Handels- und Gesellschaftsrecht

Leistungen, Anscheinsbeweis, Anwaltsvertrag, Streitwert, Versicherungsvertrag, Staatsanwalt, Deckungszusage, Pflichtverletzung, Widerspruch, Zeuge, Unterlassung, Rechtsschutzversicherung, Anspruch, Beamten, Kosten des Rechtsstreits, Vermeidung von Wiederholungen, Freistaat Bayern

Aktenzeichen  30 O 4201/19

Datum:
18.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39343
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.044,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2018 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 6.044,87 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen auf sie nach § 86 VVG übergegangenen Anspruch des Zeugen … gegen den Beklagten wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag gemäß §§ 280 Abs. 611, 675 BGB auf Ersatz des hieraus resultierenden Kostenschadens.
I.
Zu dem Pflichtenkreis eines Rechtsanwaltes gehört es, den Mandanten ordnungsgemäß über die Erfolgsaussichten der Klage aufzuklären. Aussichtslose oder sehr wenig aussichtsreiche Rechtsstreitigkeiten darf ein Rechtsanwalt nur dann für seinen Mandanten führen, wenn er zuvor seinen Mandanten zutreffend hierüber aufgeklärt hat und der Mandant trotzdem ein weiteres Vorgehen wünscht.
1. Hier fehlt es zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) bereits an einer zutreffenden Aufklärung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des vorgerichtlichen Tätigwerdens und der Klage.
Für ein Vorgehen gegen Herrn Staatsanwalt … bestanden von vornherein keinerlei Erfolgsaussichten. Das erkennende Gericht macht sich insoweit die hier im Tatbestand wiedergegebenen Ausführungen des Gerichtes des Vorprozesses zu eigen und bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf.
Darüber hinaus gilt: Eine etwaige Diskriminierung des Zeugen … wurde hier vom Beklagtenvertreter nur in unschlüssiger Art und Weise in den Raum gestellt. Der Beklagtenvertreter hat nicht vorgetragen, dass die polnische Abstammung des Zeugen … den Staatsanwalt … kraft eines direkten Kontaktes bekannt geworden ist und diesen damit in seinen Handlungen beeinflusst haben könnte. Unabhängig hiervon ist eine „Ungleichbehandlung“ dergestalt, dass eine Anzeige nach § 152 Abs. 2 StPO und die andere nach Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird, ein derart alltäglicher Vorgang, dass hier auch nicht der Anschein einer Ungleichbehandlung entstehen kann. Damit hätte – auch unter Zugrundelegung der Auffassung des Beklagten – weder eine Haftung des Beamten, noch eine Haftung des Freistaates Bayern dargestellt werden können.
2. Darüber, dass für ein Vorgehen gegen Staatsanwalt … keinerlei Erfolgsaussichten bestanden, hat der Beklagte schon nach seinem eigenen Vortrag nicht ordnungsgemäß belehrt.
Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte den Zeugen … darauf hingewiesen, dass trotz eines grundsätzlichen Ausschlusses der Eigenhaftung des Beamten allenfalls ein Einfallstor durch das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit“ bestehen könnte, wenn man darlegen könne, dass ein seitens des Beamten betriebenes „schikanöses Verhalten“ bzw. ein diskriminierende Verhalten keine „Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit“ sei, zumal die Haftungsprivilegierung ja auch nur „grundsätzlich“ zu bestünde. Damit hat der Beklagte für den Zeugen … die Möglichkeit offen gelassen, dass es tatsächlich zu einer Eigenhaftung des Beklagten kommen werde. Dies stellte keine zutreffende Belehrung über die – in keiner Weise vorhandenen – Erfolgsaussichten der Klage dar.
II.
Zur Überzeugung des Gerichtes (§ 287 BGB) steht auch fest, dass der Zeuge … bei einer ordnungsgemäßen Belehrung von einem außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen gegen Herrn Staatsanwalt … Abstand genommen und keinen Auftrag für ein Tätigwerden erteilt hätte.
