Handels- und Gesellschaftsrecht

Rückforderung von Ausschüttungen der insolventen Kommanditgesellschaft durch den Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  5 U 99/18

Datum:
7.5.2019
Fundstelle:
ZInsO – 2019, 1224
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 175 Abs. 1, § 176, § 177, § 178 Abs. 2 S. 1, Abs. 3
HGB § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4
ZPO § 139

 

Leitsatz

1. Die Vorlage einer Tabelle mit Forderungen von Gesellschaftsgläubigern genügt nur den Anforderungen an die substantiierte Darlegung der vom Insolvenzverwalter eingeklagten Forderungen der Gesellschaftsgläubiger, wenn der Insolvenzverwalter zugleich vorträgt, dass die eingetragenen Forderungen Gegenstand eines Prüftermins oder einer Prüfung im schriftlichen Verfahren waren und festgestellt wurden. Allein die Einführung einer durch den Insolvenzverwalter selbst erstellte (aktualisierte) Tabelle im Sinne von § 175 InsO in das Verfahren reicht nicht aus (entgegen OLG Frankfurt BeckRS 2018, 33277 Rn. 39).  (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 48/17 2018-04-19 Urt LGCOBURG LG Coburg

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 19.04.2018, Az.: 1 HK O 48/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X. Fonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte beteiligte sich an der Schuldnerin mit einem Kommanditanteil von 200.000,00 €. Er wurde am 20.07.2006 im Handelsregister der Gesellschaft mit einer Haftsumme von 200.000,00 € eingetragen. Die Haftsumme wurde am 18.06.2009 auf 100.000,00 € herabgesetzt. Am 01.11.2006 und am 03.01.2008 flossen jeweils Ausschüttungen in Höhe von 18.000,00 € an den Beklagten. Mit Beschluss vom 01.07.2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (K1).
Der Kläger hat den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage persönlich in Anspruch genommen. Zur Darlegung der Forderungen der Gläubiger gegen die Schuldnerin hat er Insolvenztabellen vorgelegt und geltend gemacht, dass das Kapitalkonto des Beklagten seit seinem Beitritt unter die Hafteinlage herabgemindert worden war.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß auf Zahlung von 36.000,00 € nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Kosten verurteilt.
Der Beklagten hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 23.04.2018 zugestellte Urteil am 23.05.2018 Berufung eingelegt, die er nach Fristverlängerung bis 23.07.2018 am 23.07.2018 begründet hat.
Zu Begründung seines Rechtsmittels trägt der Beklagte vor, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger hinreichend substantiiert dargelegt habe. Der Kläger habe keine amtliche Tabelle im Sinne von § 178 InsO vorgelegt, sondern lediglich eine solche mit angemeldeten Forderungen nach § 175 InsO. Dies reiche nicht aus. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 23.07.2018 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 19.04.018 verkündeten Urteils des Landgerichts Coburg, Az. 1 HK O 48/17, die Klage kostenpflichtig abzuweisen, sowie hilfsweise den Rechtsstreit zur Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger begehrt die Erstattung der an den Beklagten geflossenen Ausschüttungen in Höhe vor 36.000,00 €. Damit stützt er seine Klage auf einen eindeutig definierten Streitgegenstand. Nicht die einzelne Gläubigerforderung, sondern die Geltendmachung der Haftsumme als solche definiert den Streitgegenstand (vgl. BGH, Az.: II ZR 272/16).
2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat nicht hinreichend substantiiert im Sinne der Entscheidung des BGH vom 20.02.2018 (Az.: II ZR 272/16, Tz 14 ff, zitiert nach juris) dargelegt, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Forderungen, die in der von ihm mit der Anlage K7 vorgelegten Tabelle enthalten sind, im Sinne von § 178 InsO festgestellt wurden und damit Gegenstand eines Prüftermins im Sinne von § 176 InsO oder einer Prüfung im schriftlichen Verfahren gemäß § 177 InsO waren. Er hat mit der Klageschrift lediglich vorgetragen, dass die Schuldnerin zum 4.3.2016 insgesamt angemeldete Verbindlichkeiten in Höhe von 6.607.213,70 € hatte unter Verweis auf eine Anlage K 7 „Tabelle nach § 175 tituliert vom 4.3.2016“. Aus dieser Anlage lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die darin enthaltenen Forderungen Gegenstand eines Prüftermins im Sinne von § 176 InsO oder einer Prüfung im schriftlichen Verfahren gemäß § 177 InsO waren.
