Insolvenzrecht

Ansprüche wegen insolvenzrechtlicher Vorsatzanfechtung

Aktenzeichen  13 O 371/18

Datum:
25.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59548
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 17 Abs. 2 S. 1§ 129 Abs. 1, § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1
ZPO § 3, § 91, § 709

 

Leitsatz

1. Für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO muss es sich um eine willensgeleitete und verantwortungsgesteuerte Rechtshandlung des Schuldners selbst handeln, dessen Mitwirkung bei der Rechtshandlung eines Gläubigers oder eines Dritten genügt (vgl. BGH 10.12.2009 IX ZR 128/08; BGH 19.9.2013 IX ZR 4/13) (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 32.226,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2018 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.239,40 € für vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 32.226,89 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme des Zinsanspruchs im Antrag zu Ziffer 2. begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 130 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO auf Zahlung von 32.226,89 € EUR.
Die Zahlungen, welche der Beklagte anteilig aus der Grundstücksveräußerung des Objekts … in …in Höhe von 32.226,89 € erhielt, sind gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist anfechtbar eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlungen die Gläubiger benachteiligte. Bezüglich der vier Voraussetzungen,
– Rechtshandlung des Schuldners
– Gläubigerbenachteiligung
– Benachteiligungsvorsatz
– Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz trägt grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
1. Rechtshandlung des Schuldners
Für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO kommen Rechtshandlungen aller Art in Betracht. Allerdings muss es sich um eine willensgeleitete und verantwortungsgesteuerte Rechtshandlung des Schuldners selbst handeln. Um eine Rechtshandlung des Schuldners anzunehmen, genügt dessen Mitwirkung bei der Rechtshandlung eines Gläubigers oder eines Dritten (BGH 10.12.2009 IX ZR 128/08 Tz 9 NZI 2010, 184 = NJW 2010, 1671 = ZIP 2010, 191 = ZInsO 2010, 226; BGH 19.9.2013 IX ZR 4/13 Tz 9 ZInsO 2013, 2213 = ZIP 2013, 2113; BGH 21.11.2013 IX ZR 128/13 Tz 7 ZIP 2014, 35 = WM 2014, 44; krit. Foerste NZI 2006, 6, 8f; Jacoby KTS 2009, 3, 5, 9; für Verzicht auf das Erfordernis einer Mitwirkung des Schuldners G. Brinkmann/Luttmann ZInsO 2007, 565 ff; zum alten Recht siehe die Nachweise in der 14. Aufl. Rn 9). Dabei genügt es, wenn der Schuldner eine Handlung vorgenommen hat, die die zur Gläubigerbenachteiligung führende Handlung ermöglicht hat; die Mitwirkungshandlung des Schuldners muss nicht unmittelbar ursächlich für den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gewesen sein (BGH 24.10.2013 IX ZR 104/13 Tz 8 ZInsO 2013, 2378 = ZIP 2013, 2262; BGH 16.1.2014 IX ZR 31/12 Tz 7 ZInsO 2014, 293 = NZI 2014, 218 = ZIP 2014, 275). Die Annahme einer Rechtshandlung des Schuldners wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Initiative zu dem benachteiligenden Verhalten vom Gläubiger ausging (BGH 10.12.2009 IX ZR 128/08 NZI 2010, 184 = NJW 2010, 1671 = ZIP 2010, 191 = ZInsO 2010, 226). Eine Rechtshandlung des Schuldners wird ferner nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Mitwirkung unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 133 Rn. Randnummer 10-8).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin vor. Denn die Schuldnerin verpflichtete sich gem. Ziffer I. des Kaufvertrages vom 08.02.2017 (Bl. 15) zur Auszahlung von 32.226,89 € an den Beklagten, der im Gegenzug der Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen und der Löschung der Zwangssicherungshypothek zustimmte. Aufgrund der konkreten Gestaltung des Vorganges handelte es sich auch um eine Rechtshandlung der Schuldnerin und nicht, wie der Beklagte meint, um eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung. Zwar waren vom Beklagten eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung ergangen. Geleistete wurde jedoch aufgrund der notariellen Vereinbarung und in vereinbarter Höhe.
2. Gläubigerbenachteiligung
