Insolvenzrecht

Beschwerde gegen die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung im Insolvenzverfahren

Aktenzeichen  44 T 390/19

Datum:
25.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21277
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 4, § 4d Abs. 1, § 6
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Hat das Insolvenzgericht den Antrag des Schuldners auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt, und sucht der Schuldner nochmals um Beiordnung eines Anwalts nach, ist dies als sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss auszulegen, für welche die zweiwöchige Beschwerdefrist gilt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

IN 436/17 2018-11-08 Bes AGNEUULM AG Neu-Ulm

Tenor

Die Beschwerde des Schuldners vom 12.01.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts … – Abteilung für Insolvenzsachen – vom 08.11.2018 (Aktenzeichen: IN 436/17) wird als unzulässig verworfen, soweit der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen wurde.

Gründe

I.
Der Schuldner stellte unter dem 22.11.2017/Bl. 1/26 d.A.) Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens. Zugleich wurden die Stundung der Verfahrenskosten (Bl. 3 d.A.) sowie die Erteilung der Restschuldbefreiung (Bl. 2 d.A.) beantragt. Das Amtsgericht … stundete dem Schuldner mit Beschluss vom 21.06.2018 (Bl. 36/38 d.A.) die Kosten des eröffneten Insolvenzverfahrens einschließlich des Insolvenzeröffnungsverfahrens und des Restschuldbefreiungsverfahrens, soweit sein Vermögen zur Kostendeckung nicht ausreicht. Mit Beschluss vom 22.06.2018 (Bl. 41/45 d.A.) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Restschuldbefreiung angekündigt. Gleichzeitig wurde der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Insolvenzverwalter teilte mit dem 1. Bericht (Bl. 68/86 d.A.) mit, dass sich die Gerichtskosten und die Insolvenzverwaltervergütung voraussichtlich auf 1.653,43 Euro belaufen werden. Weiter teilte der Insolvenzverwalter mit, dass sich der Schuldner bislang nicht zu den Ursachen der Insolvenz geäußert habe. Auch zur Wohnsituation sei nichts bekannt. Der Schuldner habe lediglich mitgeteilt, dass er nicht mit der Kanzlei des Insolvenzverwalters zusammenarbeiten wolle. Eine Bitte, sich zu melden und einen Termin zu vereinbaren, habe der Schuldner ignoriert. An dem Berichts- und Prüfungstermin vom 22.08.2018 (Niederschrift Bl. 101/102 d.A.) nahm der Schuldner nicht teil. Mit Schriftsatz vom 20.08.2018 (Bl. 104/108 d.A.) beantragte der Schuldner, ihm einen anderen Insolvenzverwalter sowie einen Rechtsanwalt zur Seite zu stellen. Dem Schriftsatz lag ein Ausdruck des E-Mail-Verkehrs zwischen dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter bei, in welchem der Insolvenzverwalter um Vereinbarung eines Besprechungstermins zur Erfragung der benötigten Informationen bat. Weiter wies der Insolvenzverwalter darauf hin, dass die Aufhebung der Kostenstundung drohe, wenn der Schuldner nicht mit dem Insolvenzverwalter zusammen arbeite. Der Schuldner teilte dem Insolvenzverwalter in dem E-Mail-Verkehr mit, dass er nicht zur Zusammenarbeit mit der Kanzlei … bereit sei, da das letzte Insolvenzverfahren aus 2008 – gelinde gesagt – „unter aller Sau“ gelaufen sei. Allerdings könne der heutige Insolvenzverwalter nichts dafür, was damals gelaufen sei und die Ablehnung sei nicht auf ihn persönlich gemünzt. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schriftsatz vom 10.09.2018 (Bl. 109 d.A.) mit, dass sich der Schuldner auf die Bitte per E-Mail um Vereinbarung eines Besprechungstermins nicht gemeldet habe. Mit Schriftsatz vom 22.10.2018 (Bl. 110/112 d.A.) nahm der Insolvenzverwalter zum Antrag auf seine Ablösung Stellung und legte dar, dass dem Schuldner in einem früheren Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung versagt worden sei. Aufgrund dieser Vorgeschichte bestehe offenbar eine grundsätzliche Abneigung gegen die Kanzlei …, welcher auch der nunmehrige Insolvenzverwalter angehöre. Der Antrag auf Ablehnung sei jedoch unzulässig, da kein wichtiger Grund in der Person des Insolvenzverwalters vorliege. Die eingetretene Entwicklung und die aktenkundig manifestierte Weigerung des Schuldners, entsprechend seiner Pflichten nach § 97 InsO am Insolvenzverfahren mitzuwirken möge jedoch zum Anlass für eine Überprüfung der Stundung der Verfahrenskosten genommen werden. Der Beiordnung eines Rechtsanwalts würde nicht entgegengetreten.
Das Amtsgericht … entschied mit Beschluss vom 08.11.2018 (Bl. 113/115 d.A.), den Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters sowie den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückzuweisen und führte zur Begründung aus, dass ein Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters nur vom Verwalter, der Gläubigerversammlung oder dem Gläubigerausschuss gestellt werden könne. Der Antrag des Schuldners sei jedoch als Anregung zur Entlassung von Amts wegen ausgelegt worden. Hierfür lägen jedoch keine Gründe vor. In einem früheren Insolvenzverfahren sei eine andere Person aus der Kanzlei, nicht aber der jetzige Verwalter, tätig gewesen. Gründe zur Entlassung dieses Verwalters seien nicht zu erkennen. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts käme nur dann in Betracht, wenn anwaltliche Vertretung trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheinen würde. Eine solche vom Regelfall abweichende Sachlage sei jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 15.11.2018 zugestellt.