Mit Verfügung vom 23.10.2018 wurde der Kläger gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass er seiner Darlegungslast zur substantiierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB nicht ausreichend nachgekommen ist. Der Kläger legte darauf mit Schriftsatz vom 13.11.2018 eine beglaubigte Gläubigerliste vom 07.11.2018 vor. Aus dieser lässt sich jedoch ebenfalls nicht entnehmen, dass die darin enthaltenen Forderungen Gegenstand eines Prüftermins im Sinne von § 176 InsO oder einer Prüfung im schriftlichen Verfahren gemäß § 177 InsO waren. Das Datum für den Prüfungstermin in der vorgelegten Gläubigerliste ist offengelassen. Aus der Liste geht auch nicht hervor, ob es sich um eine vom Insolvenzgericht vorgenommene Eintragung der angemeldeten Forderungen in die Tabelle handelt. Insofern geht auch der Beglaubigungsvermerk ins Leere, weil unklar ist, was beglaubigt worden ist.
Der Senat folgt nicht der in der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 27.11.2018 (Az.: 5 U 65/18) geäußerten Rechtsauffassung, dass der Kläger seiner Substantiierungslast genügt, wenn er eine durch ihn selbst erstellte (aktualisierte) Tabelle im Sinne von § 175 InsO in das Verfahren einführt (aaO, Tz 46). Im Hinblick auf die eindeutige Regelung in § 178 Abs. 2 S. 1 InsO, wonach das Insolvenzgericht für jede angemeldete Forderung in die Tabelle einträgt, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat und im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Feststellung zur Tabelle gemäß § 178 Abs. 3 InsO, wonach die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt, ist der Senat der Auffassung, dass allein die Vorlage einer vom Insolvenzverwalter lediglich vorbereiteten Tabelle gemäß § 175 Abs. 1 InsO mit dem von ihm erwarteten Prüfungsergebnis nicht ausreicht, um hinreichend substantiiert darzulegen, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen. Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt (aaO, Tz 48) ist aus der Entscheidung des BGH vom 20.02.2018 auch nicht ersichtlich, welchen konkreten Inhalt die dort zugrunde liegende Insolvenztabelle hatte. Aus der Entscheidung des BGH ist vielmehr ersichtlich, dass es zur Darlegung der Forderung ausreicht, wenn der Kläger die Insolvenztabelle vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass die in der Tabelle enthaltenen Forderungen Gegenstand eines Prüftermins im Sinne von § 176 InsO oder einer Prüfung im schriftlichen Verfahren gemäß § 177 InsO waren. Auch der vom OLG Frankfurt (Tz 49) in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 18.10.2011 (Az: II ZR 37/10) lässt sich nicht entnehmen, welchen konkreten Inhalt die dieser Entscheidung zugrunde liegende Insolvenztabelle hatte. Allerdings werden auch in dieser Entscheidung zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen erwähnt.
Die Berufung des Beklagten hat daher Erfolg. Die Klage war abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Fall ZPO zuzulassen. Eine Abweichung, die die Zulassung der Revision rechtfertigen kann, liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders entscheidet als eine relevante Vergleichsentscheidung. Ein solcher Fall ist hier hinsichtlich der Substantiierungslast bzgl. der in das Verfahren eingeführten Tabellen gegeben. Das OLG Frankfurt geht – anders als der Senat – in seiner Entscheidung vom 27.11.2018 (Az.: 5 U 65/18) jedenfalls davon aus, dass der Insolvenzverwalter seiner Substantiierungslast genügt, wenn er eine durch ihn selbst erstellte Tabelle im Sinne von § 175 ZPO in das Verfahren einführt (OLG Frankfurt, Tz. 46 ff., zitiert nach juris), wobei im dortigen Verfahren der Insolvenzverwalter weiter dargelegt hat, dass im 1. Prüfungstermin Forderungen in Höhe von 2.860.778,18 € festgestellt und in Höhe von 1.881.800,50 € endgültig für den Ausfall festgestellt worden sind (aaO, Tz. 48).


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