Die Rechtshandlung wirkte auch gläubigerbenachteiligend.
Durch die angefochtene Rechtshandlung müssen die Insolvenzgläubiger (objektiv) benachteiligt worden sein. Die Benachteiligung muss tatsächlich eingetreten und nicht nur gewollt gewesen sein (Jaeger/Henckel § 133 Rn 16). Es genügt im Gegensatz eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (BGH 19.4.2007 IX ZR 59/06 Tz 15 NJW 2007, 2325 = ZIP 2007, 1120 = ZInsO 2007, 600 = NZI 2007, 462; BGH 13.8.2009 IX ZR 159/06 NZI 2009, 768 = ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1901; BGH 18.3.2010 IX ZR 57/09 Tz 14 NZI 2010, 439 = ZIP 2010, 841 = ZInsO 2010, 807; BGH 25.10.2012 IX ZR 117/11 Tz 19 NZI 2012, 963 = ZInsO 2012, 2244 = ZIP 2012, 2355; zum alten Recht siehe die Nachw. in der 14. Aufl. Rn 32; Jaeger/Henckel § 133 Rn 15; Karsten Schmidt/Ganter/Weinland § 133 Rn 28; siehe dazu § 129 Rn 245). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz unschädlich ist, wenn die Rechtshandlung keine (auch keine mittelbare) Gläubigerbenachteiligung bewirkt. Dies kann bspw. der Fall sein, wenn der Schuldner einen werthaltig und anfechtungsfest gesicherten Gläubiger befriedigt (vgl. dazu BGH 9.2.2012 IX ZR 48/11 Tz 4 NZI 2012, 514 = ZInsO 2012, 1264; allgemein dazu § 129 Rn 198 ff; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 133 Rn. 32).
Die Auszahlung der 32.226,89 € zu Gunsten des Beklagten verringerte die für die Insolvenzgläubiger andernfalls vorhandenen Aktiva. Maßgeblich hierfür ist, dass die Sicherungshypothek des Beklagten über 48.905,34 € im Grundbuch (Bl. 151) des Objektes …auf drittem Rang eingetragen war, nach der Grundschuld zu Gunsten der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Höhe von 686.000 € und der Grundschuld der Raiffeisenbank Gr.-Ob. eG über 50.000 €. Die vorbenannten Grundschulden waren unstreitig mit 473.000 € und 22.000 € valutiert. Der Beklagte hätte daher von dem Verkaufserlös der …in Höhe von 160.000 € aufgrund seiner Sicherungshypothek keine Befriedigung erlangen können, da die vorrangigen Gläubiger den Verkaufserlös zu 100% konsumiert hätten.
Bei der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung wäre daher zugunsten aller Gläubiger nach Verwertung der M. straße infolge des Ausfalls des Beklagten bei der Veräußerung der …ein größerer Betrag zur Verfügung gestanden. Dieser dem Beklagten zugeflossene Betrag benachteiligte daher die übrigen Gläubiger.
An dieser rechtlichen Einschätzung vermag somit der Einwand des Beklagten, seine Forderungen seien durch Zwangssicherungshypotheken gesichert, nichts zu ändern, da jedenfalls die Zwangssicherungshypothek am Grundstück …wirtschaftlich wertlos war. Auch der Einwand des Beklagten, es liege keine Gläubigerbenachteiligung vor, weil das Grundstück wertausschöpfend belastet gewesen sei und daher ein Minus für die Gesamtheit der Gläubiger nicht bestehe, greift nicht durch. Denn eine neutrale und die Gläubiger nicht benachteiligende Ablösung eines Absonderungsrechts liegt vor, wenn die Zahlung nicht den Erlös überschreitet, den der Absonderungsberechtigte bei einer hypothetischen Verwertung der Sache oder Forderung hätte erzielen können (BGH 17.6.2004 IX ZR 124/03 Tz 23 ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856 = NZI 2004, 492; BGH 6.4.2006 IX ZR 185/04 Tz 21 ZIP 2006, 1009 = ZInsO 2006, 544 = NZI 2006, 403; BGH 19.3.2009 IX ZR 39/08 Tz 13 ZIP 2009, 817 = ZInsO 2009, 828 = NZI 2009, 379; BGH 26.4.2012 IX ZR 67/09 Tz 32 NZI 2012, 667 = ZInsO 2012, 1429; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 129 Rn. Randnummer 213). So stellt sich der Sachverhalt hier jedoch gerade nicht dar, weil bei hypothetischer Betrachtung der Beklagte mit seiner Forderung ausgefallen wäre.
3. Benachteiligungsvorsatz