Mit Verfügung vom 08.11.2018 (Bl. 117 d.A.) forderte das Amtsgericht den Schuldner auf, seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO nachzukommen und die vom Insolvenzverwalter aufgeworfenen Fragen und Angaben zu beantworten und gegebenenfalls entsprechende Unterlagen vorzulegen. Hierfür setzte das Gericht eine Frist von 3 Wochen. Diese Verfügung wurde dem Schuldner zusammen mit dem Schriftsatz des Insolvenzverwalters vom 22.10.2018 ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 15.11.2018 zugestellt. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schriftsatz vom 19.12.2018 (Bl. 118 d.A.) mit, dass der Schuldner die geforderten Auskünfte nach wie vor nicht erteilt habe. Daraufhin hob das Amtsgericht … mit Beschluss vom 02.01.2019 (Bl. 119/120 d.A.) die mit Beschluss vom 21.06.2018 bewilligte Stundung der Verfahrenskosten für gesamte Verfahren auf und führte zur Begründung aus, dass der Schuldner eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben habe. Zudem habe der Schuldner eine verlangte Auskunft über die Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht abgegeben. Dadurch habe er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Dies stelle einen Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar. Bei dieser Sachlage sei die bewilligte Stundung aufzuheben. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 05.01.2019 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 12.01.2019, beim Amtsgericht … eingegangen am 15.01.2019 (Bl. 122 d.A.), legte der Schuldner „Einspruch/Widerspruch“ gegen den Beschluss vom 02.01.2019 ein und führte aus, dass er seine Pflichten nicht grob fahrlässig verletzt habe. Er habe eine Stellungnahme geschrieben, so gut es gegangen sei. Es sei ihm jedoch aufgrund der Komplexität des Sachverhalts nicht gelungen. Er sei zu einem persönlichen Gespräch bereit. Darüber hinaus beantrage er nochmals einen Rechtsbeistand sowie einen anderen Insolvenzverwalter. In dem früheren Insolvenzverfahren habe er immer die Wahrheit gesagt.
Das Amtsgericht … entschied mit Beschluss vom 21.02.2019, der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.01.2019 (Aufhebung der Kostenstundung) sowie gegen den Beschluss vom 08.11.2018, soweit dort die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wurde, nicht abzuhelfen und die Akten dem Landgericht … zur Entscheidung vorzulegen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Schuldner seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht nachgekommen sei. Hierzu sei er vom Insolvenzverwalter und zuletzt durch das Gericht aufgefordert worden. Grobe Fahrlässigkeit liege ebenfalls vor. Die fehlende Mitwirkung sei nicht am komplexen Sachverhalt gescheitert, sondern daran, dass der Schuldner überhaupt nichts zum Sachverhalt vorgetragen habe. Vielmehr habe der Schuldner eine Zusammenarbeit mit der Kanzlei … ausdrücklich abgelehnt und sei der Aufforderung des Insolvenzverwalters zur Vereinbarung eines persönlichen Gesprächs nicht nachgekommen. Dies sei zumindest grob fahrlässig. Soweit sich der Schuldner gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts wende, sei die Beschwerde verfristet. Darüber hinaus auch unbegründet. Die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung sei nicht begründet worden. Gegen diesen Beschluss erhob der Schuldner mit Schriftsatz vom 11.03.2019, beim Amtsgericht … eingegangen am 12.03.2019, „Einspruch/Widerspruch“ und nahm auf den bisherigen Schriftverkehr Bezug. Außerdem führte der Schuldner aus, dass Schreiben ohne richterliche Unterschrift nicht gültig seien.
Das Beschwerdegericht ließ den Beteiligten mit Verfügung vom 03.04.2019 (Bl. 160 d.A.) nach, zu dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts … Stellung zu nehmen. Der Schuldner teilte mit Schriftsatz vom 09.04.2019 (Bl. 161 d.A.) mit, dass er die Verfügung vom 03.04.2019 nicht verstehe. Als normaler Bürger verstehe er Juristendeutsch nicht. Er würde sehr gerne Stellung nehmen, wenn er es verstehen würde. Genau aus diesem Grund habe er einen Rechtsbeistand beantragt, um mit dem Gericht kommunizieren zu können. Genauso habe er einen anderen Insolvenzverwalter beantragt, da die Tätigkeit des früheren Verwalters aus dem Jahr 2008 jeder Beschreibung spotte.
II.
Die statthafte (§§ 6, 4 d Abs. 1 InsO) sofortige Beschwerde ist bereits unzulässig.
Das Amtsgericht hat den Schriftsatz des Schuldners vom 12.01.2019 zu Recht als sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung ausgelegt, da der Schuldner mit diesem Schriftsatz ausdrücklich nochmals um Beiordnung eines Rechtsanwalts nachsucht. Der angegriffene Beschluss wurde dem Schuldner jedoch bereits am 15.11.2018 zugestellt, sodass die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß §§ 4 InsO, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO vom 16.11.2018 bis 29.11.2018, 24:00 Uhr, lief. Die am 15.01.2019 eingegangene Beschwerde konnte diese Frist nicht mehr wahren.
Die sofortige Beschwerde war nach alledem als unzulässig zu verwerfen. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache findet nicht mehr statt.
III.
Eine Kostenentscheidung gemäß §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO ist nicht veranlasst, da kein Beschwerdegegner vorhanden ist (vgl. Madaus, in: Fridgen/Geiwitz/Göpfert, BeckOK InsO, 13. Edition Stand 28.01.2019, § 6 Rn. 22).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 4 InsO, 574 ZPO) liegen nicht vor.


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