Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatzansprüche eines Spediteurs gegen einen Frachtführer wegen Schäden bei einem schienengebundenen Gütertransport

Aktenzeichen  2 HK O 1784/18

Datum:
17.4.2020
Fundstelle:
TranspR – 2020, 493
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 12, § 17 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1, § 128 Abs. 2
HPflG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 2
BGB § 254, § 288 Abs. 1 S. 2, § 291
HGB § 425, § 437

 

Leitsatz

1. Die Haftungsbeschränkung nach § 10 HaftpflG gilt nur für solche Schäden, für die das Bahnbetriebsunternehmen nach § 1 HaftpflG einstandspflichtig ist. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat ein Triebfahrzeugführer gegen eine die Geschwindigkeit bei Rangierfahrten regelnde Fahrdienstvorschrift verstoßen, so trägt der sich seiner bedienende Frachtführer Verschulden an einem Zusammenstoß mit einem abgestellten Leerzug. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Fahrdienstleiter eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens sind keine Erfüllungsgehilfen des Spediteurs von mit einem Güterzug beförderten Frachten. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Frachtkosten für von einem Spediteur vorgehaltene Ersatzpuffer für die Instandsetzung von beschädigten Puffern von ihm gemieteter Güterwaggons sind als Vorhaltekosten zu ersetzen. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Spediteur darf Schadensersatzansprüche seines Auftraggebers gegen den Frachtführer wegen vorwerfbarer Beschädigung des beförderten Frachtguts geltend machen. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 47.982,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Ansprüchen der D. AG, M.-straße …, … S1., aufgrund des Unfallereignisses vom 24.06.2017 um ca. 00:20 Uhr anlässlich des Aufpralls des Zuges Nr. 59746 auf den stehenden Leerzug Nr. 52885 bei der Einfahrt in den Bahnhof Br.-K. freizuhalten.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von ihrer Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten freizustellen in Höhe von 1.531,90 € gemäß Kostenrechnung Nr. 2539 des Rechtsanwaltes Dr. F1. W2., N., vom 25.10.2018, sowie in Höhe von 3.260,90 € gemäß Kostenrechnung Nr. 2538 des Rechtsanwalts Dr. F1. W2., N., vom 25.10.2018.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Nebenintervention durch die Streithelferin DB N3. AG, T. H. Allee …, … F2. am M., und durch die Streithelferin Freie Hansestadt Br.. Im Übrigen tragen die Streithelfer die Kosten ihrer Nebenintervention selbst.
5. Das Urteil ist für die Klägerin und die Streithelfer jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 527.982,58 € festgesetzt.

Gründe

A. Zulässigkeit:
I.
Das Landgericht Ingolstadt ist gemäß § 38 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 32 AVV örtlich zuständig, da der Sitz der Beklagten im Bezirk des Landgerichts Ingolstadt ist. Darüber hinaus ist die örtliche Zuständigkeit bereits gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet, da es sich bei der Beklagten um den ausführenden Frachtführer handelt. Darüber hinaus ist gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten beim Landgericht Ingolstadt.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt ergibt sich aus den §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG.
Die funktionale Zuständigkeit der Handelskammer ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG.
II.
Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse der Klägerin an der Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin von Ansprüchen der D. AG freizuhalten, besteht aufgrund der Gefahr der Inanspruchnahme der Klägerin durch die D. AG aufgrund der Beschädigungen der transportierten Pkws und der drohenden Verjährung etwaiger hierauf beruhender Regressansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten. Die Klägerin kann insoweit auch nicht auf die Möglichkeit einer Leistungsklage verwiesen werden, da mangels Bezifferung etwaiger Schadensersatzansprüche der D. AG gegenüber der Klägerin die Klägerin selbst mögliche Regressansprüche derzeit noch nicht beziffern kann.