Die Schuldnerin handelte auch mit Benachteiligungsvorsatz. Benachteiligungsvorsatz liegt vor, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger gewollt oder sie jedenfalls als mutmaßliche Folge seines Handelns erkannt und gebilligt hat, sei es auch als sogar unerwünschte Nebenfolge eines anderen erstrebten Vorteils; Motiv oder Anlass der Rechtshandlung können ein völlig anderer gewesen sein (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 133 Rn. Randnummer 35). Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der objektiv vorliegenden Gläubigerbenachteiligung bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung bestehen am – zumindest – bedingten Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin keine Zweifel. Aufgrund der unstreitigen Zahlungseinstellung gegenüber dem Finanzamt A. seit Mitte 2016, aufgrund derer es zur Eintragung der Zwangshypothek gekommen war, wird der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gem. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO vermutet.
4. Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz
Der Beklagte hatte auch Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Der andere Teil im Sinne des § 133 InsO braucht nicht Insolvenzgläubiger zu sein, muss aber von der vorsätzlichen Benachteiligung des Schuldners positive Kenntnis gehabt haben (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 133 Rn. Randnummer 49). Die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit indiziert Kenntnis der objektiven Gläubigerbenachteiligung jedenfalls dann, wenn der Gläubiger nicht davon ausgehen durfte, alleiniger Gläubiger des Schuldners zu sein. Folglich ist auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners von weiteren ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners bzw. der Umstand, dass er mit der Existenz oder dem Entstehen solcher Verbindlichkeiten rechnen musste, nicht nur ein starkes Indiz für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit, sondern auch für die Kenntnis von der objektiven Gläubigerbenachteiligung; denn bei einem unternehmerisch tätigen Schuldner muss mit der Existenz oder dem Entstehen weiterer Verbindlichkeiten gerechnet werden (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 133 Rn. Randnummer 77).
Aufgrund der von Beklagtenseite seit Mitte 2016 gegenüber der Schuldnerin bestehenden Forderungen, auf welche die Schuldnerin trotz der Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten und der Pfändungs- und Überweisungsverfügungen keine Zahlungen leistete, erhielt der Beklagte die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, da ihr die Zahlungseinstellung bekannt war. Dem Beklagten war auch positiv aus dem Grundbuch des Objektes …bekannt, dass die Schuldnerin weitere Gläubiger hatte, denn der Beklagte war mit der Zwangshypothek lediglich an dritter Rangstelle eingetragen worden. Schließlich ist der Vortrag des Klägers, wonach die Schuldner mit dem Beklagten ein Moratorium erreichen wollten, um eine neue Finanzierung aller Verbindlichkeiten zu erhalten, unbestritten geblieben. Daher muss auch aufgrund dieses Sachverhaltes die Kenntnis des Beklagten von weiteren Gläubigern angenommen werden. Schließlich war die Schuldnerin auch unternehmerisch tätig, so dass auch hieraus die Vermutung weiterer Gläubiger folgt. Da die Auszahlung des 32.226,89 € eine Bevorzugung des Beklagten darstellte, greift die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO ein, die der Beklagte nicht zu erschüttern vermochte.
Da die Voraussetzungen der §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 130 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO somit vorliegen, war der Beklagte wie beantragt zu verurteilen.
II.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Verzugszinsen gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hatte den Beklagten erfolglos mit Schreiben vom 11.04.2018 zur Zahlung bis 25.04.2018 aufgefordert, so dass zum Zeitpunkt 25.05.2018 – ab dem Zinsen beantragt werden – Verzug eingetreten war.
Die Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.239,40 € sind vom Beklagten ebenfalls aus den Gründen des Verzuges zu ersetzen. Ausweislich der Anlage K4 war der Klägervertreter erst nach Eintritt des Verzuges beauftragt worden. Die Höhe folgt aus dem RVG bei einem Streitwert in Höhe der Klageforderung. Ein Anspruch auf Verzinsung besteht hingegen nicht, weil die 13 O 371/18 – Seite 9 – aussergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten vorgerichtlich gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht worden sind.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben