Handels- und Gesellschaftsrecht

Unzulässigkeit einer Nebenintervention

Aktenzeichen  3 O 1537/19

Datum:
20.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56944
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 128 Abs. 2
VVG § 103

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag der Nebenintervenientin, auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beizutreten, wird zurückgewiesen.
Die Nebenintervenientin hat die Kosten des Zwischenstreits zu tragen.

Gründe

Der Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Klagepartei ist aus nachfolgenden Gründen nicht zulässig.
1. Der Beitritt des Haftpflichtversicherers des Beklagten auf Seiten des Klägers stellt einen Verstoß gegen versicherungsvertragliche Treue- und Rücksichtnahmepflichten dar. Kernaufgabe und Hauptpflicht des Versicherers ist es, entweder den Versicherungsnehmer bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche zu unterstützen oder berechtigte Forderungen zu regulieren. Er kann den erhobenen Ersatzanspruch anerkennen und befriedigen, weitere Ermittlungen anstellen, mit dem Dritten verhandeln oder schließlich den Haftpflichtprozess für den Versicherten führen. Will er den Anspruch bestreiten, so muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist. Er allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung (BGH Urteil vom 20.2.1956 – II ZR 53/55 – NJW 1956, 826 = VersR 1956, 186 unter 2). Ist der Haftpflichtversicherer der Auffassung, dass sein Versicherungsnehmer eine wissentliche Pflichtverletzung begangen hat, kann er zwar im Innenverhältnis eine Deckung und Beteiligung am Haftpflichtprozess ablehnen. Ein mit Aufwand und Kostenrisiko verbundener prozessualer Beistand auf Seiten seines Versicherungsnehmers wird dem Haftpflichtversicherer in dieser Fallkonstellation nicht zugemutet. Der Versicherer lässt dann aber dem Versicherungsnehmer bei der Führung des Prozesses freie Hand und begibt sich seiner umfassenden Dispositionsbefugnis über den Haftpflichtanspruch. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Versicherer in dieser Konstellation hinnehmen, dass in dem ohne seine Einflussnahme geführten Haftpflichtprozess Feststellungen getroffen werden, an die er im Deckungsprozess gebunden ist und die seinen Interessen zuwiderlaufen (BGHZ 119, 276/283, ebenso OLG München, Urteil v. 05.02.2009 – 1 U 1984/08, BeckRS 2009, 5218). Das Gericht versteht die Rechtsprechung des BGH dahingehend, dass dem Versicherer, der gegenüber seinem Vertragspartner eine Deckung ablehnt, mit Rücksicht auf das Versicherungsverhältnis zuzumuten ist, ein ihm nachteiliges Ergebnis des Haftpflichtprozesses hinzunehmen. Dieser, den eigenen Interessen des Versicherers zuwiderlaufende Nachteil belastet den Versicherer auch nicht unbillig, da er die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung des Risikos kalkulieren kann. Aus den gleichen Erwägungen heraus kann der Versicherer einer ihm nachteiligen Bindungswirkung auch nicht dadurch entgegenwirken, dass er dem Haftpflichtprozess auf Seiten des Gegners beitritt, aktiv eine Position gegen die Interessen seines Versicherungsnehmers einnimmt und sich für dessen Verurteilung einsetzt. Ein solches Verhalten ist mit dem wechselseitigen Gebot der Rücksichtnahme und Unterstützung im Versicherungsfall nicht vereinbar. Auch wenn der Versicherer im Innenverhältnis endgültig und bindend eine Deckung abgelehnt hat, darf er seinem Versicherungsnehmer nach außen nicht derart „in den Rücken fallen“, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass sich die Ablehnung der Deckung im Verhältnis zum Anspruchsteller als nicht tragfähig erweist.
2. Darüber hinaus steht dem Beitritt auf Seiten des Klägers entgegen, dass die Nebenintervenientin nur ein eingeschränktes Interesse an einem Obsiegen des Klägers hat, nämlich ausschließlich in dem Fall, dass ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten festgestellt wird. Sie beteiligt sich am Verfahren ausschließlich, um ihr günstige Urteilsfeststellungen zu erlangen, nämlich die Feststellung, dass dem Beklagten ein vorsätzliches Handeln vorzuwerfen sei, damit die Nebenintervenientin leistungsfrei wird. Es besteht aber grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass der Kläger obsiegt, weil dem Beklagten zumindest fahrlässiges Verhalten nachgewiesen wird. Dies würde jedoch keinesfalls im Interesse der Nebenintervenientin liegen.
Bei genauer Betrachtung will die Nebenintervenientin somit die Interessen des Klägers im Prozess nicht fördern, sondern im Gegenteil nur ihre eigenen Interessen wahren. Sollte im Verfahren eine Haftung des Versicherungsnehmers aus fahrlässigem Verhalten festgestellt werden, wäre die Nebenintervenientin von ihrer Leistungspflicht aus der Haftpflichtversicherung nicht befreit. In diesem Fall hätte sie ein starkes Interesse daran, dass das festzustellende Schmerzensgeld so niedrig wie möglich und auch die beim Kläger vorliegenden Verletzungsfolgen so gering wie möglich ausfallen. Dies würden allerdings den Interessen des Klägers eindeutig zuwiderlaufen.
3. Dass die Beklagtenpartei der Nebenintervenientin den Streit verkündet hat, macht die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Nebenintervention durch diese weder treuwidrig noch rechtsmissbräuchlich, zumal der Beklagte im Zeitpunkt der Streitverkündung berechtigt davon ausgehen durfte, dass sich die Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten dem Rechtsstreit anschließen würde, um Ansprüche des Klägers in Grund und Höhe abzuwehren. Mit dem Umstand, dass der Beitritt letztlich in Verstoß gegen die Rücksichtsnahmepflichten aus dem Versicherungsverhältnis auf Seiten des Klägers erklärt wurde, musste der Beklagte nicht rechnen.
Die Voraussetzungen des § 66 ZPO für einen Streitbeitritt auf Seiten des Klägers sind damit nicht gegeben.


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