Handels- und Gesellschaftsrecht

Rückgewährklage des Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung: Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung bei Zahlung von Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen in einem Affiliate-Netzwerk durch den Schuldner

Aktenzeichen  IX ZR 157/20

Datum:
10.6.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:100621UIXZR157.20.0
Normen:
§ 134 Abs 1 InsO
§ 123 Abs 1 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
§ 311 Abs 2 Nr 1 BGB
§ 652 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

Zahlt ein Schuldner vereinbarungsgemäß Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen, stellt die Zahlung der sich an der Höhe der in den Hauptverträgen vereinbarten Vergütung orientierenden Provision keine unentgeltliche Leistung dar, auch wenn die Hauptverträge zivilrechtlich anfechtbar sind oder die Kunden des Schuldners verlangen könnten, schadensersatzrechtlich so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden seien, weil der Schuldner sie bei Abschluss der Verträge betrogen hat.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 16. Juli 2020, Az: 24 U 5018/19vorgehend LG Memmingen, 1. August 2019, Az: 34 O 1624/18

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2020 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 750,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2015 verurteilt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Memmingen vom 1. August 2019 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 750,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2015 verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 1. Oktober 2014 am 1. Mai 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M.              GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese warb in den Jahren 2013 und 2014 bei einer Vielzahl von Kunden Geldmittel ein. Sie behauptete, ein so genanntes Affiliate-Netzwerk zu betreiben, bei dem Händler und Dienstleister auf der einen Seite ihre Kauf- und Dienstleistungsangebote bewerben und die Affiliates auf der anderen Seite Werbeplatz für die Werbemittel der Händler und Dienstleister auf ihren Internetseiten gegen ein Entgelt (Provisionen) zur Verfügung stellen konnten. Interessierten Kunden bot sie an, sich durch den Erwerb von Service-Paketen an dem Geschäftsmodell zu beteiligen und in Abhängigkeit von den erzielten Werbeeinnahmen Provisionen zu erhalten. Zusätzlich sollten Provisionen für die Vermittlung von Neukunden gezahlt werden. Tatsächlich erbrachte die Schuldnerin, wie von vorneherein von ihr geplant, die versprochenen Leistungen nicht, sondern verwendete die eingeworbenen Geldbeträge teilweise, um Provisionen für vorgetäuschte Werbeeinnahmen und für die Vermittlung neuer Kunden auszuzahlen. Die Verantwortlichen wurden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und wegen Betrugs verurteilt.
2
Auch der Beklagte erwarb im Vertrauen auf die Angaben der Schuldnerin zwei Service-Pakete und vermittelte in der Folgezeit den Verkauf von Paketen an weitere Geschädigte. Er erhielt von der Schuldnerin in der Zeit vom 16. September 2013 bis zum 23. Juli 2014 in elf Überweisungen insgesamt 13.287 € ausbezahlt. Diesen Auszahlungen lagen neun Gutschriften für die Vermittlung von Neukunden in Höhe von 12.394,25 € und zwei Gutschriften in Höhe von 892,75 € auf die selbst erworbenen Pakete unter Hinweis auf angebliche Werbeeinnahmen zugrunde.
3
Der Kläger hat die Auszahlungen gemäß § 134 InsO angefochten und die Rückgewähr gemäß § 143 InsO gerichtlich geltend gemacht mit der Begründung, die Schuldnerin habe eine Geschäftstätigkeit nur vorgetäuscht und ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 892,75 € (angebliche Werbeeinnahmen) nebst Zinsen und anteiliger Rechtsanwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und den Beklagten verurteilt, an den Kläger insgesamt 11.165,55 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit der Kläger mehr als 750,21 € nebst Zinsen begehrt.


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