Handels- und Gesellschaftsrecht

Rechtsmissbräuchliche Antragstellung auf Sonderprüfung

Aktenzeichen  31 Wx 236/21

Datum:
6.7.2021
Fundstelle:
AG – 2021, 891
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 315

 

Leitsatz

1. Es führt ein rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung nach § § 315 AktG – wie bei § 142 AktG auch – zum Verlust des materiellen Antragsrechts und damit nicht zur Unzulässigkeit sondern zur Unbegründetheit des Antrags. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Sonderprüfung liegt regelmäßig dann vor, wenn sich der Aktionär mit seinem Antrag einen Lästigkeitswert, aus dem er einen Sondervorteil aufbauen will, anstrebt. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn es dem Aktionär nicht um die Interessen der Gesellschaft, sondern primär um die Verfolgung eigener Ansprüche geht, wenn also eine Instrumentalisierung des Sonderprüfungsrechts zur Förderung der Geltendmachung eigener Ansprüche gegen die Gesellschaft im Raum steht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist in einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände von einem illoyalen, grob eigennützigen Verhalten der Antragsteller und einer Instrumentalisierung des Antragsrechts als Druckmittel für eine außergerichtliche Einigung auszugehen, liegt Rechtsmissbrauch vor. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 HK O 9479/20 2021-02-08 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG München I – 17. Kammer für Handelssachen – vom 08.02.2021 aufgehoben.
2. Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) auf Durchführung einer Sonderprüfung gem. § 315 S. 2 AktG zur unterpreisigen Veräußerung der Immobilie P… / R… durch die Antragsgegnerin an die A… V… AG im Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
3. Der Geschäftswert wird für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren auf jeweils € 1.000.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein zulässiger und begründeter Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers zu dem im Tenor genannten Themenkomplex vorliegt. Der Antrag ist vielmehr rechtsmissbräuchlich gestellt worden, weswegen er zwar nicht unzulässig, wohl aber unbegründet ist.
1. Die Beschwerde ist zunächst zulässig. Sie ist gem. § 315 Satz 5 AktG statthaft und wurde fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG erhoben.
2. Darüber hinaus hat die Beschwerde auch in der Sache Erfolg. Es liegt zwar ein zulässiger Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung vor (insofern kann mit Ausnahme der Ausführungen zum Rechtsmissbrauch auf die zutreffenden und unbeanstandeten Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden), dieser ist aber wegen Rechtsmissbrauchs unbegründet.
a) Entgegen der Auffassung der Beteiligten und des Landgerichts führt ein rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung nach § 315 AktG – wie bei § 142 AktG auch (vgl. BeckOGK/Mock AktG § 142 Rn. 168) – zum Verlust des materiellen Antragsrechts und damit nicht zur Unzulässigkeit sondern zur Unbegründetheit des Antrags (vgl. Hölters/Leuering/Goertz, 3. Aufl. AktG, § 315 Rn. 23; Emmerich/Habersack/Habersack, 9. Aufl. AktG, § 315 Rn. 13).
b) Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag liegt regelmäßig dann vor, wenn sich der Aktionär mit seinem Antrag einen Lästigkeitswert, aus dem er einen Sondervorteil aufbauen will, anstrebt (Emmerich/Habersack/Habersack, a.a.O.; Hölters/Leuering/Goertz, a.a.O.). Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn es dem Aktionär nicht um die Interessen der Gesellschaft, sondern primär um die Verfolgung eigener Ansprüche geht, wenn also eine Instrumentalisierung des Sonderprüfungsrechts zur Förderung der Geltendmachung eigener Ansprüche gegen die Gesellschaft im Raum steht. Auch eine grob eigennützige, illoyale Rechtsausübung ist rechtsmissbräuchlich, etwa wenn dadurch die Gesellschaft zu nicht im Gesellschaftsinteresse liegenden Maßnahmen gezwungen wird (vgl. Hölters/Leuering/Goertz, a.a.O.), wenn die Sonderprüfung allein wegen des Informationsinteresses eines Wettbewerbers erstrebt wird oder wenn die behauptete Pflichtverletzung ohnehin aus sonstigen rechtlicher oder tatsächlichen Gründen folgenlos bleibt (vgl. MüKoAktG/Altmeppen, 5. Aufl. AktG, § 315 Rn. 22 und zu § 142 AktG: Senat, AG 2010, 598; BeckOGK/Mock, a.a.O. § 142 Rn. 169).
Nicht ausreichend ist hingegen grundsätzlich, dass die Sonderprüfung (auch) dazu benutzt wird, die Verfolgung eigener Schadensersatzansprüche vorzubereiten. Dies ergibt sich bereits aus dem Schutzzweck der Sonderprüfung nach § 315 AktG, die die Durchsetzung der Ansprüche nach §§ 317, 318 AktG erleichtern soll (vgl. BGHZ 135, 107; Hüffer/Koch/Koch, 15. Aufl. AktG, § 315 Rn. 1; Emmerich/Habersack/Habersack, a.a.O. Rn. 2). § 317 AktG regelt die sich aus der pflichtwidrigen Nachteilszufügung ergebenen Schadensersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen, § 318 AktG sodann die Ansprüche gegen die Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft. In beiden Fällen können Gläubiger des Anspruchs sowohl die Gesellschaft als solche, als ausdrücklich auch die einzelnen Aktionäre sein. Insofern ist es bereits nach Sinn und Zweck der genannten Normen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Aktionäre mittelbar an der im Interesse der Gesellschaft liegenden Aufklärung der behaupteten pflichtwidrigen Nachteilszufügung in Form der Vorbereitung eigener Ansprüche partizipieren (so auch OLG Celle, NJW-RR 2017, 1511; Emmerich/Habersack/Emmerich, § 315 Rn. 13 Fn. 35).
Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt der Senat vorliegend zu dem Ergebnis, dass eine missbräuchliche Antragstellung gegeben ist, denn das Verhalten der Antragsteller ist als grob eigennützige Instrumentalisierung ihres Antragsrechts zu würdigen und geht weit über eine mittelbare Teilhabe an der grundsätzlich im Interesse der Gesellschaft stehenden Sonderprüfung hinaus.
Die Antragsteller haben bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 29.11.2019, im Rahmen des nachfolgenden Schriftverkehrs und selbst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung mit E-Mail vom 12.02.2021 immer wieder deutlich gemacht, dass sie gewillt waren und auch trotz ihres Obsiegens in erster Instanz nach wie vor gewillt sind, gegen einen angemessenen Kaufpreis ihre Aktien zu verkaufen. Konsequenz dieses Verkaufs wäre – auch dies ist allen Beteiligten bewusst – der Verlust des Antragsrechts für die Sonderprüfung (vgl. nur Emmerich/Habersack/Emmerich, a.a.O. Rn. 12 m.w.N.). Es geht den Antragstellern mithin nicht darum, das behauptete schwerwiegende Fehlverhalten mit einem behaupteten Schaden in Millionenhöhe im Interesse der Gesellschaft aufzuklären – und hieran mittelbar zu partizipieren – sondern ausschließlich um die Durchsetzung der eigenen Individualinteressen.
Dies heißt selbstredend nicht, dass jeder (vorprozessuale) außergerichtliche Einigungsversuch rechtsmissbräuchlich wäre, die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist aber dann überschritten, wenn sich die angestrebte Einigung als eine solche zu Lasten der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter darstellt. Hätten sich die Beteiligten über einen Kaufpreis geeinigt, wäre der streitgegenständliche Sonderprüfungsantrag nicht gestellt (oder ggf. zurückgenommen oder für erledigt erklärt) worden und die behauptete pflichtwidrige Nachteilszufügung jedenfalls auf diesem Wege nicht aufgeklärt worden. Für eine alternative Antragstellung durch andere Aktionäre – die ebenfalls den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 AktG hätten erreichen müssten – bestanden vorliegend keinerlei Anhaltspunkte, zumal dies aufgrund des mittlerweile erfolgten Squeeze-Outs ohnehin nicht mehr möglich ist. Insofern ist durchaus von einer ausschließlich privaten Interessenverfolgung (wie auch das Landgericht im Rahmen seines Nichtabhilfebeschlusses im Kern zutreffend festgestellt hat) auszugehen.
Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, welcher Beteiligter zu welchem Zeitpunkt welchem Kaufpreis zugestimmt hat und ob es sich hierbei um einen angemessenen Preis gehandelt hat. Soweit antragstellerseits ausgeführt wird, dass man sich gerade keinen unangemessenen Sondervorteil aufbauen wolle, sondern außergerichtlich lediglich die Kompensation des Schadens verfolge, die sich aus der antragsgegenständlichen Nachteilszufügung ergebe, ist darauf hinzuweisen, dass eine außergerichtliche Einigung möglicherweise die persönlichen finanziellen Interessen der Antragsteller abdecken würde, dies aber weder für die Ansprüche der anderen Aktionäre, geschweige denn für die Ansprüche der Gesellschaft (die im Übrigen vielfältiger sind als der bloße Ausgleich in Geld, auch eine Rückabwicklung wäre grds. denkbar, vgl. nur BeckOGK/Müller, a.a.O. § 316 Rn. 9, 15) gilt. Insofern ist es auch nicht ausreichend, dass – erstmals – mit E-Mail vom 12.02.2021, also nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung angebracht wurde, dass eine gütliche Einigung für alle Aktionäre gelten müsse, zumal diese Ausweitung allein mit dem derzeitigen Verfahrensstand zum Squeeze-Out begründet wurde.
Nach alledem ist in einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände von einem illoyalen, grob eigennützigen Verhalten der Antragsteller und einer Instrumentalisierung des Antragsrechts als Druckmittel für eine außergerichtliche Einigung (so auch OLG Celle, NJW-RR 2017, 1511 Rn. 28) und damit einem rechtsmissbräuchlichen Antrag auszugehen.
c) Eine Entscheidung über den ebenfalls im Rahmen der Beschwerde gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 64 Abs. 3 FamFG erübrigt sich, da bereits mit diesem Beschluss eine endgültige Entscheidung über die Beschwerde getroffen wurde. Es kann daher dahinstehen, mit welcher Wahrscheinlichkeit dem mittlerweile gestellten Freigabeantrag der Antragsgegnerin bezüglich des angefochtenen Squeeze-Out Beschlusses stattgegeben werden wird und inwieweit die Tatsachen, dass hierdurch die Antragsbefugnis für das hiesige Verfahren entfallen und im Rahmen eines möglicherweise durchzuführenden Spruchverfahrens die Hintergründe der Transaktion ohnehin aufzuklären sind, vorliegend von Bedeutung sind.
II.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen die Antragsteller kraft Gesetzes, § 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 81 Abs. 1, 2 FamFG besteht kein Anlass.
2. Die Geschäftswertfestsetzung richtet sich entsprechend der unbeanstandeten Festsetzung in erster Instanz nach dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse an der Durchführung der Sonderprüfung (vgl. auch BeckOGK/Mock, a.a.O. § 146 Rn. 9), wobei angesichts der absoluten Zahlen dahingestellt bleibt kann, ob es in der vorliegenden Konstellation auf die grundsätzliche Bedeutung der Sonderprüfung und deren Zweck in Form der Vorbereitung und Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter oder konkret auf das individuelle Interesse der Antragsteller, das nach dem oben Gesagten eher auf die Veräußerung ihrer Anteile gerichtet sein dürfte, ankommt.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Es handelt sich auf Grund der konkreten Umstände um eine Einzelfallentscheidung, die das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen nicht berührt.


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