B. Begründetheit:
I.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Ersatz der Schäden, die ihr aufgrund der Beschädigung der 10 Wagen der Klägerin bei der Fahrt des Güterzuges Nr. 59746 am 24.06.2017 anlässlich des Aufpralls auf den Leerzug mit der Nr. 52885 entstanden sind gemäß Art. 22.1., 28, 22.2 AVV und gemäß §§ 1, 10 HPflG.
1.
Die Beklagte haftet der Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 HPflG als Bahnbetriebsunternehmen für die bei dem Betrieb der Schienenbahn aufgrund der Beschädigungen der im Eigentum der Klägerin stehenden Wagen entstandenen Schäden.
Die Beklagte ist als zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit eigenem Personal und auf eigene Rechnung im Rahmen der Durchführung des Transportes der Kraftfahrzeuge aufgrund des mit der Streithelferin R. C1. A2. AG bestehenden Vertragsverhältnisses tätig geworden. Die Beklagte hatte dabei die vollständige Verfügungsgewalt über den von ihr selbst eingesetzten Triebwagen und das von ihr selbst eingesetzte Personal. In Ausführung des Transportes handelte sie eigenverantwortlich und war nicht abhängig von Einzelweisungen der Streithelferin R. C1. A2. AG. Sie erfüllte damit die Voraussetzungen, die an einen Betriebsunternehmer gemäß § 1 Abs. 1 des HPflG zu stellen sind.
Die Beklagte haftet damit für die anlässlich der Zugfahrt am 24.06.2017 bei der Beschädigung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Wagen entstandenen Schäden.
Die Ersatzpflicht ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 HPflG ausgeschlossen, da der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht wurde.
Eine Ersatzpflicht ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 HPflG ausgeschlossen, da es sich bei den beschädigten Wagen nicht um die beförderten Sachen selbst handelte, sondern die Wagen als Beförderungsmittel dienten.
Gemäß § 10 Abs. 1, Abs. 2 HPflG ist die Haftung für Sachschäden auf einen Betrag von 300.000,00 € beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung des § 10 HPflG gilt nur für Schäden, deren Ersatzpflicht auf § 1 des HPflG beruht. Soweit die Beklagte aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen für Sachschäden einzustehen hat, die an den beförderten Personenkraftwagen entstanden sind, ist hierdurch die Haftung gegenüber der Klägerin aufgrund der Beschädigungen der Wagen nicht beschränkt. Eine Beschränkung der Haftung der Beklagten steht vorliegend jedoch aufgrund der Haftung der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 des HPflG wegen der Beschädigungen an den Wagen, die von der Klägerin angemietet wurden, im Raum. Insoweit bestünde eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Eigentümer der angemieteten Wagen. Zur Höhe möglicher Ersatzansprüche des Eigentümers der angemieteten Wagen ist nichts vorgetragen. Das Gericht kann daher nicht feststellen, ob gemäß § 10 Abs. 2 HPflG die an die Klägerin und an den Eigentümer der angemieteten Wagen zu zahlenden Entschädigungen möglicherweise den Betrag von 300.000,00 € übersteigen. Sollte dies der Fall sein, dann könnte eine Entschädigungspflicht gegenüber der Klägerin nur in dem gemäß § 10 Abs. 2 genannten Verhältnis festgestellt werden. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, da wie weiter auszuführen ist, die Beklagte aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen ohne Haftungsbegrenzung für die im Zusammenhang mit der Beschädigung der Wagen entstandenen Schäden der Klägerin haftet.
2.
a)
So haftet die Beklagte der Klägerin für die durch die Beschädigung der Wagen entstandenen Schäden gemäß Art. 22.1 AVV.
Die Klägerin und die Beklagte sind durch jeweilige Unterzeichnung Vertragspartner des AVV geworden.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, welches zum Zeitpunkt des Unfalles Gewahrsam über die 10 beschädigten Wagen der Klägerin hatte.
Durch den Unfall vom 24.06.2017 wurden die 10 im Eigentum der Klägerin befindlichen Wagen beschädigt.
Die Beklagte haftet damit für den unmittelbaren Sachschaden in Form der Reparaturkosten.
Die Haftung der Beklagten ist nicht ausgeschlossen, da die Beklagte nicht nachweisen kann, dass der Schaden nicht (auch) durch ihr Verschulden entstanden ist. Die Beklagte haftet für ihre Bediensteten gemäß Art. 28 AVV. Die Beklagte bediente sich bei der Erfüllung ihrer Transportverpflichtung des Triebwagenführers, indem sie diesen anwies, die Zugfahrt am 23./24.06.2017 durchzuführen. Die Beschädigung der 10 Wagen der Klägerin ereignete sich während der Ausführung dieser Zugfahrt durch den Triebfahrzeugführer. Die Beklagte kann nicht nachweisen, dass der Schaden aufgrund des stattgefundenen Unfalles nicht durch ein Verschulden des Triebfahrzeugführers entstanden ist. Aufgrund des unstreitigen Unfallherganges steht vielmehr fest, dass der Triebfahrzeugführer gegen die Fahrdienstvorschrift 408.4814 3. insoweit verstoßen hat, als er entgegen Abs. 1a beim Rangieren die Geschwindigkeit nicht so geregelt hat, dass er vor Fahrzeugen oder vor Gefahrstellen, die einen Halt erfordern, anhalten konnte. Die Beklagte trägt gerade nicht vor, dass die Sichtverhältnisse aufgrund der Witterung und der örtlichen Lage des Schienennetzes es zugelassen hätten, eine Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h zu fahren. Da die Beklagte vielmehr vorträgt, dass der Triebwagenführer eine eingeschränkte Sicht hatte, ohne dies in näherer Weise und substantiiert auszuführen, wäre der Triebwagenführer gehalten gewesen, eine Geschwindigkeit einzuhalten, die es ihm ermöglicht hätte, vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis und damit innerhalb der Sichtweite anzuhalten. Die Beklagte kann nicht auf die Fahrdienstvorschrift 408.4814 3. Abs. 1b verweisen, wonach die Geschwindigkeit, mit der höchstens gefahren werden darf, 25 km/h beträgt. Insoweit handelt es sich um die höchst zulässige Rangiergeschwindigkeit, die im Einzelfall unter den Gegebenheiten des Abs. 1 der entsprechenden Fahrdienstvorschrift herabgesetzt ist. Die Beklagte konnte damit nicht nachweisen, dass der Unfall nicht auch durch ein Verschulden des Triebfahrzeugführers zustande gekommen ist. Vielmehr steht aufgrund des insoweit unstreitigen Unfallherganges ein Verschulden des Triebwagenführers fest.
Die Haftung der Beklagten ist auch nicht gemäß Art. 22.2 2. Absatz AVV gegenüber der Klägerin anteilsmäßig beschränkt. Diese Regelung stellt eine dem § 254 BGB angelehnte Regelung der Folgen eines Mitverschuldens fest. Ein Mitverschulden des Eisenbahnverkehrsunternehmens läge jedoch nur dann vor, wenn auch ein Verschulden des Geschädigten, hier der Klägerin, festgestellt werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Soweit die Beklagte Ausführungen zu Pflichtverletzungen der jeweiligen Fahrdienstleiter macht, können solche Pflichtverletzungen der Klägerin nicht angelastet werden. Bei den Fahrdienstleitern handelt es sich nicht um Erfüllungsgehilfen der Klägerin. Soweit Pflichtverletzungen von Fahrdienstleitern ebenfalls ursächlich für das Zustandekommen des Unfalles gewesen sein sollten und dadurch auch eine Haftung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, für die die Fahrdienstleiter tätig gewesen sind, gegenüber der Klägerin gegeben sein sollte, müssten die entsprechenden Haftungsanteile zwischen der Beklagten als haftendem Eisenbahnverkehrsunternehmen und den ebenfalls haftenden Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Innenverhältnis im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleiches beurteilt werden. Im Außenverhältnis zur Klägerin haftet die Beklagte jedenfalls auch als Gesamtschuldnerin unbegrenzt.
b)
Gemäß § 12 HPflG ist die Haftungsbeschränkung gemäß § 10 HPflG auf die Haftung nach AVV nicht anwendbar. Die Haftungsbegrenzung nach § 10 HPflG gilt nur für Ansprüche nach § 1 HPflG.