Zwar streitet hier nicht zugunsten der Klägerin der Anscheinsbeweis der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens, da der Zeuge … über eine Rechtsschutzversicherung durch die Klägerin und eine korrespondierende Deckungszusage für das vorgerichtliche Tätigwerden und das Tätigwerden in erster Instanz verfügte. In solchen Fällen entspricht es nach Auffassung des Gerichtes nicht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein vernünftiger Mandant von einem vorgerichtlichen und gerichtlichen Verfahren Abstand nimmt, da die Sache ihn „nichts kostet“; was jedoch kostenlos ist, wird oft auch aus nicht rationalen Motiven in Anspruch genommen, schließlich hat man sich die Leistungen einer Rechtsschutzversicherung durch Versicherungsbeiträge erkauft und möchte davon auch profitieren.
Jedoch ergibt sich zur Überzeugung des Gerichtes aus der uneidlichen Einvernahme des Zeugen …, dass dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung den Herrn Staatsanwalt … nicht in Anspruch genommen hätte.
Der Zeuge … hat in seiner Aussage dargestellt, dass er sich durch das Vorgehen des Staatsanwaltes diskriminiert fühlte. Das Verfahren gegen den gegnerischen Anwalt sei nach § 152 Abs. 2 StPO eingestellt worden, gegen ihn habe jedoch der Staatsanwalt ermittelt und eine Zeugeneinvernahme seiner Mandanten in Auftrag gegeben. In ausdrücklichen Widerspruch gegen die Einlassung des Beklagten hat der Zeuge … angegeben, dass es ihm nicht primär darum gegangen sei, gegen den Staatsanwalt persönlich vorzugehen. Ihm sei es primär um die Unterlassung eines Vorgehens für die Zukunft gegangen. Ob der Staatsanwalt … direkt oder mittelbar zur Verantwortung gezogen wird, sei für ihn nicht entscheidend gewesen. Nach dem persönlichen Eindruck des Gerichtes war es ein Anliegen des Zeugen …, für die Zukunft weitere Ermittlungsverfahren gegen seine Mandanten zu verhindern und eine irgendwie geartete Kompensation durch Maßregelung des Beamten … zu erreichen. Keiner der möglichen Vorgehensweisen, also gegen den Staatsanwalt direkt oder gegen den Freistaat Bayern hätte dies hier zur Folge haben können, vergleiche dazu die Ausführungen unter Ziffer I.1. Nach dem persönlichen Eindruck des Gerichtes, den es von dem Zeugen … in der Verhandlung gewonnen hat, hätte dieser bei entsprechender Belehrung von einem Vorgehen insgesamt Abstand genommen. Insgesamt war die Zeugenaussage glaubhaft und – trotz der engen Beziehung des Zeugen zum Beklagten – auch glaubwürdig. Der Zeuge tätigte seine Aussage sachlich und ruhig; er setzte sich auch teilweise in Widerspruch zu den Einlassungen des Beklagten, wenngleich das Gericht nicht verkennt, dass der Zeuge, dem seitens der Klägerin der Streit verkündet wurde, durchaus ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hat, da je nach Ausgang des Verfahrens auch eine Verletzung seiner Obliegenheiten aus seinem Versicherungsvertrag mit der Klägerin im Raum steht. Dennoch, nach dem persönlichen Eindruck des Gerichtes ging es dem Zeugen im vorliegenden Fall nicht darum, mutwillig die Leistungen seiner Rechtsschutzversicherung in Anspruch zu nehmen oder in reinen schikanöser Art und Weise den Staatsanwalt … mit einem sinnlosen Prozess zu überziehen. Dies auch deswegen, weil er nach seiner subjektiven Wahrnehmung sich selbst einer ungerechtfertigten Behandlung ausgesetzt sah und ganz allgemein betrachtet eine solche Verhaltensweise einem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege grundsätzlich wesensfremd wäre. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Zeuge … sich im konkreten Fall nicht so verhalten hätte.
III.
Die geltend gemachten Beträge – welche unstreitig zutreffend berechnet wurden – wurden von der Rechtsschutzversicherung, nach Abzug eines Selbstbehaltes in Höhe von 150 EUR, geleistet.
IV.
Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die in jedem Fall geschuldete Ratsgebühr nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG höher als der Selbstbehalt ausgefallen wäre. Es handelt sich jedoch um eine Obergrenze, so dass der Beklagte hätte darlegen müssen, dass die Obergrenze durch seine Erstberatung erreicht worden wäre.
V.
Zinsen: §§ 286, 288 BGB
B.
Kosten: § 91 ZPO
C.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 2 ZPO
D.
Streitwert: § 62 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.


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