Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatz, Prospekthaftung, Prospektfehler, Prospekt, Fahrzeug, Beweislast, Verkaufsprospekt, Umwelt, Vertrieb, Berufung, Darlegungslast, Kenntnis, Form, Kfz, Aussicht auf Erfolg, Darlegungs und Beweislast, keine Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  1 U 1433/20

Datum:
28.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 48087
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 O 3912/18 2020-02-06 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 06.02.2020, Az. 5 O 3912/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 28.229,- € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin zeigt in der Berufungsbegründung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht entscheidungserhebliche Fehler oder Versäumnisse des Landgerichts auf.
1. Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, die Beklagte hafte ihr wegen Betruges und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz, weil sie über den tatsächlichen Schadstoffausstoß getäuscht habe, um auf Kosten der Allgemeinheit und der Umwelt ihren Profit illegalerweise zu maximieren. Sie trägt vor, die Beklagte sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur Importeurin des streitgegenständlichen Fahrzeugs (i.F.: Kfz), sondern habe dieses auch vertrieben. Sie sei deshalb dafür verantwortlich, dass die in ihren Werbeprospekten angegebenen Abgaswerte eingehalten werden. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Frage verkannt, wann die Beklagte bzw. ihre Geschäftsführung von den betrügerischen Handlungen / Manipulationen Kenntnis erlangt habe. Die Beklagte habe nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast auf das klägerische Zeugenbeweisangebot (damaliger Geschäftsführer der Beklagten) konkret vortragen müssen, wer was gewusst habe, weil es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, in die internen Strukturen der Beklagten einzutauchen und über interne Geschäftsvorgänge zu berichten. Tatsächlich habe die Beklagte schon lange vor Import und Vertrieb des Kfz die Manipulationen gekannt und diese in den Prospekten bewusst verschwiegen. Die Beklagte hafte deshalb auch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung, weil die Klägerin keine andere Möglichkeit gehabt habe, sich über den Schadstoffausstoß zu informieren. Darüber hinaus habe die Beklagte die Klägerin im Rahmen der Rückrufaktion darüber getäuscht, dass nach Aufspielen des Softwareupdates mit Einprogrammierung eines (in dieser Form unzulässigen) „Thermofensters“ die gesetzlichen Vorschriften über die Abgasreinigung eingehalten würden und es keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug gebe. Tatsächlich entspreche die Abgasreinigung weiterhin nicht den Vorschriften, weil sie mindestens das halbe Jahr komplett inaktiv sei, und das Update verursache einen höheren Spritverbrauch und Verschleiß. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft versäumt, den von der Klägerin angebotenen Zeugen- und Sachverständigenbeweis zu erheben.
2. Die Rügen der Klägerin greifen nicht durch.
2.1. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, beschränkt sich die in jüngerer Zeit weitestgehend spezialgesetzlich geregelte „Bürgerlichrechliche Prospekthaftung“, auch als „Prospekthaftung im engeren Sinne“ bezeichnet, auf den Vertrieb von Kapitalanlagen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. § 311 Rn. 19, 67 ff). Bei der sog. „uneigentlichen Prospekthaftung“ oder „Prospekthaftung im weiteren Sinne“ handelt es sich dagegen um einen Anwendungsfall der §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 2 und 3 BGB, wobei die Voraussetzungen des hier allenfalls in Betracht kommenden § 311 Abs. 3 BGB jedenfalls nicht erfüllt sind. Die Beklagte hat zwar erstinstanzlich ihre Verantwortlichkeit für den von der Klagepartei vorgelegten Verkaufsprospekt (Anlage K5) zuletzt nicht mehr bestritten und auch zugestanden, das aus Tschechien importierte Kfz an den Vertragspartner der Klägerin, die B. GmbH & Co. KG veräußert zu haben. Die Klägerin hat indes schon nicht vorgetragen, dass sie diesen Prospekt vor dem Erwerb des Kfz überhaupt gekannt, auf die darin enthaltenen Angaben vertraut und diese zur Grundlage ihrer Kaufentscheidung gemacht hat. Im Übrigen ist ein Prospektfehler nicht dargelegt, denn auf Seite 3 finden sich lediglich Angaben zu CO₂-Emissionen, die im Gegensatz zum Stickoxidausstoß von der sog. „Schummelsoftware“ nicht betroffen sind.
2.2. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 31 BGB) oder wegen Betrugs (§§ 823 Abs. 2, 31 BGB, 263 StGB) sind ebenfalls nicht gegeben.
2.2.1. Es kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil zur Wissenszurechnung von Organen bzw. anderen Repräsentanten der Konzernobergesellschaft Volkswagen AG verwiesen werden.
2.2.2. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, der Geschäftsführung der Beklagten sei zum Kaufzeitpunkt selbst bekannt gewesen sei, dass in dem Kfz die sog. „Schummelsoftware“ verbaut war, ist dies wirksam bestritten und nicht ausreichend unter Beweis gestellt. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt der Vortrag der Beklagten, dass sie als Importeurin der Fahrzeuge erst über die mediale Berichterstattung im September 2015 von der NOx-Thematik Kenntnis erlangt habe, kein unzulässiges pauschales Bestreiten dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Erklärungslast der nicht beweisbelasteten Partei in ihrem Umfang davon abhängig ist, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Wenn die Tatsachen zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs nicht näher konkretisiert vorgetragen werden, muss auch der Gegner regelmäßig keine konkreten Einzelheiten vortragen (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 138 ZPO, Rn 8, 8a m.w.N.). Ein substantiiertes Bestreiten im Sinne einer sekundären Darlegungslast kann in diesen Fällen vom Prozessgegner nur gefordert werden, wenn der Beweis dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.12.1998 – II ZR 266/97, zitiert über juris, Rn 11; BGH, Urteil vom 17.03.1987 – VI ZR 282/85, zitiert über juris, Rn 18). Derartiges wird in den sogenannten Dieselfällen teilweise vertreten, soweit Ansprüche gegen den Hersteller in Rede stehen (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237, 2242, Rn 60; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, zitiert über juris, Rn 51 ff.).
Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen für die Annahme einer sekundären Darlegungslast nicht erfüllt. Zwar steht die Klägerin außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs und dürfte deshalb keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besessen haben. Bei der Beklagten als Importeurin kann indes nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass einer der maßgeblichen Entscheidungsträger Kenntnis von der Manipulation hatte oder hätte haben müssen. Soweit die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten zum Beweis dafür angeboten hat, dass diese an der Entwicklung und Herstellung des Kfz intensiv beteiligt gewesen sei, und sie auch die eingebaute „Schummelsoftware“ mitentwickelt und angeordnet habe, diese einzubauen (Schriftsatz vom 10.05.2019, S. 2), handelt es sich ersichtlich um Behauptungen ins Blaue hinein und damit und einen reinen Ausforschungsbeweis.
2.2.3. Ob die klägerische Behauptung zutrifft, die Organe und Repräsentanten der Beklagten hätten in diversen Schreiben im Rahmen einer Rückrufaktion implizit versucht, die Klägerin darüber zu täuschen, dass das von der Volkswagen AG angebotene Software-Update zu einer vorschriftsmäßigen Abgasreinigung führen würde und es keine nachteiligen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauch und Motorverschleiß gäbe, muss nicht geklärt werden. Den die Klägerin hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, welchen – weiteren – Schaden sie dadurch erlitten hat, zumal sie das Software-Update unstreitig nicht hat installieren lassen, und welche stoffgleiche Bereicherung die Verantwortlichen der Beklagten durch eine solche Täuschung beabsichtigt haben sollen.
II.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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