Zu dem Regelungsgehalt des Art. 22.2 2. Absatz des AVV wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Eine Beschränkung der Haftung der Beklagten im Außenverhältnis zur Klägerin ist hierdurch nicht gegeben.
c)
(1)
Die Beklagte haftet dem Umfang nach für den Sachschaden in Form der Reparaturkosten gemäß Art. 23.2 Satz 1 AVV. Die von der Klägerin vorgetragenen Reparaturkosten, die sich aus der Anlage K 4a ergeben, umfassen die Kosten der Unfallinstandsetzung durch die Fa. K2. W4. GmbH. Unstreitig sind dabei die in der Aufstellung gemäß Anlage K 4 a angesetzten Kosten für die Ersatzpuffer.
(2)
Die Beklagte hat jedoch auch für die Frachtkosten hinsichtlich der bei der Reparatur eingesetzten Ersatzpuffer einzustehen. Ausweislich der im Anlagenkonvolut K 6 vorgelegten Rechnung vom 24.06.2015 sind Frachtkosten für die Ersatzpuffer bereits vor dem Unfallereignis angefallen, da die Klägerin entsprechende Ersatzpuffer vorrätig hält. Insoweit handelt es sich entgegen der von der Beklagten verwendeten Terminologie nicht um Sowiesokosten, sondern um Vorhaltekosten. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten für diese Frachtkosten selbst einstehen sollte. Da es sich um Kosten handeln müsste, die in jedem denkbaren Fall aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung bei der Klägerin als Geschädigter verbleiben würden. Diese bereits vor dem Schadensereignis angefallenen Frachtkosten sind jedoch Vorhaltekosten, da die Klägerin Ersatzpuffer vorrätig hält, um bei Beschädigungen der Puffer die erforderliche Reparaturdauer nicht durch das Notwendigwerden einer Bestellung und eines Transportes der Ersatzpuffer noch zu verzögern. Damit sind diese bereits entstandenen Transportkosten zwar nicht kausal auf das Unfallereignis selbst zurückzuführen, da dieses erst später eintrat. Das Schadensereignis wäre aber kausal geworden für Transportkosten, die der Klägerin entstanden wären, wenn sie die Puffer erst nach dem Unfallereignis bestellt hätte und diese dann angeliefert worden wären. Die Lagerhaltung der Klägerin, die der Schadensminderung dient, kann die Beklagte daher nicht von ihrer Schadensersatzpflicht entbinden. So ist aufgrund der Lagerhaltung der Klägerin der insgesamt entstandene Schaden gemindert, da aufgrund von Preissteigerungen davon auszugehen ist, dass sowohl die Materialkosten als auch die Transportkosten im Juni 2015 geringer waren als sie im Juli 2017 angefallen wären.
