Handels- und Gesellschaftsrecht

Zum Verjährungsverzicht

Aktenzeichen  24 U 4446/20

Datum:
16.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33200
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 197, § 225
VVG § 115 Abs. 2 S. 3
ZPO § 522 Abs. 2, § 531 Abs. 2

 

Leitsatz

Bei Regressansprüchen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Verjährungsverzicht uneingeschränkt oder mit der Wirkung eines Feststellungsurteils abgegeben wurde, also nur dazu diente, dem Anspruchsinhaber im Hinblick auf den konkreten Schadensfall die Erhebung einer Feststellungsklage zu ersparen. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

032 O 4294/18 2020-06-29 Urt LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29.06.2020, Az. 032 O 4294/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über den Beitragsregress eines Versicherten der Klägerin, der am 29.10.1993 bei einem von einem Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Verkehrsunfall schwer verletzt wurde.
Das Landgericht Augsburg hat der Klägerin Regressansprüche für den Zeitraum vom 01.04.2002 bis 31.12.2018 in Höhe von 122.344,34 € nebst Zinsen ab 21.12.2018 zugesprochen und festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Leistungen der Klägerin sowie zur Durchführung des Beitragsregresses gem. §§ 116, 119 SGB X hinsichtlich der Folgen des Verkehrsunfalls verpflichtet ist.
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil, nur soweit sie zur Zahlung von mehr als 40.428,74 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Sie hält die Ansprüche bis einschließlich 31.12.2014 für verjährt, da der allgemeine Verjährungsverzicht der Beklagten mit der Wirkung eines Feststellungsurteils abgegeben worden sei und sich daher nur auf das Stammrecht beziehe. Daher unterlägen die wiederkehrenden Ansprüche der regelmäßigen Verjährung.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Der von der Beklagten erklärte allgemeine Verjährungsverzicht enthalte keine Einschränkung auf die Wirkung eines Feststellungsurteils. Im Übrigen sei die Verjährung seit der erstmaligen Geltendmachung von Ansprüchen durch die Klägerin am 15.03.1994 gemäß § 3 Nr. 3 S. 3 der damals gültigen Fassung des Pflichtversicherungsgesetzes gehemmt, da niemals eine Entscheidung der Beklagten über die Ansprüche ergangen sei.
II.
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
1. Die in der Berufungsinstanz nach Grund und Höhe nicht mehr streitigen Regressansprüche der Klägerin aus § 119 SGB X i. V. m. §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG (bzw. § 3 PflVG aF) sind nicht teilweise verjährt.
Das Landgericht Augsburg hat den allgemeinen Verjährungsverzicht, den die Beklagte am 25.11.1992 für die Versicherungen der …-Gruppe der Klägerin (damals noch LVA …) gegenüber abgegeben hat, zutreffend dahin ausgelegt, dass er keine Einschränkung auf die Wirkungen eines Feststellungsurteils enthält.
a) Wie das Landgericht unter Hinweis auf Küppersbusch/Höher (Ersatzansprüche bei Personenschaden, 13. Aufl. 2020, Rn. 815) dargelegt hat, war unter dem alten Verjährungsrecht, das bis zum 31.12.2001 galt, trotz § 225 BGB alte Fassung anerkannt, dass der Berechtigte die Arglisteinrede erheben konnte, wenn sich der Schuldner trotz eines Verjährungsverzichts auf die Einrede der Verjährung berief. Sowohl unter dem alten als auch unter dem neuen Verjährungsrecht, das einen Verjährungsverzicht bis zur Grenze von 30 Jahren gemäß § 202 Abs. 2 BGB gestattet, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Verzicht uneingeschränkt oder mit der Wirkung eines Feststellungsurteils abgegeben wurde, was die kurze Verjährung der aus dem Stammrecht folgenden wiederkehrenden Ansprüche nach § 197 BGB alte Fassung (damals vier Jahre) bzw. § 197 Abs. 2 BGB in der aktuellen Fassung (regelmäßige kenntnisabhängige Verjährung in drei Jahren) zur Folge hätte. Für die Wirkung eines Feststellungsurteils kann etwa sprechen, wenn der Haftpflichtversicherer des Schädigers dem Geschädigten ein schriftliches Anerkenntnis, mit dem er dessen materiellen Zukunftsschaden dem Grunde nach anerkennt, erteilt, um ihm eine Feststellungsklage zu ersparen (BGH, Urteil vom 23.10.1984 – VI ZR 30/83 -, NJW 1985, 791).
