Handels- und Gesellschaftsrecht

Krankenhausvergütung – Korrektur der Rechnung – PrüfvV 2016

Aktenzeichen  L 4 KR 616/19

Datum:
13.8.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31598
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
KHEntgG § 7, § 9
KHG § 17b Abs. 1
PrüfvV 2016 § 7 Abs. 5
SGB V § 109 Abs. 4, § 275 Abs. 1c

 

Leitsatz

Ein Krankenhausträger ist mit der nachträglichen Änderung einer DRG und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur nach abgeschlossenem MDK-Prüfverfahren nicht nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 ausgeschlossen. Die Regelung schließt nach ihrem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus. Auch systematische Erwägungen sprechen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
Ein Krankenhausträger ist nicht gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 mit der nachträglichen Änderung einer DRG und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur nach abgeschlossenem MDK-Prüfverfahren ausgeschlossen. Weder der Wortlaut noch systematische Erwägungen sprechen dafür, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 eine die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfrist enthält. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 14 KR 1108/19 2019-11-11 GeB SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.918,59 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2018 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 6.918,59 € festgesetzt.

Gründe

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weiterer Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten W. in der geforderten Höhe zu.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG i.V.m. der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2017 maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung 2017 i.V.m. der zwischen den Beteiligten geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung.
Der mit Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig. Aus dem OP-Bericht vom 15.05.2017, der ein offen chirurgisches Vorgehen (Medianlaparotomie) bei der durchgeführten Darmoperation beschreibt, ergibt sich auch für den Senat zweifelsfrei, dass die von der Klägerin vorgenommene Änderung des OPS-Kodes zutreffend ist. Dass die Änderung des OPS-Kodes korrekt und infolgedessen die DRG G04Z (anstelle der DRG G22B) in Ansatz zu bringen ist, wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
Die streitgegenständliche Nachforderung von Krankenhausvergütung, die aus der geänderten DRG und der daraus folgenden erlöserhöhenden Abrechnung resultiert, bezieht sich auf eine in 2017 durchgeführte Behandlung und wurde von der Klägerin erstmals am 01.08.2018 geltend gemacht. Sie ist damit weder verjährt noch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwirkt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R; BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, m. w. N.). Auch dies wird von Seiten der Beklagten nicht bestritten.
Streitig ist allein die Rechtsfrage, ob die Klägerin mit der nachträglichen Kodierung der DRG G04Z und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 aufgrund des § 7 Abs. 5 PrüfvV präkludiert ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss aus dem Grundsatz nach Treu und Glauben.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hat folgenden Wortlaut:
1Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen sind nur einmalig möglich. 2Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen. 3Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. 4In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist. 5Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfgegenstandes nach § 6 Absatz 3 Satz 6 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen, die Sätze 3 und 4 gelten entsprechend. 6Je nach Eingang der Korrektur bzw. der Ergänzung verlängert sich die Gesamtprüffrist nach § 8 Satz 3 entsprechend. 7§ 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V findet auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung.
Diese Regelung steht der streitgegenständlichen Forderung nicht entgegen. Sie schließt schon nach ihrem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus. Darüber hinaus sprechen auch systematische Erwägungen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
Satz 2 des § 7 Abs. 5 PrüfvV regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut die Frist, innerhalb der eine Datensatzkorrektur oder -ergänzung durch das Krankenhaus an die Krankenkasse für eine Einbeziehung in die Prüfung durch den MDK erfolgt sein muss („Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn …“). Hält das Krankenhaus diese Frist nicht ein, hat es keinen Anspruch darauf, dass der MDK den geänderten oder korrigierten Datensatz bei seiner Prüfung berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende Rechtsfolge, insbesondere die, dass das Krankenhaus nach Beendigung der MDK-Prüfung nicht mehr berechtigt ist, in den Grenzen der Verjährung und Verwirkung weitere Krankenhausvergütung nachzufordern, kann dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV nicht entnommen werden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17, zum gleichlautenden § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV in der Fassung vom 01.09.2014).
Dies gilt auch für die nachfolgenden Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Auch wenn hier eine andere Formulierung als in Satz 2 gewählt worden ist („…, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich“ bzw. „…mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist“), können die Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht losgelöst vom vorangehenden Satz 2 verstanden werden, zumal sie sich explizit auf diesen beziehen: sie modifizieren die in Satz 2 gesetzte Fünf-Monatsfrist für den Fall, dass eine Begutachtung durch den MDK schon vor Ablauf von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens beendet sein sollte bzw. für den Fall einer Prüfung vor Ort. Gegenstand des § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV ist daher ebenfalls allein die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren. Eine Aussage zur nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren bzw. zum Ausschluss einer Vergütung wird nicht getroffen.
Soweit die Beklagte und das SG der Auffassung sind, dass es sich bei den Fristenregelungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handele, was sich insbesondere an der Formulierung des Satzes 3 zeige, und daher jegliche Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Auslegung übersieht die Bezugnahme auf Satz 2 und verkennt den systematischen Gesamtzusammenhang, in dem die Regelung des § 7 Abs. 5 PrüfvV steht: § 7 PrüfvV regelt die „Durchführung der Prüfung“ und ist Bestandteil einer „Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V“. Die PrüfvV ist keine Vereinbarung über die Abrechnung von Krankenhausbehandlungen. Da § 7 Abs. 5 PrüfvV – anders als etwa § 7 Abs. 2 PrüfvV – auch keine Aussage zu Konsequenzen für die Vergütung trifft für den Fall, dass die dort geregelten Fristen nicht eingehalten werden, kann weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund systematischer Erwägungen von einer materiellen Ausschlussfrist ausgegangen werden.
Auch das von der Beklagten angesprochene Beschleunigungsgebot, das sich im Übrigen allein auf das Prüfverfahren selbst bezieht, vermag eine über den Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV hinausgehende Auslegung als materielle Ausschlussfrist nicht zu rechtfertigen. Das Prüfverfahren gemäß § 275 Abs. 1c SGB V in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung (seit 01.01.2020 in § 275 c SGB V geregelt) dient dazu, Ungereimtheiten, die der Krankenkasse auffallen, möglichst umgehend aufzuklären. Wird vom Krankenhaus nach Beendigung des Prüfverfahrens ein Fehler entdeckt, der nicht Gegenstand des Prüfverfahrens war, kann das MDK-Prüfverfahren durch eine entsprechende Rechnungskorrektur nicht in die Länge gezogen werden, weil es schon beendet ist. Allenfalls kann ein neues in Gang gesetzt werden.
Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt auch nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in der Form der Verwirkung. Nach der Rechtsprechung des BSG findet das Rechtsinstitut der Verwirkung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (st.Rspr; vgl. z.B. BSGE 112, 141). Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Im Anschluss hieran entsteht in der Regel, so das BSG, eine Vertrauensgrundlage, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die Krankenkasse darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (vgl. BSG, Urteil v. 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R). Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung rechtzeitig geltend gemacht. Den einvernehmlichen Abschluss eines MDK-Prüfverfahrens hat das BSG bislang nicht als Verwirkungsverhalten betrachtet.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 288 Abs. 1 des BGB in Verbindung mit § 21 Nr. 1 der Entgeltvereinbarung für den Budgetzeitraum 2016 vom 11.10.2016 in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.


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