(3)
Die Haftung der Beklagten für den Nutzungsausfall bezüglich der 10 beschädigten Wagons gemäß Art. 22.1, 23.2 Satz 2 i.V.m. Art. 13.3 und Anlage 6 zum AVV in Höhe eines Betrages von 35,31 € pro Tag des Nutzungsausfalles ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, da die hinsichtlich der einzelnen Wagen angefallene Reparaturdauer nicht nachvollziehbar sei. Die Beklagte ist insoweit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. So ist bereits nicht ersichtlich, worin die Beklagte einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht bei der Klägerin sieht, da diese sämtliche 10 beschädigten Wagen bereits am 03.07.2017 dem Reparaturbetrieb zur Verfügung gestellt hat. Soweit die Beklagte einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darin sehen will, dass die Klägerin für ein Verschulden des Reparaturbetriebes hinsichtlich des Zustandekommens einer unverhältnismäßig langen Reparaturdauer bei einzelnen Wagen einzustehen hat, trägt die Beklagte nicht ausreichend substantiiert vor. Ein Mitverschulden am Zustandekommen eines erhöhten Reparaturaufwandes durch das Reparaturunternehmen müsste von der Beklagten dargelegt und bewiesen werden. Soweit man die Beklagte von ihrer Darlegungslast teilweise entlasten möchte, da ihr mangels eines vertraglichen Verhältnisses mit dem Reparaturunternehmen ein Einblick in die Abläufe des Reparaturunternehmens fehlt, hat die Klägerin einer insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast ausreichend genügt. So hat die Klägerin dargelegt, dass die unterschiedliche Reparaturdauer auf die eingeschränkten Reparaturmöglichkeiten des Reparaturbetriebes zurückzuführen sind und eine gleichzeitige Reparatur von 10 beschädigten Wagen nicht möglich ist. Dies wurde auch durch die schriftlichen Zeugenaussagen der einvernommenen Zeugen K4. und K. in einem zur Überzeugung des Gerichtes ausreichenden Umfang nachgewiesen. So hat der Zeuge K4., der Werkstattleiter des Reparaturbetriebes ist, ausgeführt, dass zunächst eine Befundung jedes einzelnen der 10 beschädigten Wagen notwendig war. Die nachfolgende Instandsetzung ist nur durch geeignete Mitarbeiter an dafür geeigneten Arbeitsplätzen möglich und musste zusätzlich zum Tagesgeschäft abgewickelt werden, wobei bereits ein Bestand an sonstigen zu reparierenden Wagen von 25 Stück vorgelegen hat. Eine Reparatur der Wagen ist zudem jeweils nur auf einem Gleis möglich gewesen. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass aufgrund der eingeschränkten Reparaturmöglichkeiten die unterschiedliche Reparaturdauer hinsichtlich der 10 beschädigten Wagen durch die Klägerin ausreichend dargelegt ist. Soweit die Beklagte an einer Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin fest hält, hätte es des darüber hinaus gehenden Vortrages bedurft, worin eine solche Verletzung der Schadensminderungspflicht unter Berücksichtigung der vorgetragenen und durch Zeugenbeweis nachgewiesenen Reparaturabläufe konkret gesehen wird.
(4)
Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten Ersatz der ihr entstandenen Gutachterkosten beanspruchen. Insoweit handelt es sich um Rechtsverfolgungskosten zur genauen Ermittlung des Schadensumfanges und der zur Beseitigung erforderlichen Kosten und Arbeiten. Die Klägerin durfte die Einschaltung eines Gutachters aufgrund des Schadensumfanges für erforderlich halten. Die Ersatzpflicht ist auch nicht durch Art. 23 AVV ausgeschlossen. Es handelt sich um eine Schadensposition die der Klägerin aufgrund der Beschädigung der Wagen entstanden ist. Art. 23 AVV führt nicht zum Ausschluss kausal entstandener weiterer Schadenspositionen, sondern regelt lediglich die Höhe der Entschädigung der unmittelbaren Sachschäden.
Die Ersatzpflicht hinsichtlich der Gutachterkosten ist beschränkt auf die durchschnittlich notwendigen Kosten. Diese sind in der Regel abhängig von der Schadenshöhe. Die Höhe der Schadensposition kann gemäß § 287 ZPO durch das Gericht geschätzt werden. Aufgrund der reinen Reparaturkosten, die vorliegend angefallen sind, hält das Gericht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens den Anfall von Reparaturkosten in Höhe von 960,00 € als angemessen. So musste im Rahmen der Begutachtung jeder der 10 beschädigten Wagen einzeln in Augenschein genommen und jeweils die Beschädigung festgestellt werden. Der hierfür und für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens erforderliche zeitliche Aufwand rechtfertigt nach Überzeugung des Gerichts die Höhe der beanspruchten Vergütung.
II.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten darüber hinaus Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen der D. AG aufgrund des Zugunfalles vom 24.06.2017 wegen der dadurch herbeigeführten Beschädigungen von transportierten Kraftfahrzeugen der D. AG. Die Haftung ist gemäß §§ 437, 425 ff. HGB begründet, wonach eine Haftung des Frachtführers bei Beschädigung des transportierten Gutes gegenüber dem Absender besteht. Die Klägerin ist als Absenderin der transportierten Kraftfahrzeuge aktiv legitimiert zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund der Beschädigung des transportierten Gutes gegenüber der Beklagten. Insoweit ist die Klägerin auch berechtigt, Ansprüche auf Ersatz von Schäden geltend zu machen, die ihr durch die Inanspruchnahme von Seiten der D. AG aufgrund der Beschädigung der transportierten Kraftfahrzeuge bereits entstanden sind oder zukünftig entstehen werden. So haftet die Klägerin gegenüber der D. AG selbst nach den §§ 459, 425 ff. HGB als Fixkostenspediteurin. Da die D. AG gegenüber der Klägerin die entsprechenden Schadensersatzansprüche noch nicht beziffert hat, kann die Klägerin gegenüber der Beklagten die Feststellung der Schadensersatzpflicht in Form der Verpflichtung zur Freistellung gegenüber zukünftig geltend gemachten Ansprüchen der D. AG beanspruchen. Der Feststellungsausspruch beschränkt sich damit auf die Feststellung der Freistellungsverpflichtung dem Grunde nach hinsichtlich von der Höhe nach noch festzustellender Ansprüche der D. AG gegenüber der Klägerin. Der Einwand eines Mitverschuldens der D. AG durch mangelhafte Ladungssicherung ist dabei nicht geeignet, die Ersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach einzuschränken, da der entsprechende Sachvortrag der Beklagten unsubstantiiert ist.
III.
Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hinsichtlich der Prozesszinsen ist die Anwendbarkeit von § 352 Abs. 1 Satz 1 HGB und damit eine Beschränkung des Zinssatzes der Höhe nach nicht gegeben.
IV.
Die Klägerin kann von der Beklagten darüber hinaus Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Form der entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen. So hat die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich mit der Rechtsverfolgung sowohl hinsichtlich der Ansprüche im Zusammenhang mit der Beschädigung der im Eigentum der Klägerin stehenden Wagen als auch mit der Geltendmachung möglicher Regressansprüche hinsichtlich der Beschädigungen der transportierten Kraftfahrzeuge beauftragt. Die von der Klägerin insoweit beanspruchten Rechtsanwaltskosten sind der Höhe nach unstreitig. Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche bezüglich der Beschädigung der Wagen ergeben sie sich aus einem Gegenstandswert in Höhe von 47.982,58 € in Höhe eines Gesamtbetrages von 1.822,96 €. Hinsichtlich der Regressansprüche wurde von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Gegenstandswert von 300.000,00 € angesetzt, der jedenfalls nicht überhöht ist. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 3.880,47 €.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
C. Streitwert:
Der Einzelstreitwert hinsichtlich des Feststellungsantrages ist mit 480.000,00 € zu bewerten. Folgt man dem Vorbringen der Klägerin, dass bei 120 beschädigten Pkws ein Schaden von jeweils 5.000,00 € anzusetzen ist, ergibt dies einen Schadensbetrag von 600.000,00 €. Das Interesse der Klägerin auf Freistellung hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruches ist in der gesamten Höhe dieser möglichen Schadensersatzansprüche zu bemessen. Da dieses Interesse nicht im Rahmen eines Leistungsantrages, sondern im Rahmen eines Feststellungsantrages geltend gemacht wird, ist ein Abschlag von 20% vorzunehmen.


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