Gegenstandswertes von insgesamt 10.170,61 € – unter Berücksichtigung der vorgerichtlich bereits ausgeglichenen Beträge auf Schmerzensgeld sowie Fahrtkosten.
Die Erstattungsfähigkeit der in Klageziffer 2 geltend gemachten Halterkosten in Höhe von 6,07 € (inkl. Umsatzsteuer) ergäbe sich aus § 7 StVG.
Die Beklagtenvertreter zeigten mit Anwaltsschriftsatz vom 08.01.2018 die Verteidigung der Beklagten zu 1) und 2) an und beantragten zunächst Einspruch gegen ein (tatsächlich noch nicht ergangenes) Versäumnisurteil.
Mit Schriftsatz vom 25.01.2018 wurde ein bereits vor Klageerhebung durch die Beklagte Ziffer 2 bezahlter Vorauszahlungsbetrag in Höhe von 8.000,00 € (Anlage B1) auf die klageweise geltend gemachte Position „Reparaturkosten“ verrechnet. Ein weiterer Betrag in Höhe von 1.451,01 € wurde anerkannt.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass aufgrund Vorbehalt der Verrechnung und nun nachträglich erfolgte Zweckbestimmung, d.h. Verrechnung des bereits bezahlten Betrages in Höhe von 8.000,00 €, auf die Position „Reparaturkosten“, Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 BGB bzgl. der Klageforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zahlung der 8.000,00 € eingetreten sei und damit die Klageforderung in dieser Höhe von vornherein unbegründet war.
Im Schreiben vom 20.07.2017 (Anlage B1) hatte sich die Beklagte Ziffer 2 folgendes vorbehalten:
„Bitte beachten Sie:
Wir zahlen diesen Vorschuss
-ohne Anerkennung einer Haftung oder Rechtspflicht
-unter dem Vorbehalt einer Verrechnung oder einer Rückforderung sowie
-ohne Verzicht auf Anspruchsabwehr dem Grunde und der Höhe nach.“
Darüber hinaus seien nur Reparaturkosten in Höhe von 8.335,89 € für die Reparatur des durch das streitgegenständliche Unfallgeschehen erlittenen Schadens am Pkw der Klägerin objektiv erforderlich – ein weiterer Betrag in Höhe von 335,89 € werde daher anerkannt. Ebenso würden die Sachverständigenkosten in Höhe von 840,14 € und eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € anerkannt.
Von dem geltend gemachten Nutzungsausfallschaden sei lediglich ein Betrag in Höhe von 250,00 € anzuerkennen (5 Tage á 50,00 €) – nur eine Reparaturdauer von 5 Tagen sei laut dem Sachverständigen … notwendig (s. Anlage K3).
II.
Die Kosten des Verfahrens waren den Beklagten als Gesamtschuldner aufzuerlegen, da unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach Erledigung des Verfahrens durch übereinstimmende Erledigterklärung sowie letztlich Vergleich über die noch ausstehenden Summen, nach summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass die Beklagten im Rechtsstreit unterlegen wären.
1. Maßgeblich kommt es im Rahmen der Kostentragung auf die – bereits vor Klageerhebung – geleistete „Vorauszahlung“ der Beklagten in Höhe von 8.000,00 € an.
Diese hat die Beklagte Ziffer 2, wie selbst ausführlich dargelegt und wie sich konkret aus deren Schreiben vom 20.07.2017 (Anlage B1) ergibt, lediglich unter dem „Vorbehalt der Verrechnung oder einer Rückforderung“ an die Klägerin geleistet. Erst mit Schriftsatz vom 25.01.2018 hat die Beklagte zu 2) den Verrechnungsvorbehalt dahingehend konkretisiert, dass die Zahlung auf die Position „Reparaturkosten“ verrechnet werden soll.
Eine Zahlung unter Vorbehalt der Verrechnung, d.h. auch unter Vorbehalt der nachträglichen Zweckbestimmung, ist – wie auch die Beklagten zutreffend ausführen – grds. möglich und ermöglicht dem Schuldner unter Ausschluss der Wirkung von § 366 BGB eine nachträgliche Zweckbestimmung.
Allerdings bewirkt der Verrechnungsvorbehalt – wie hier bei Geltendmachung unterschiedlicher Schadenspositionen durch die Klägerin – auch, dass eine Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 BGB, nicht bereits mit Zahlung unter Vorbehalt (sozusagen rückwirkend), sondern erst mit Ausübung des vorbehaltenen Tilgungsbestimmungsrechts, d.h. hier erst mit Erklärung im Schriftsatz vom 25.01.2018, eintritt. Denn solange die Wirkung des § 366 BGB ausgeschlossen bleibt und keine anderweitige z.B. vertragliche Abrede die Zuordnung der Zahlung auf die geltend gemachten Ansprüche regelt, tritt keine Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 BGB ein (vgl. Blumberg; NZV 1992, 257; OLG München Urteil vom 07.06.2013, Az.: 10 U 1931/12; OLG München Beschluss vom 05.07.2016, Az.: 10 W 890/16).
Da die Erfüllungswirkung folglich erst ex nunc mit Ausübung des Verrechnungsvorbehalts vom 25.01.2018 und damit erst nach Klageerhebung eingetreten ist und die Beklagten hierdurch die insoweit begründete Forderung bzgl. der Position „Reparaturkosten“ durch Zahlung anerkannt haben, haben die Beklagten folglich auch die insoweit anfallenden Kosten des Verfahrens zu tragen.
Rein ergänzend sei ausgeführt, dass in der Ausübung des Verrechnungsvorbehalts mit Schriftsatz vom 25.01.2018 auch kein sofortiges Anerkenntnis lag, wonach ggf. über eine Kostentragung der Klägerin im Rahmen von § 91 a ZPO analog § 93 ZPO nachzudenken gewesen wäre. Da unabhängig davon, dass der Zeitablauf zwischen Fälligkeit und Erfüllung schon den Klageanlass begründet, jedenfalls kein sofortiges Anerkenntnis in der Verrechnungserklärung vom 25.01.2018 zu sehen ist. Die Beklagten haben bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 08.01.2018 ihre Verteidigung angezeigt und hierin (unbeschränkt) Einspruch gegen ein (tatsächlich noch nicht ergangenes) Versäumnisurteil eingelegt; mithin war hierin bereits ein Sachantrag enthalten, welcher ein sofortiges Anerkenntnis im Schriftsatz vom 25.01.2018 ausschließt.
2. Die Beklagten haben darüber hinaus auch den Anteil an den Kosten, welcher auf den im Weiteren anerkannten Betrag in Höhe von 1.451,03 € entfällt, zu tragen. Auch insoweit haben die Beklagten die Klageforderung durch Zahlung sowie ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 25.01.2018 anerkannt. Erfasst hiervon sind im Einzelnen folgende begründete Forderungen: weitere Reparaturkosten in Höhe von 335,89 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 840,14 €, Nutzungsausfallkosten in Höhe von 250,00 € sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 €.
3. Im abschließenden Vergleich haben sich die Parteien hinsichtlich einer noch offenen Hauptforderung in Höhe von 512,39 € und einer Nebenforderung an Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € dahingehend geeinigt, dass die Beklagte die vollen Anwaltskosten sowie einen weiteren Anteil an der Hauptforderung in Höhe von 357,39 € an die Klägerin bezahlt.
Von der ursprünglich noch streitigen Hauptforderung entfiel dabei noch ein Anteil von 301,32 € auf die geltend gemachten Reparaturkosten, 200,00 € auf den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden, 5,00 € auf die Auslagenpauschale und 6,07 € auf die mit Klageziffer 2 geltend gemachten Auskunftskosten.
Nach summarischer Prüfung kommt das Gericht auch diesbezüglich zu der Überzeugung, dass die Beklagten, jedenfalls auch hinsichtlich der weiteren Forderung aus Reparaturkosten in Höhe von 301,32 €, Nutzungsausfallschaden in Höhe von 200,00 € sowie der 6,07 € Auskunftskosten, unterlegen wäre.
a. Erstattungsfähig sind gem. § 249 Absatz 2 S. 1 BGB letztendlich die für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich erforderlichen Kosten, die zur Behebung des Schadens notwendig sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014, Az.: VI ZR 357/13). Auch wenn danach die tatsächlichen Reparaturkosten die urspr. geschätzten Reparaturkosten um 301,32 € übersteigen, kann die Klägerin folglich den tatsächlich angefallenen Herstellungsaufwand ersetzt verlangen. Etwaige geringfügige Preisabweichungen zwischen geschätzten und faktisch entstandenen Kosten sind letztlich einer vorläufigen Schätzung/Kalkulation immanent.
b. Daneben legte der Gutachter … in seinem Gutachten vom 12.06.2017 (Anlage K3) hinsichtlich des voraussichtlichen Nutzungsausfallschadens selbst bei einer „zügigen Reparatur“ eine Reparaturdauer von 5-6 Arbeitstagen zugrunde (Bl. 28 d.A.). Folglich ist zumindest eine Reparaturdauer von 6 Tagen anzusetzen. Die Klägerin hat daneben allerdings schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass sich das Fahrzeug tatsächlich vom 19.06.2017 bis 27.06.2017, damit 9 Tage, in der Werkstatt befand (Anlage K6) und in der Zeit der Pkw der Klägerin somit nicht – sowie auch kein Leihauto – zur Verfügung stand. Die Höhe des Nutzungsausfallschadens von 50 €/Tag wird von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen und begegnet auch seitens des Gerichts keinen Bedenken. Die Geltendmachung von (weiterem) Nutzungsausfallschaden, in Höhe der noch offenen 200,00 €, hat damit Aussicht auf Erfolg.
c. Die begründete Geltendmachung der Auskunftskosten in Höhe von 6,07 € blieb von den Beklagten unbestritten, weshalb diese Forderung als zugestanden und damit berechtigt gilt.
d. Selbst unterstellt, der restliche noch ausstehende Betrag an der Hauptforderung in Höhe von 5,00 € (restliche Auslagenpauschale) stünde der Klägerin gegen die Beklagten nach summarischer Prüfung nicht zu, ändert dies nichts daran, dass die Kosten den Beklagten als Gesamtschuldner insgesamt aufzuerlegen waren. Im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann einer Partei – hier eben den Beklagten – die Kosten insgesamt auferlegt werden, wenn die Zuvielforderung nur einen unwesentlichen Anteil an der Klageforderung ausmacht. Dies ist bezüglich der Restforderung in Höhe von 5,00 € der Fall.
B.
Der Streitwert war in Abänderung des Beschlusses vom 30.04.2018 gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GKG gestaffelt festzusetzen, da die Parteien den Rechtsstreit mit Erledigterklärungen vom 05.03.2018 und 03.04.2018 in Höhe von 8.000,00 € sowie vom 09.05.2018 und 16.05.2018 in Höhe von 1.451,03 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben.


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