b) Der allgemeine Verjährungsverzicht vom 25.11.1992 wurde von der Beklagten aber nicht in Hinblick auf den konkreten Schadensfall abgegeben, um der Klägerin die Erhebung einer Feststellungsklage zu ersparen. Er erfolgte vielmehr allgemein für die Regressabwicklung zwischen den dort genannten vier Unternehmen der …- Gruppe und der Klägerin „für Schadensfälle, die ab 01.01.1993 eintreten“. Einzige Voraussetzung für den Verjährungsverzicht ist, dass „solche Ansprüche innerhalb der noch laufenden 3-jährigen Verjährungsfrist angemeldet worden sind, im Zeitpunkt der Anmeldung also noch nicht verjährt waren.“ Die Regelung sollte „auch für zurückliegende und bei der … angemeldete Schadenfälle, es sei denn, daß schon eine anderweitige Einzelfallregelung getroffen wurde“, gelten.
Gerade der letzte Satz lässt erkennen, dass der Verjährungsverzicht sich auch auf wiederkehrende Ansprüche beziehen sollte.
c) Eine ausdrückliche Einschränkung auf die Wirkung eines Feststellungsurteils enthält der Verjährungsverzicht im Schreiben der Beklagten vom 25.11.1992 nicht. Es ist angesichts des von der Klägerin im Schriftsatz vom 18.02.2019 (Bl. 29/35 d. A.) vorgetragenen Schriftwechsel der Parteien auch nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte vorprozessual auf die Verjährung der wiederkehrenden Ansprüche berufen hätte.
d) Soweit die Beklagte als Anlage zur Berufungsbegründung vom 30.09.2020 erstmals als Anlage … eine Abschrift des Verjährungsverzichts vom 25.11.1992 vorlegt, aus der sich eine Einschränkung („geht nicht über die Wirkung eines Feststellungsurteils hinaus (§ 197 Abs. 1 Nr. Abs. 2 BGB)“ ergeben soll, handelt es sich um ein neues Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel, mit dem die Beklagte in der Berufungsinstanz ausgeschlossen ist; ein Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO ist von der Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Aus der Anlage … wird zudem deutlich, dass es sich – anders als bei der Anlage … – nicht um eine Ablichtung des Originals handelt, sondern um eine Abschrift, an der nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind. Anders wäre es nicht zu erklären, dass die Erklärung vom 25.11.1992 die Vermerke „Ab 01.01.1997 auf für … Versicherungs AG“, „Achtung: Einbeziehung der … Autoversicherung zum 01.04.2013“ und eben die von der Beklagten in Bezug genommene Einschränkung auf die Wirkung eines Feststellungsurteils enthält, für die in Klammern auf ein „klarstellendes Schreiben der … an … vom 02.07.2013“ verwiesen wird. Es versteht sich von selbst, dass nachträgliche einseitige Veränderungen des Wortlauts bei der Auslegung einer Willenserklärung nicht berücksichtigt werden können.
2. Danach kommt es auf die Frage einer Hemmung der Verjährung nach § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG (alte Fassung), der im Wesentlichen inhaltsgleich in § 115 Abs. 2 S. 3 VVG übernommen worden ist, nicht mehr an.
Allerdings dürften die Voraussetzungen für die Hemmung nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien vorliegen. Die Klägerin hat ihre Ansprüche erstmals am 02.02.1994 (Anlage …) angemeldet. Eine Entscheidung des Versicherers im Sinn der §§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG bzw. 115 Abs. 2 S. 3 VVG ist dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Zur Auslegung eines allgemeinen Verjährungsverzichts, den eine Haftpflichtversicherung gegenüber einem Rentenversicherungsträger erklärt hat.
Anmerkung: Die Beklagte hat die Berufung nach dem Hinweis zurückgenommen.


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